Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. gebrochen. So verschieden die Person von der Sache ist, sosehr, was erstere anbetrifft, die natürliche Stellung der Frau eine andere ist, als die der Kinder, die der Kinder eine andere, als die der Sklaven, so bedeutend endlich die Differenz ist in staatsrechtlicher Hinsicht: in privatrechtlicher Beziehung sind nicht bloß die Personen unter sich, 222) sondern auch mit den Sachen darin gleich, daß beide im wesentlichen ganz dem Wil- len des Hausherrn anheimgegeben sind, der ganze Ertrag und Nutzen beider ihm zufällt. Er hat an jenen Personen nicht Rechte, sondern ihr ganzes Sein wird von seiner Gewalt er- griffen und absorbirt, wie sich dies auch in der Bezeichnung der hausunterthänigen Personen als homines alieni juris ausspricht. Diese ungeheure Gewalt des Hausherrn ist nichts spezifisch Rö- misches; das Römische steckt nur darin, daß sie sich in Rom länger als anderwärts in ihrer ursprünglichen Fülle erhalten hat. Sie ist vielmehr nur ein Ausfluß patriarchalischer An- schauungsweise, wie er sich auch in andern Rechten findet, na- mentlich auch im germanischen, und zwar hier in einer mit der römischen Hausherrschaft so unverkennbar verwandten Ge- stalt, 223) daß man darin einen Rest der ursprünglichen Rechts- gemeinschaft der indogermanischen Völker erblicken muß. 222) Darum heißt es ja von der Frau in mann geradezu: sie sei filiae familias loco Gaj. III. 24 d. h. die manus wirkt dasselbe Verhältniß, wie die patr. pot. 223) Das deutsche Munt, Mundium ist das römische manus, Hand;
beide haben ursprünglich dieselbe Bedeutung und denselben Inhalt gehabt. Grimm Rechtsalterthümer S. 447: "Die ächte im Mundium des Mannes gründende Ehe hat ganz die Wirkungen der römischen conventio in manum." S. 450: "Aus dem Mundium der Frau fließen noch andere Rechte, er durfte sie gleich seinen Knechten und Kindern züchtigen, verkaufen, tödten." Also gerade dieselbe Ausdehnung der Gewalt, die der neueste Verfechter spe- zifisch germanischer Sittlichkeit, Schmidt in dem öfter angeführten Werk, an dem römischen Recht so ächt römisch-unsittlich findet. Um ein für alle Mal an einem recht eklatanten Beispiel zu zeigen, mit welcher Befangenheit der Verf. zu Werke geht, mit wie ganz andern Augen er das römische und das deutsche Recht betrachtet, will ich seine Charakteristik der römischen und deut- Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. gebrochen. So verſchieden die Perſon von der Sache iſt, ſoſehr, was erſtere anbetrifft, die natürliche Stellung der Frau eine andere iſt, als die der Kinder, die der Kinder eine andere, als die der Sklaven, ſo bedeutend endlich die Differenz iſt in ſtaatsrechtlicher Hinſicht: in privatrechtlicher Beziehung ſind nicht bloß die Perſonen unter ſich, 222) ſondern auch mit den Sachen darin gleich, daß beide im weſentlichen ganz dem Wil- len des Hausherrn anheimgegeben ſind, der ganze Ertrag und Nutzen beider ihm zufällt. Er hat an jenen Perſonen nicht Rechte, ſondern ihr ganzes Sein wird von ſeiner Gewalt er- griffen und abſorbirt, wie ſich dies auch in der Bezeichnung der hausunterthänigen Perſonen als homines alieni juris ausſpricht. Dieſe ungeheure Gewalt des Hausherrn iſt nichts ſpezifiſch Rö- miſches; das Römiſche ſteckt nur darin, daß ſie ſich in Rom länger als anderwärts in ihrer urſprünglichen Fülle erhalten hat. Sie iſt vielmehr nur ein Ausfluß patriarchaliſcher An- ſchauungsweiſe, wie er ſich auch in andern Rechten findet, na- mentlich auch im germaniſchen, und zwar hier in einer mit der römiſchen Hausherrſchaft ſo unverkennbar verwandten Ge- ſtalt, 223) daß man darin einen Reſt der urſprünglichen Rechts- gemeinſchaft der indogermaniſchen Völker erblicken muß. 222) Darum heißt es ja von der Frau in mann geradezu: ſie ſei filiae familias loco Gaj. III. 24 d. h. die manus wirkt daſſelbe Verhältniß, wie die patr. pot. 223) Das deutſche Munt, Mundium iſt das römiſche manus, Hand;
