Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. wohl gar einen völligen Stillstand der Cultur. Daß aber jeneBewirthschaftungsmethode für kleinere Grundstücke, die nur den Mann selbst nährten, die Haltung eines Sklaven also weder erforderten, noch ertrugen, ebenso unanwendbar, wie sie für größere Güter geboten war, braucht kaum gesagt zu werden. Diese Eine Differenz war nun äußerst folgenreich. Es ist be- 364) S. darüber z. B. Böckh Staatshaushaltung der Athener Bd. 1, Buch 1. §. 15 (der ersten Ausg.; die zweite ist mir nicht zur Hand). 365) Hinsichtlich Griechenland ist dies von Böckh a. a. O. nachgewiesen.
In Athen, wo der Medimnus unter Solon 1 Drachme gekostet hatte, stieg er einmal auf 16. Für Rom hat C. F. L. Schultz Grundlegung zu einer gesch. Staatswissenschaft der Römer S. 502 u. fl. das Gegentheil behaup- tet, allein für die ältere Zeit gewiß mit Unrecht. Allerdings trat späterhin in Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. wohl gar einen völligen Stillſtand der Cultur. Daß aber jeneBewirthſchaftungsmethode für kleinere Grundſtücke, die nur den Mann ſelbſt nährten, die Haltung eines Sklaven alſo weder erforderten, noch ertrugen, ebenſo unanwendbar, wie ſie für größere Güter geboten war, braucht kaum geſagt zu werden. Dieſe Eine Differenz war nun äußerſt folgenreich. Es iſt be- 364) S. darüber z. B. Böckh Staatshaushaltung der Athener Bd. 1, Buch 1. §. 15 (der erſten Ausg.; die zweite iſt mir nicht zur Hand). 365) Hinſichtlich Griechenland iſt dies von Böckh a. a. O. nachgewieſen.
In Athen, wo der Medimnus unter Solon 1 Drachme gekoſtet hatte, ſtieg er einmal auf 16. Für Rom hat C. F. L. Schultz Grundlegung zu einer geſch. Staatswiſſenſchaft der Römer S. 502 u. fl. das Gegentheil behaup- tet, allein für die ältere Zeit gewiß mit Unrecht. Allerdings trat ſpäterhin in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0258" n="244"/><fw place="top" type="header">Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. <hi rendition="#aq">II.</hi> Die Grundtriebe. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Freiheitstrieb.</fw><lb/> wohl gar einen völligen Stillſtand der Cultur. Daß aber jene<lb/> Bewirthſchaftungsmethode für kleinere Grundſtücke, die nur den<lb/> Mann ſelbſt nährten, die Haltung eines Sklaven alſo weder<lb/> erforderten, noch ertrugen, ebenſo unanwendbar, wie ſie für<lb/> größere Güter geboten war, braucht kaum geſagt zu werden.</p><lb/> <p>Dieſe Eine Differenz war nun äußerſt folgenreich. Es iſt be-<lb/> kannt, daß jeder Ausfall in der Aerndte ein Steigen der Preiſe zur<lb/> Folge hat. Die Entwicklung des heutigen Handels, die Sicher-<lb/> heit, Raſchheit, Leichtigkeit unſeres Transportſyſtems bewirken,<lb/> daß dieſe Steigerung ſich heutzutage über die weiteſten Kreiſe ver-<lb/> theilt und dadurch für die von dem Ausfall betroffenen Gegen-<lb/> den verhältnißmäßig auf ein Minimum reducirt wird. Ganz<lb/> anders im Alterthum. Der Kornhandel ward allerdings auch<lb/> damals ſchon mit einer gewiſſen Großartigkeit betrieben, aber<lb/> er hatte doch weder die Univerſalität hinſichtlich ſeiner Ausdeh-<lb/> nung, noch auch die innere Organiſation gewonnen, daß er eine<lb/> ſolche wohlthätige Wirkung in größerm Maßſtabe hätte aus-<lb/> üben können. Der Kornwucher, der heutzutage durch die mo-<lb/> derne Geſtalt des Kornhandels in die engſten Gränzen einge-<lb/> ſchloſſen iſt, konnte ſich aus dem Grunde im Alterthum zu<lb/> furchtbarer Höhe ſteigern. <note place="foot" n="364)">S. darüber z. B. Böckh Staatshaushaltung der Athener Bd. 1,<lb/> Buch 1. §. 