Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. Vornahme der Handlung nur zu verbieten brauchen, um dieFreiheit zu verhindern. Als Bedingung war häufig das Auf- bringen eines Lösegeldes gesetzt, und wenn nicht das Gegentheil verordnet war, durfte der Sklav dasselbe aus seinem Pekulium nehmen; 234) es liegt aber auf der Hand, daß der Erbe durch Entziehung des Pekulium die Erfüllung der Bedingung hätte vereiteln können. Man sieht, es bedurfte hier zur Erreichung des Zweckes einer gewissen Selbständigkeit des Sklaven gegen- über seinem jetzigen Herrn. Aber wie ließ sich, ohne aller juri- stischen Auffassung Hohn zu sprechen, ein "Recht" des Skla- ven annehmen? Die Römer halfen sich in diesem Dilemma, was zunächst den Erben anbetrifft, in der Weise, daß sie eine objektive Gebundenheit desselben (ohne ein gegenüberstehendes Recht des Sklaven) herausbrachten, und zwar dadurch, daß sie eine Verhinderung der Erfüllung der Bedingung von Seiten des Erben der Erfüllung derselben gleich stellten. 235) Was so- dann den Sklaven anbetrifft, so ließ sich die ihm vortheilhafte Disposition in der Weise an ihm befestigen, daß man sie zu einer rechtlichen Qualität des Sklaven als bloßer Sache nie- derschlagen ließ. 236) Dem Erfolg nach war also der Sklav dem Erben gegenüber, soweit nöthig, selbständig. 234) L. 3 §. 1 de statulib. (40. 7): Et parvi refert, de peculio ei offerat an ab alio accepta, receptum est enim, ut servus peculiares quo- que nummos dando perveniat ad libertatem. 235) Die alte Regel: quotiens per eum fit, cujus interest conditio- nem non impleri, quominus impleatur, perinde habendum est, ac si im- pleta conditio fuisset, L. 161 de R. J. (50. 17) scheint ursprünglich gerade für diesen Fall aufgestellt und erst später auf andere Verhältnisse ausgedehnt worden zu sein. Fest. sub voc. statuliber. Ulp. fr. II. §. 5, 6. L. 24 de cond. (35. 1). 236) Der Verkauf von Seiten des Erben schadete also nichts, denn die
Sache behielt ihre rechtliche Qualität (d. h. unter einer Bedingung Person zu werden) auch beim Käufer bei. Bei den res publicae wurde die rechtliche Bestimmung derselben für den allgemeinen Gebrauch in derselben Weise er- wirkt. Auch bei ihnen nämlich verlegte man das Recht, welches dem Sub- jekt (allen Bürgern) zugedacht, aber als solches juristisch nicht zu construiren war, in die Sache hinein, erreichte den gewünschten Zweck, indem man der Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. Vornahme der Handlung nur zu verbieten brauchen, um dieFreiheit zu verhindern. Als Bedingung war häufig das Auf- bringen eines Löſegeldes geſetzt, und wenn nicht das Gegentheil verordnet war, durfte der Sklav daſſelbe aus ſeinem Pekulium nehmen; 234) es liegt aber auf der Hand, daß der Erbe durch Entziehung des Pekulium die Erfüllung der Bedingung hätte vereiteln können. Man ſieht, es bedurfte hier zur Erreichung des Zweckes einer gewiſſen Selbſtändigkeit des Sklaven gegen- über ſeinem jetzigen Herrn. Aber wie ließ ſich, ohne aller juri- ſtiſchen Auffaſſung Hohn zu ſprechen, ein „Recht“ des Skla- ven annehmen? Die Römer halfen ſich in dieſem Dilemma, was zunächſt den Erben anbetrifft, in der Weiſe, daß ſie eine objektive Gebundenheit deſſelben (ohne ein gegenüberſtehendes Recht des Sklaven) herausbrachten, und zwar dadurch, daß ſie eine Verhinderung der Erfüllung der Bedingung von Seiten des Erben der Erfüllung derſelben gleich ſtellten. 