Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Sklaven. §. 32. der Möglichkeit der Freilassung des Sklaven. Das Rechtder Freilassung ist ein für die Charakteristik der herrschaftlichen Gewalt höchst bedeutungsvolles Moment. Der freie Entschluß des Herrn macht aus einem Gegenstand, der bisher kaum etwas anderes war als eine Sache, eine Person, einen römischen Bürger, ja möglicherweise sogar das Mitglied einer römischen Familie. 232) So ist nicht bloß die Tiefe, zu der jene Gewalt die unterworfene Person herabdrückt, sondern ebenso wohl die Höhe, zu der sie dieselbe erheben kann, gleich charakteristisch. Die Entfernung zwischen diesen beiden Endpunkten ist bei keiner andern Gewalt eine so ungeheure, und es gibt kein zweites Beispiel, woran die Vollgewalt des subjektiven Willens sich in so glänzender Weise bethätigte, als hier, wo derselbe einseitig über eines der höchsten Güter der römischen Welt verfügte -- über das römische Bürgerrecht. Diese Verwandlung der Sache zur Person war bei der ge- der Sklav hier nur als Thier gegolten hätte, so hätte z. B. bei Körperver- letzung nicht die Injurienklage, sondern die act. leg. Aquiliae gegeben wer- den müssen. 232) Gell. V. 19: Alioquin si juris ista antiquitas servetur (nach neuerm Recht nämlich war es unpraktisch) etiam servus a domino per Prae- torem dari in adoptionem potest, idque ait (Masurius Sabinus) pleros- que juris veteris auctores posse fieri scripsisse. 233) L. 3 §. 3 de statul. (40. 7).
A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Sklaven. §. 32. der Möglichkeit der Freilaſſung des Sklaven. Das Rechtder Freilaſſung iſt ein für die Charakteriſtik der herrſchaftlichen Gewalt höchſt bedeutungsvolles Moment. Der freie Entſchluß des Herrn macht aus einem Gegenſtand, der bisher kaum etwas anderes war als eine Sache, eine Perſon, einen römiſchen Bürger, ja möglicherweiſe ſogar das Mitglied einer römiſchen Familie. 232) So iſt nicht bloß die Tiefe, zu der jene Gewalt die unterworfene Perſon herabdrückt, ſondern ebenſo wohl die Höhe, zu der ſie dieſelbe erheben kann, gleich charakteriſtiſch. Die Entfernung zwiſchen dieſen beiden Endpunkten iſt bei keiner andern Gewalt eine ſo ungeheure, und es gibt kein zweites Beiſpiel, woran die Vollgewalt des ſubjektiven Willens ſich in ſo glänzender Weiſe bethätigte, als hier, wo derſelbe einſeitig über eines der höchſten Güter der römiſchen Welt verfügte — über das römiſche Bürgerrecht. Dieſe Verwandlung der Sache zur Perſon war bei der ge- der Sklav hier nur als Thier gegolten hätte, ſo hätte z. B. bei Körperver- letzung nicht die Injurienklage, ſondern die act. leg. Aquiliae gegeben wer- den müſſen. 232) Gell. V. 19: Alioquin si juris ista antiquitas servetur (nach neuerm Recht nämlich war es unpraktiſch) etiam servus a domino per Prae- torem dari in adoptionem potest, idque ait (Masurius Sabinus) pleros- que juris veteris auctores posse fieri scripsisse. 233) L. 3 §. 3 de statul. (40. 7).
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A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Sklaven. §. 32.
der Möglichkeit der Freilaſſung des Sklaven. Das Recht
der Freilaſſung iſt ein für die Charakteriſtik der herrſchaftlichen
Gewalt höchſt bedeutungsvolles Moment. Der freie Entſchluß
des Herrn macht aus einem Gegenſtand, der bisher kaum etwas
anderes war als eine Sache, eine Perſon, einen römiſchen
Bürger, ja möglicherweiſe ſogar das Mitglied einer römiſchen
Familie. 232) So iſt nicht bloß die Tiefe, zu der jene Gewalt
die unterworfene Perſon herabdrückt, ſondern ebenſo wohl die
Höhe, zu der ſie dieſelbe erheben kann, gleich charakteriſtiſch.
Die Entfernung zwiſchen dieſen beiden Endpunkten iſt bei keiner
andern Gewalt eine ſo ungeheure, und es gibt kein zweites
Beiſpiel, woran die Vollgewalt des ſubjektiven Willens ſich in
ſo glänzender Weiſe bethätigte, als hier, wo derſelbe einſeitig
über eines der höchſten Güter der römiſchen Welt verfügte —
über das römiſche Bürgerrecht.
Dieſe Verwandlung der Sache zur Perſon war bei der ge-
wöhnlichen Freilaſſung Sache des Moments. Es konnte aber
auch, und zwar bei dem Legat der Freiheit unter einer Bedin-
gung eine Art von Mittelſtufe zwiſchen Perſon und Sache ein-
treten, und dieſes Uebergangsſtadium von der Sklaverei zur
Freiheit hat etwas höchſt Intereſſantes. Man mußte hier die
gewöhnlichen Grundſätze über die herrſchaftliche Gewalt ver-
laſſen, wenn der Zweck, um den es ſich handelte, erreicht wer-
den ſollte. Dem Erben jene Gewalt ungeſchmählert zuzuſprechen,
war undenkbar, beſonders wenn die Bedingung in einer Hand-
lung des Sklaven beſtand; 233) der Erbe hätte ihm dann ja die
231)
232) Gell. V. 19: Alioquin si juris ista antiquitas servetur (nach
neuerm Recht nämlich war es unpraktiſch) etiam servus a domino per Prae-
torem dari in adoptionem potest, idque ait (Masurius Sabinus) pleros-
que juris veteris auctores posse fieri scripsisse.
233) L. 3 §. 3 de statul. (40. 7).
231) der Sklav hier nur als Thier gegolten hätte, ſo hätte z. B. bei Körperver-
letzung nicht die Injurienklage, ſondern die act. leg. Aquiliae gegeben wer-
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