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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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A. Stellung des Indiv. Die Freiheit eine Schranke der Willkühr. §. 33.
und unsere Frage hat hier eine ungemein hohe sowohl natio-
nalökonomische als politische Bedeutung. Ob ein Recht die
Freiheit des Eigenthums festhält, wie es das römische that, oder
sie Preis gibt, wie unser deutsches, ist für eine Reihe der wich-
tigsten Verhältnisse z. B. die Landwirthschaft, den Grundadel
u. s. w. von entscheidendem Einfluß.

Das Eigenthum gewährt die Möglichkeit der unbeschränk-
ten Benutzung und Verfügung über die Sache. Die Freiheit
des Eigenthums würde sich also daran zu bewähren haben,
daß Dispositionen des Eigenthümers, die eine Verkümmerung
dieser Vollgewalt beabsichtigten, nichtig sein müßten. Nicht aber
etwa Dispositionen, wodurch der Eigenthümer nur sich
selbst bindet oder sein Recht aufgibt z. B. Verkauf, Tradition
der Sache, -- mittelst ihrer bethätigt er ja gerade seine Herr-
schaft als Eigenthümer -- sondern nur diejenigen, wodurch das
Eigenthum selbst ergriffen, die Sache belastet, gebunden wird.
Der Unterschied liegt auf der Hand; dort betrifft die Verfügung
nur das relative Verhältniß dieses Eigenthümers zur Sache,
der absolute Gehalt des Eigenthums aber wird gar nicht ver-
mindert, ja der Nachfolger hat ein völlig ungeschwächtes und
unverkürztes Eigenthum; hier hingegen würde die Wirkung der
Disposition, die Gültigkeit derselben vorausgesetzt, in einer
Verminderung des absoluten Eigenthumsgehaltes bestehen, das
Recht des gegenwärtigen wie zukünftigen Eigenthümers ein un-
vollständiges und verkümmertes werden. Diese Verkürzung des
Eigenthumsgehalts könnte entweder das Veräußerungsrecht
zum Gegenstand haben (gänzliche Entziehung oder Erschwerung
desselben z. B. Familienfideikommisse, bedingte Uebertragung

precario possideat, numquid exceptione adjuvandus est, ne ante ei pos-
sessio auferatur? Sed nulla vis est hujus conventionis, ut
rem alienam domino invito possidere liceat.
Im Besitz liegt das Recht
der Ausschließung jedes andern, es ist dies die Freiheit, die der Besitz mit
sich bringt, folglich ein Vertrag, der diese Freiheit aufgibt, vom Stand-
punkt des Besitzes aus
unwirksam. L. 2 §. 2 ibid.

A. Stellung des Indiv. Die Freiheit eine Schranke der Willkühr. §. 33.
und unſere Frage hat hier eine ungemein hohe ſowohl natio-
nalökonomiſche als politiſche Bedeutung. Ob ein Recht die
Freiheit des Eigenthums feſthält, wie es das römiſche that, oder
ſie Preis gibt, wie unſer deutſches, iſt für eine Reihe der wich-
tigſten Verhältniſſe z. B. die Landwirthſchaft, den Grundadel
u. ſ. w. von entſcheidendem Einfluß.

Das Eigenthum gewährt die Möglichkeit der unbeſchränk-
ten Benutzung und Verfügung über die Sache. Die Freiheit
des Eigenthums würde ſich alſo daran zu bewähren haben,
daß Dispoſitionen des Eigenthümers, die eine Verkümmerung
dieſer Vollgewalt beabſichtigten, nichtig ſein müßten. Nicht aber
etwa Dispoſitionen, wodurch der Eigenthümer nur ſich
ſelbſt bindet oder ſein Recht aufgibt z. B. Verkauf, Tradition
der Sache, — mittelſt ihrer bethätigt er ja gerade ſeine Herr-
ſchaft als Eigenthümer — ſondern nur diejenigen, wodurch das
Eigenthum ſelbſt ergriffen, die Sache belaſtet, gebunden wird.
Der Unterſchied liegt auf der Hand; dort betrifft die Verfügung
nur das relative Verhältniß dieſes Eigenthümers zur Sache,
der abſolute Gehalt des Eigenthums aber wird gar nicht ver-
mindert, ja der Nachfolger hat ein völlig ungeſchwächtes und
unverkürztes Eigenthum; hier hingegen würde die Wirkung der
Dispoſition, die Gültigkeit derſelben vorausgeſetzt, in einer
Verminderung des abſoluten Eigenthumsgehaltes beſtehen, das
Recht des gegenwärtigen wie zukünftigen Eigenthümers ein un-
vollſtändiges und verkümmertes werden. Dieſe Verkürzung des
Eigenthumsgehalts könnte entweder das Veräußerungsrecht
zum Gegenſtand haben (gänzliche Entziehung oder Erſchwerung
deſſelben z. B. Familienfideikommiſſe, bedingte Uebertragung