235) Was ſo- dann den Sklaven anbetrifft, ſo ließ ſich die ihm vortheilhafte Dispoſition in der Weiſe an ihm befeſtigen, daß man ſie zu einer rechtlichen Qualität des Sklaven als bloßer Sache nie- derſchlagen ließ. 236) Dem Erfolg nach war alſo der Sklav dem Erben gegenüber, ſoweit nöthig, ſelbſtändig. 234) L. 3 §. 1 de statulib. (40. 7): Et parvi refert, de peculio ei offerat an ab alio accepta, receptum est enim, ut servus peculiares quo- que nummos dando perveniat ad libertatem. 235) Die alte Regel: quotiens per eum fit, cujus interest conditio- nem non impleri, quominus impleatur, perinde habendum est, ac si im- pleta conditio fuisset, L. 161 de R. J. (50. 17) ſcheint urſprünglich gerade für dieſen Fall aufgeſtellt und erſt ſpäter auf andere Verhältniſſe ausgedehnt worden zu ſein. Fest. sub voc. statuliber. Ulp. fr. II. §. 5, 6. L. 24 de cond. (35. 1). 236) Der Verkauf von Seiten des Erben ſchadete alſo nichts, denn die
Sache behielt ihre rechtliche Qualität (d. h. unter einer Bedingung Perſon zu werden) auch beim Käufer bei. Bei den res publicae wurde die rechtliche Beſtimmung derſelben für den allgemeinen Gebrauch in derſelben Weiſe er- wirkt. Auch bei ihnen nämlich verlegte man das Recht, welches dem Sub- jekt (allen Bürgern) zugedacht, aber als ſolches juriſtiſch nicht zu conſtruiren war, in die Sache hinein, erreichte den gewünſchten Zweck, indem man der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0190" n="176"/><fw place="top" type="header">Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. <hi rendition="#aq">II.</hi> Die Grundtriebe. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Freiheitstrieb.</fw><lb/> Vornahme der Handlung nur zu verbieten brauchen, um die<lb/> Freiheit zu verhindern. Als Bedingung war häufig das Auf-<lb/> bringen eines Löſegeldes geſetzt, und wenn nicht das Gegentheil<lb/> verordnet war, durfte der Sklav daſſelbe aus ſeinem Pekulium<lb/> nehmen; <note place="foot" n="234)"><hi rendition="#aq">L. 3 §. 1 de statulib. (40. 7): Et parvi refert, de peculio ei<lb/> offerat an ab alio accepta, receptum est enim, ut servus peculiares quo-<lb/> que nummos dando perveniat ad libertatem.</hi></note> es liegt aber auf der Hand, daß der Erbe durch<lb/> Entziehung des Pekulium die Erfüllung der Bedingung hätte<lb/> vereiteln können. Man ſieht, es bedurfte hier zur Erreichung<lb/> des Zweckes einer gewiſſen Selbſtändigkeit des Sklaven gegen-<lb/> über ſeinem jetzigen Herrn. Aber wie ließ ſich, ohne aller juri-<lb/> ſtiſchen Auffaſſung Hohn zu ſprechen, ein „<hi rendition="#g">Recht</hi>“ des Skla-<lb/> ven annehmen? Die Römer halfen ſich in dieſem Dilemma,<lb/> was zunächſt den Erben anbetrifft, in der Weiſe, daß ſie eine<lb/> objektive Gebundenheit deſſelben (ohne ein gegenüberſtehendes<lb/> Recht des Sklaven) herausbrachten, und zwar dadurch, daß ſie<lb/> eine Verhinderung der Erfüllung der Bedingung von Seiten<lb/> des Erben der Erfüllung derſelben gleich ſtellten. <note place="foot" n="235)">Die alte Regel: <hi rendition="#aq">quotiens per eum fit, cujus interest conditio-<lb/> nem non impleri, quominus impleatur, perinde habendum est, ac si im-<lb/> pleta conditio fuisset, L. 161 de R. J.</hi> (50. 17) ſcheint urſprünglich gerade für<lb/> dieſen Fall aufgeſtellt und erſt ſpäter auf andere Verhältniſſe ausgedehnt worden<lb/> zu ſein. <hi rendition="#aq">Fest. sub voc. statuliber. Ulp. fr. II. §. 5, 6. L. 24 de cond.</hi> (35. 1).