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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
Prinzip aufgestellten Freiheit der Ehe widerstreben würden,
z. B. der Verträge, durch die man direkt oder mittelbar unter
dem Versprechen einer Conventionalpön sich anheischig machte,
eine Ehe zu schließen oder nicht zu schließen, zu trennen oder
nicht zu trennen.345) Streitig ist nur, ob nicht die Sponsalien
im ältern Recht klagbar gewesen seien; für das neuere Recht
steht das Gegentheil fest.346) Betrachtet man die Frage von
vornherein, so muß die angebliche Klagbarkeit derselben höchst
bedenklich erscheinen. Die Ehe frei und jeden Moment lösbar,
die Sponsalien bindend -- das wäre ein seltsamer Widerspruch.
Woher käme den Sponsalien eine stärkere Kraft, als der Ehe,
während man doch eher das Entgegengesetzte erwarten sollte?
Und welchen praktischen Nutzen hätte sie gehabt? Wenn der
Bräutigam oder der Vater der Braut sich der Eingehung der
Ehe widersetzten, so hätten sie, meint man, mit der act. ex
sponsu
gezwungen werden können.347) Allein was half denn
der Zwang, da beide gleich hinterher die Ehe wieder trennen
konnten (§. 32)? Damit war ja der Weg gewiesen, um die
Klagbarkeit der Sponsalien völlig zu vereiteln, und ich meine,
den Römern sollte man am wenigsten ein so nutzloses Spiel mit
einer Klage zutrauen. Die Idee der Klagbarkeit stützt sich na-
mentlich auf die Autorität des Varro, es läßt sich aber erklären,
wie er darauf gekommen. Der Ausdruck spondere, sponsio be-
zeichnete zu seiner Zeit einen civilrechtlich obligirenden Akt, die

345) L. 134 pr. de V. O. (45. 1). Inhonestum visum est vinculo
poenae matrimonia obstringi sive futura sive jam contracta. L. 2 Cod.
de inut. stip. (8. 39.) Libera matrimonia esse antiquitus placuit. L. 14
Cod. de nupt. (5. 4). L. 19. L. 71 §. 1 de V. O. (45. 1).
346) Eine indirekte Bestärkung durch arrha war auch hier möglich, ent-
hielt aber keine Ausnahme, insofern ja die Wirksamkeit dieses Mittels die Er-
hebung einer Klage nicht erforderte. L. 38 pr. de R. N. (23. 2) Isidor.
Orig. IX.
8. §. 4, 5.
347) Hinsichtlich des Vaters kann man sich auf ein ausdrückliches Zeug-
niß von Varro de L. L. VI. §. 72 berufen, allein wie gering die Autorität
des Varro bei dieser Frage ist, wird nachher gezeigt werden.

Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
Prinzip aufgeſtellten Freiheit der Ehe widerſtreben würden,
z. B. der Verträge, durch die man direkt oder mittelbar unter
dem Verſprechen einer Conventionalpön ſich anheiſchig machte,
eine Ehe zu ſchließen oder nicht zu ſchließen, zu trennen oder
nicht zu trennen.345) Streitig iſt nur, ob nicht die Sponſalien
im ältern Recht klagbar geweſen ſeien; für das neuere Recht
ſteht das Gegentheil feſt.346) Betrachtet man die Frage von
vornherein, ſo muß die angebliche Klagbarkeit derſelben höchſt
bedenklich erſcheinen. Die Ehe frei und jeden Moment lösbar,
die Sponſalien bindend — das wäre ein ſeltſamer Widerſpruch.
Woher käme den Sponſalien eine ſtärkere Kraft, als der Ehe,
während man doch eher das Entgegengeſetzte erwarten ſollte?
Und welchen praktiſchen Nutzen hätte ſie gehabt? Wenn der
Bräutigam oder der Vater der Braut ſich der Eingehung der
Ehe widerſetzten, ſo hätten ſie, meint man, mit der act. ex
sponsu
gezwungen werden können.347) Allein was half denn
der Zwang, da beide gleich hinterher die Ehe wieder trennen
konnten (§. 32)? Damit war ja der Weg gewieſen, um die
Klagbarkeit der Sponſalien völlig zu vereiteln, und ich meine,
den Römern ſollte man am wenigſten ein ſo nutzloſes Spiel mit
einer Klage zutrauen. Die Idee der Klagbarkeit ſtützt ſich na-
mentlich auf die Autorität des Varro, es läßt ſich aber erklären,
wie er darauf gekommen. Der Ausdruck spondere, sponsio be-
zeichnete zu ſeiner Zeit einen civilrechtlich obligirenden Akt, die