precario possideat, numquid exceptione adjuvandus est, ne ante ei pos-
sessio auferatur? Sed nulla vis est hujus conventionis, ut
rem alienam domino invito possidere liceat.
Im Beſitz liegt das Recht
der Ausſchließung jedes andern, es iſt dies die Freiheit, die der Beſitz mit
ſich bringt, folglich ein Vertrag, der dieſe Freiheit aufgibt, vom Stand-
punkt des Beſitzes aus
unwirkſam. L. 2 §. 2 ibid.
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[231/0245] A. Stellung des Indiv. Die Freiheit eine Schranke der Willkühr. §. 33. und unſere Frage hat hier eine ungemein hohe ſowohl natio- nalökonomiſche als politiſche Bedeutung. Ob ein Recht die Freiheit des Eigenthums feſthält, wie es das römiſche that, oder ſie Preis gibt, wie unſer deutſches, iſt für eine Reihe der wich- tigſten Verhältniſſe z. B. die Landwirthſchaft, den Grundadel u. ſ. w. von entſcheidendem Einfluß. Das Eigenthum gewährt die Möglichkeit der unbeſchränk- ten Benutzung und Verfügung über die Sache. Die Freiheit des Eigenthums würde ſich alſo daran zu bewähren haben, daß Dispoſitionen des Eigenthümers, die eine Verkümmerung dieſer Vollgewalt beabſichtigten, nichtig ſein müßten. Nicht aber etwa Dispoſitionen, wodurch der Eigenthümer nur ſich ſelbſt bindet oder ſein Recht aufgibt z. B. Verkauf, Tradition der Sache, — mittelſt ihrer bethätigt er ja gerade ſeine Herr- ſchaft als Eigenthümer — ſondern nur diejenigen, wodurch das Eigenthum ſelbſt ergriffen, die Sache belaſtet, gebunden wird. Der Unterſchied liegt auf der Hand; dort betrifft die Verfügung nur das relative Verhältniß dieſes Eigenthümers zur Sache, der abſolute Gehalt des Eigenthums aber wird gar nicht ver- mindert, ja der Nachfolger hat ein völlig ungeſchwächtes und unverkürztes Eigenthum; hier hingegen würde die Wirkung der Dispoſition, die Gültigkeit derſelben vorausgeſetzt, in einer Verminderung des abſoluten Eigenthumsgehaltes beſtehen, das Recht des gegenwärtigen wie zukünftigen Eigenthümers ein un- vollſtändiges und verkümmertes werden. Dieſe Verkürzung des Eigenthumsgehalts könnte entweder das Veräußerungsrecht zum Gegenſtand haben (gänzliche Entziehung oder Erſchwerung deſſelben z. B. Familienfideikommiſſe, bedingte Uebertragung 354) 354) precario possideat, numquid exceptione adjuvandus est, ne ante ei pos- sessio auferatur? Sed nulla vis est hujus conventionis, ut rem alienam domino invito possidere liceat. Im Beſitz liegt das Recht der Ausſchließung jedes andern, es iſt dies die Freiheit, die der Beſitz mit ſich bringt, folglich ein Vertrag, der dieſe Freiheit aufgibt, vom Stand- punkt des Beſitzes aus unwirkſam. L. 2 §. 2 ibid.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/245>, abgerufen am 24.11.2024.