</note> Was ſo-<lb/> dann den Sklaven anbetrifft, ſo ließ ſich die ihm vortheilhafte<lb/> Dispoſition in der Weiſe an ihm befeſtigen, daß man ſie zu<lb/> einer <hi rendition="#g">rechtlichen</hi> Qualität des Sklaven als bloßer Sache nie-<lb/> derſchlagen ließ. <note xml:id="seg2pn_23_1" next="#seg2pn_23_2" place="foot" n="236)">Der Verkauf von Seiten des Erben ſchadete alſo nichts, denn die<lb/> Sache behielt ihre rechtliche Qualität (d. h. unter einer Bedingung Perſon zu<lb/> werden) auch beim Käufer bei. Bei den <hi rendition="#aq">res publicae</hi> wurde die rechtliche<lb/> Beſtimmung derſelben für den allgemeinen Gebrauch in derſelben Weiſe er-<lb/> wirkt. Auch bei ihnen nämlich verlegte man das Recht, welches dem Sub-<lb/> jekt (allen Bürgern) zugedacht, aber als ſolches juriſtiſch nicht zu conſtruiren<lb/> war, in die Sache hinein, erreichte den gewünſchten Zweck, indem man der</note> Dem Erfolg nach war alſo der Sklav dem<lb/> Erben gegenüber, ſoweit nöthig, ſelbſtändig.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [176/0190]
Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
Vornahme der Handlung nur zu verbieten brauchen, um die
Freiheit zu verhindern. Als Bedingung war häufig das Auf-
bringen eines Löſegeldes geſetzt, und wenn nicht das Gegentheil
verordnet war, durfte der Sklav daſſelbe aus ſeinem Pekulium
nehmen; 234) es liegt aber auf der Hand, daß der Erbe durch
Entziehung des Pekulium die Erfüllung der Bedingung hätte
vereiteln können. Man ſieht, es bedurfte hier zur Erreichung
des Zweckes einer gewiſſen Selbſtändigkeit des Sklaven gegen-
über ſeinem jetzigen Herrn. Aber wie ließ ſich, ohne aller juri-
ſtiſchen Auffaſſung Hohn zu ſprechen, ein „Recht“ des Skla-
ven annehmen? Die Römer halfen ſich in dieſem Dilemma,
was zunächſt den Erben anbetrifft, in der Weiſe, daß ſie eine
objektive Gebundenheit deſſelben (ohne ein gegenüberſtehendes
Recht des Sklaven) herausbrachten, und zwar dadurch, daß ſie
eine Verhinderung der Erfüllung der Bedingung von Seiten
des Erben der Erfüllung derſelben gleich ſtellten. 235) Was ſo-
dann den Sklaven anbetrifft, ſo ließ ſich die ihm vortheilhafte
Dispoſition in der Weiſe an ihm befeſtigen, daß man ſie zu
einer rechtlichen Qualität des Sklaven als bloßer Sache nie-
derſchlagen ließ. 236) Dem Erfolg nach war alſo der Sklav dem
Erben gegenüber, ſoweit nöthig, ſelbſtändig.
234) L. 3 §. 1 de statulib. (40. 7): Et parvi refert, de peculio ei
offerat an ab alio accepta, receptum est enim, ut servus peculiares quo-
que nummos dando perveniat ad libertatem.
235) Die alte Regel: quotiens per eum fit, cujus interest conditio-
nem non impleri, quominus impleatur, perinde habendum est, ac si im-
pleta conditio fuisset, L. 161 de R. J. (50. 17) ſcheint urſprünglich gerade für
dieſen Fall aufgeſtellt und erſt ſpäter auf andere Verhältniſſe ausgedehnt worden
zu ſein. Fest. sub voc. statuliber. Ulp. fr. II. §. 5, 6. L. 24 de cond. (35. 1).
236) Der Verkauf von Seiten des Erben ſchadete alſo nichts, denn die
Sache behielt ihre rechtliche Qualität (d. h. unter einer Bedingung Perſon zu
werden) auch beim Käufer bei. Bei den res publicae wurde die rechtliche
Beſtimmung derſelben für den allgemeinen Gebrauch in derſelben Weiſe er-
wirkt. Auch bei ihnen nämlich verlegte man das Recht, welches dem Sub-
jekt (allen Bürgern) zugedacht, aber als ſolches juriſtiſch nicht zu conſtruiren
war, in die Sache hinein, erreichte den gewünſchten Zweck, indem man der
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