345) L. 134 pr. de V. O. (45. 1). Inhonestum visum est vinculo
poenae matrimonia obstringi sive futura sive jam contracta. L. 2 Cod.
de inut. stip. (8. 39.) Libera matrimonia esse antiquitus placuit. L. 14
Cod. de nupt. (5. 4). L. 19. L. 71 §. 1 de V. O. (45. 1).
346) Eine indirekte Beſtärkung durch arrha war auch hier möglich, ent-
hielt aber keine Ausnahme, inſofern ja die Wirkſamkeit dieſes Mittels die Er-
hebung einer Klage nicht erforderte. L. 38 pr. de R. N. (23. 2) Isidor.
Orig. IX.
8. §. 4, 5.
347) Hinſichtlich des Vaters kann man ſich auf ein ausdrückliches Zeug-
niß von Varro de L. L. VI. §. 72 berufen, allein wie gering die Autorität
des Varro bei dieſer Frage iſt, wird nachher gezeigt werden.
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[228/0242] Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. Prinzip aufgeſtellten Freiheit der Ehe widerſtreben würden, z. B. der Verträge, durch die man direkt oder mittelbar unter dem Verſprechen einer Conventionalpön ſich anheiſchig machte, eine Ehe zu ſchließen oder nicht zu ſchließen, zu trennen oder nicht zu trennen. 345) Streitig iſt nur, ob nicht die Sponſalien im ältern Recht klagbar geweſen ſeien; für das neuere Recht ſteht das Gegentheil feſt. 346) Betrachtet man die Frage von vornherein, ſo muß die angebliche Klagbarkeit derſelben höchſt bedenklich erſcheinen. Die Ehe frei und jeden Moment lösbar, die Sponſalien bindend — das wäre ein ſeltſamer Widerſpruch. Woher käme den Sponſalien eine ſtärkere Kraft, als der Ehe, während man doch eher das Entgegengeſetzte erwarten ſollte? Und welchen praktiſchen Nutzen hätte ſie gehabt? Wenn der Bräutigam oder der Vater der Braut ſich der Eingehung der Ehe widerſetzten, ſo hätten ſie, meint man, mit der act. ex sponsu gezwungen werden können. 347) Allein was half denn der Zwang, da beide gleich hinterher die Ehe wieder trennen konnten (§. 32)? Damit war ja der Weg gewieſen, um die Klagbarkeit der Sponſalien völlig zu vereiteln, und ich meine, den Römern ſollte man am wenigſten ein ſo nutzloſes Spiel mit einer Klage zutrauen. Die Idee der Klagbarkeit ſtützt ſich na- mentlich auf die Autorität des Varro, es läßt ſich aber erklären, wie er darauf gekommen. Der Ausdruck spondere, sponsio be- zeichnete zu ſeiner Zeit einen civilrechtlich obligirenden Akt, die 345) L. 134 pr. de V. O. (45. 1). Inhonestum visum est vinculo poenae matrimonia obstringi sive futura sive jam contracta. L. 2 Cod. de inut. stip. (8. 39.) Libera matrimonia esse antiquitus placuit. L. 14 Cod. de nupt. (5. 4). L. 19. L. 71 §. 1 de V. O. (45. 1). 346) Eine indirekte Beſtärkung durch arrha war auch hier möglich, ent- hielt aber keine Ausnahme, inſofern ja die Wirkſamkeit dieſes Mittels die Er- hebung einer Klage nicht erforderte. L. 38 pr. de R. N. (23. 2) Isidor. Orig. IX. 8. §. 4, 5. 347) Hinſichtlich des Vaters kann man ſich auf ein ausdrückliches Zeug- niß von Varro de L. L. VI. §. 72 berufen, allein wie gering die Autorität des Varro bei dieſer Frage iſt, wird nachher gezeigt werden.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/242>, abgerufen am 24.11.2024.