15 (der erſten Ausg.; die zweite iſt mir nicht zur Hand).</note> Dazu kam ganz abgeſehn von<lb/> der Unvollkommenheit des Transportſyſtems die völkerrechtliche<lb/> Unſicherheit des Handels, die letzteren verhinderte mit ſo ge-<lb/> ringen Koſten und mit der Regelmäßigkeit und Sicherheit zu<lb/> operiren, wie es der heutige Kornhandel kann. Daher dann der<lb/> lokale Charakter der Theuerungen und das enorme und faſt un-<lb/> glaubliche Schwanken der Getraidepreiſe. <note xml:id="seg2pn_36_1" next="#seg2pn_36_2" place="foot" n="365)">Hinſichtlich Griechenland iſt dies von Böckh a. a. O. nachgewieſen.<lb/> In Athen, wo der Medimnus unter Solon 1 Drachme gekoſtet hatte, ſtieg<lb/> er einmal auf 16. Für Rom hat C. F. L. Schultz Grundlegung zu einer<lb/> geſch. Staatswiſſenſchaft der Römer S. 502 u. fl. das Gegentheil behaup-<lb/> tet, allein für die ältere Zeit gewiß mit Unrecht. Allerdings trat ſpäterhin in</note></p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [244/0258]
Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
wohl gar einen völligen Stillſtand der Cultur. Daß aber jene
Bewirthſchaftungsmethode für kleinere Grundſtücke, die nur den
Mann ſelbſt nährten, die Haltung eines Sklaven alſo weder
erforderten, noch ertrugen, ebenſo unanwendbar, wie ſie für
größere Güter geboten war, braucht kaum geſagt zu werden.
Dieſe Eine Differenz war nun äußerſt folgenreich. Es iſt be-
kannt, daß jeder Ausfall in der Aerndte ein Steigen der Preiſe zur
Folge hat. Die Entwicklung des heutigen Handels, die Sicher-
heit, Raſchheit, Leichtigkeit unſeres Transportſyſtems bewirken,
daß dieſe Steigerung ſich heutzutage über die weiteſten Kreiſe ver-
theilt und dadurch für die von dem Ausfall betroffenen Gegen-
den verhältnißmäßig auf ein Minimum reducirt wird. Ganz
anders im Alterthum. Der Kornhandel ward allerdings auch
damals ſchon mit einer gewiſſen Großartigkeit betrieben, aber
er hatte doch weder die Univerſalität hinſichtlich ſeiner Ausdeh-
nung, noch auch die innere Organiſation gewonnen, daß er eine
ſolche wohlthätige Wirkung in größerm Maßſtabe hätte aus-
üben können. Der Kornwucher, der heutzutage durch die mo-
derne Geſtalt des Kornhandels in die engſten Gränzen einge-
ſchloſſen iſt, konnte ſich aus dem Grunde im Alterthum zu
furchtbarer Höhe ſteigern. 364) Dazu kam ganz abgeſehn von
der Unvollkommenheit des Transportſyſtems die völkerrechtliche
Unſicherheit des Handels, die letzteren verhinderte mit ſo ge-
ringen Koſten und mit der Regelmäßigkeit und Sicherheit zu
operiren, wie es der heutige Kornhandel kann. Daher dann der
lokale Charakter der Theuerungen und das enorme und faſt un-
glaubliche Schwanken der Getraidepreiſe. 365)
364) S. darüber z. B. Böckh Staatshaushaltung der Athener Bd. 1,
Buch 1. §. 15 (der erſten Ausg.; die zweite iſt mir nicht zur Hand).
365) Hinſichtlich Griechenland iſt dies von Böckh a. a. O. nachgewieſen.
In Athen, wo der Medimnus unter Solon 1 Drachme gekoſtet hatte, ſtieg
er einmal auf 16. Für Rom hat C. F. L. Schultz Grundlegung zu einer
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