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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
an Speise und Trank; der Betriebsamkeit und fortgesetzten Spar-
samkeit desselben blieb es überlassen, es zu vermehren. Sorg-
losigkeit in dieser Beziehung galt als ein schlechtes Zeichen. 262)
Wenn es nun dem Sklaven damit glückte, so bot ihm das Pe-
kulium theils Gelegenheit sich loszukaufen 263) (häufig mochte
der Herr ihm schon im voraus die Summe bezeichnet haben),
theils sich seine Lage behaglicher zu machen z. B. durch Ankauf
eines vicarius, der zu ihm im Verhältniß des Dieners zum
Herrn stand. 264) Es kam auch vor, daß der Herr den Sklaven
ganz sich selbst überließ und sich mit Miethzins oder einer Tan-
tieme vom Verdienst begnügte. 265) Besondere Concessionen von
Seiten des Herrn wurden auch wohl eigens erkauft; so ließ
Cato sich z. B. den Heirathsconsens bezahlen. Aus allem die-
sen geht aber hervor, daß man dem Sklaven faktisch eine Art
vermögensrechtlicher Selbständigkeit zugestand, das Pekulium
im Leben als sein Vermögen respektirte. Der Sklav selbst
mochte sich in dem Besitz desselben seinem Herrn gegenüber eben
so sicher und berechtigt fühlen, wie die Besitzer des ager publi-
cus
oder des solum provinciale gegenüber dem Staat. Dem
abstracten Recht nach stand der Provincialgrund und Boden im
Eigenthum des Staats, und die Besitzer desselben hätten weder
rechtlich noch faktisch die Einziehung ihres Besitzes von Seiten
des Staats verhindern können; aber eine solche kam eben nicht
vor, und Niemand besorgte sie. Und so war es gewiß auch mit
dem Eigenthum des Herrn am Pekulium des Sklaven, wenig-
stens bei allen Leuten von Ehre und Rechtlichkeit. Es begriffe sich
sonst ja nicht, wie ein Herr darauf hätte kommen können von

262) z. B. Virgil. Ecloga I. 33 nec spes libertatis erat nec cura pe-
culii. Cic. in Verr. III.
28.
263) Daher die Verbindung der spes libertatis und des peculium, wie
in der Stelle der vorigen Note und beim statuliber.
264) Hor. Sat. II. 7, 79. Vicarius est, qui servo paret. S. Becker
a. a. O. S. 94, 95. Es kommen sehr reiche Sklaven vor. Becker, S. 120.
265) z. B. L. 14 pr. de statul. (40. 7).

Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
an Speiſe und Trank; der Betriebſamkeit und fortgeſetzten Spar-
ſamkeit deſſelben blieb es überlaſſen, es zu vermehren. Sorg-
loſigkeit in dieſer Beziehung galt als ein ſchlechtes Zeichen. 262)
Wenn es nun dem Sklaven damit glückte, ſo bot ihm das Pe-
kulium theils Gelegenheit ſich loszukaufen 263) (häufig mochte
der Herr ihm ſchon im voraus die Summe bezeichnet haben),
theils ſich ſeine Lage behaglicher zu machen z. B. durch Ankauf
eines vicarius, der zu ihm im Verhältniß des Dieners zum
Herrn ſtand. 264) Es kam auch vor, daß der Herr den Sklaven
ganz ſich ſelbſt überließ und ſich mit Miethzins oder einer Tan-
tieme vom Verdienſt begnügte. 265) Beſondere Conceſſionen von
Seiten des Herrn wurden auch wohl eigens erkauft; ſo ließ
Cato ſich z. B. den Heirathsconſens bezahlen. Aus allem die-
ſen geht aber hervor, daß man dem Sklaven faktiſch eine Art
vermögensrechtlicher Selbſtändigkeit zugeſtand, das Pekulium
im Leben als ſein Vermögen reſpektirte. Der Sklav ſelbſt
mochte ſich in dem Beſitz deſſelben ſeinem Herrn gegenüber eben
ſo ſicher und berechtigt fühlen, wie die Beſitzer des ager publi-
cus
oder des solum provinciale gegenüber dem Staat. Dem
abſtracten Recht nach ſtand der Provincialgrund und Boden im
Eigenthum des Staats, und die Beſitzer deſſelben hätten weder
rechtlich noch faktiſch die Einziehung ihres Beſitzes von Seiten
des Staats verhindern können; aber eine ſolche kam eben nicht
vor, und Niemand beſorgte ſie. Und ſo war es gewiß auch mit
dem Eigenthum des Herrn am Pekulium des Sklaven, wenig-
ſtens bei allen Leuten von Ehre und Rechtlichkeit. Es begriffe ſich
ſonſt ja nicht, wie ein Herr darauf hätte kommen können von

262) z. B. Virgil. Ecloga I. 33 nec spes libertatis erat nec cura pe-
culii. Cic. in Verr. III.
28.
263) Daher die Verbindung der spes libertatis und des peculium, wie
in der Stelle der vorigen Note und beim statuliber.
264) Hor. Sat. II. 7, 79. Vicarius est, qui servo paret. S. Becker
a. a. O. S. 94, 95. Es kommen ſehr reiche Sklaven vor. Becker, S. 120.
265) z. B. L. 14 pr. de statul. (40. 7).
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[186/0200] Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. an Speiſe und Trank; der Betriebſamkeit und fortgeſetzten Spar- ſamkeit deſſelben blieb es überlaſſen, es zu vermehren. Sorg- loſigkeit in dieſer Beziehung galt als ein ſchlechtes Zeichen. 262) Wenn es nun dem Sklaven damit glückte, ſo bot ihm das Pe- kulium theils Gelegenheit ſich loszukaufen 263) (häufig mochte der Herr ihm ſchon im voraus die Summe bezeichnet haben), theils ſich ſeine Lage behaglicher zu machen z. B. durch Ankauf eines vicarius, der zu ihm im Verhältniß des Dieners zum Herrn ſtand. 264) Es kam auch vor, daß der Herr den Sklaven ganz ſich ſelbſt überließ und ſich mit Miethzins oder einer Tan- tieme vom Verdienſt begnügte. 265) Beſondere Conceſſionen von Seiten des Herrn wurden auch wohl eigens erkauft; ſo ließ Cato ſich z. B. den Heirathsconſens bezahlen. Aus allem die- ſen geht aber hervor, daß man dem Sklaven faktiſch eine Art vermögensrechtlicher Selbſtändigkeit zugeſtand, das Pekulium im Leben als ſein Vermögen reſpektirte. Der Sklav ſelbſt mochte ſich in dem Beſitz deſſelben ſeinem Herrn gegenüber eben ſo ſicher und berechtigt fühlen, wie die Beſitzer des ager publi- cus oder des solum provinciale gegenüber dem Staat. Dem abſtracten Recht nach ſtand der Provincialgrund und Boden im Eigenthum des Staats, und die Beſitzer deſſelben hätten weder rechtlich noch faktiſch die Einziehung ihres Beſitzes von Seiten des Staats verhindern können; aber eine ſolche kam eben nicht vor, und Niemand beſorgte ſie. Und ſo war es gewiß auch mit dem Eigenthum des Herrn am Pekulium des Sklaven, wenig- ſtens bei allen Leuten von Ehre und Rechtlichkeit. Es begriffe ſich ſonſt ja nicht, wie ein Herr darauf hätte kommen können von 262) z. B. Virgil. Ecloga I. 33 nec spes libertatis erat nec cura pe- culii. Cic. in Verr. III. 28. 263) Daher die Verbindung der spes libertatis und des peculium, wie in der Stelle der vorigen Note und beim statuliber. 264) Hor. Sat. II. 7, 79. Vicarius est, qui servo paret. S. Becker a. a. O. S. 94, 95. Es kommen ſehr reiche Sklaven vor. Becker, S. 120. 265) z. B. L. 14 pr. de statul. (40. 7).

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/200>, abgerufen am 22.11.2024.