beide haben urſprünglich dieſelbe Bedeutung und denſelben Inhalt gehabt. Grimm Rechtsalterthümer S. 447: „Die ächte im Mundium des Mannes gründende Ehe hat ganz die Wirkungen der römiſchen conventio in manum.“ S. 450: „Aus dem Mundium der Frau fließen noch andere Rechte, er durfte ſie gleich ſeinen Knechten und Kindern züchtigen, verkaufen, tödten.“ Alſo gerade dieſelbe Ausdehnung der Gewalt, die der neueſte Verfechter ſpe- zifiſch germaniſcher Sittlichkeit, Schmidt in dem öfter angeführten Werk, an dem römiſchen Recht ſo ächt römiſch-unſittlich findet. Um ein für alle Mal an einem recht eklatanten Beiſpiel zu zeigen, mit welcher Befangenheit der Verf. zu Werke geht, mit wie ganz andern Augen er das römiſche und das deutſche Recht betrachtet, will ich ſeine Charakteriſtik der römiſchen und deut- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0184" n="170"/><fw place="top" type="header">Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. <hi rendition="#aq">II.</hi> Die Grundtriebe. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Freiheitstrieb.</fw><lb/> gebrochen. So verſchieden die Perſon von der Sache iſt, ſo<lb/> ſehr, was erſtere anbetrifft, die natürliche Stellung der Frau<lb/> eine andere iſt, als die der Kinder, die der Kinder eine andere,<lb/> als die der Sklaven, ſo bedeutend endlich die Differenz iſt in<lb/> ſtaatsrechtlicher Hinſicht: in privatrechtlicher Beziehung ſind<lb/> nicht bloß die Perſonen unter ſich, <note place="foot" n="222)">Darum heißt es ja von der Frau <hi rendition="#aq">in mann</hi> geradezu: ſie ſei <hi rendition="#aq">filiae<lb/> familias loco Gaj. III.</hi> 24 d. h. die <hi rendition="#aq">manus</hi> wirkt daſſelbe Verhältniß, wie<lb/> die <hi rendition="#aq">patr. pot.</hi></note> ſondern auch mit den<lb/> Sachen darin gleich, daß beide im weſentlichen ganz dem Wil-<lb/> len des Hausherrn anheimgegeben ſind, der ganze Ertrag und<lb/> Nutzen beider ihm zufällt. Er hat an jenen Perſonen nicht<lb/><hi rendition="#g">Rechte</hi>, ſondern ihr ganzes Sein wird von ſeiner Gewalt er-<lb/> griffen und abſorbirt, wie ſich dies auch in der Bezeichnung der<lb/> hausunterthänigen Perſonen als <hi rendition="#aq">homines alieni juris</hi> ausſpricht.<lb/> Dieſe ungeheure Gewalt des Hausherrn iſt nichts ſpezifiſch Rö-<lb/> miſches; das Römiſche ſteckt nur darin, daß ſie ſich in Rom<lb/> länger als anderwärts in ihrer urſprünglichen Fülle erhalten<lb/> hat. Sie iſt vielmehr nur ein Ausfluß patriarchaliſcher An-<lb/> ſchauungsweiſe, wie er ſich auch in andern Rechten findet, na-<lb/> mentlich auch im germaniſchen, und zwar hier in einer mit<lb/> der römiſchen Hausherrſchaft ſo unverkennbar verwandten Ge-<lb/> ſtalt, <note xml:id="seg2pn_21_1" next="#seg2pn_21_2" place="foot" n="223)">Das deutſche Munt, Mundium iſt das römiſche <hi rendition="#aq">manus,</hi> Hand;<lb/> beide haben urſprünglich dieſelbe Bedeutung und denſelben Inhalt gehabt.<lb/> Grimm Rechtsalterthümer S. 447: „Die ächte im Mundium des Mannes<lb/> gründende Ehe hat ganz die Wirkungen der römiſchen <hi rendition="#aq">conventio in manum.</hi>“<lb/> S. 450: „Aus dem Mundium der Frau fließen noch andere Rechte, er durfte<lb/> ſie gleich ſeinen Knechten und Kindern züchtigen, <hi rendition="#g">verkaufen, tödten</hi>.“<lb/> Alſo gerade dieſelbe Ausdehnung der Gewalt, die der neueſte Verfechter ſpe-<lb/> zifiſch germaniſcher Sittlichkeit, Schmidt in dem öfter angeführten Werk, an<lb/> dem römiſchen Recht ſo ächt römiſch-unſittlich findet. Um ein für alle Mal<lb/> an einem recht eklatanten Beiſpiel zu zeigen, mit welcher Befangenheit der<lb/> Verf. zu Werke geht, mit wie ganz andern Augen er das römiſche und das<lb/> deutſche Recht betrachtet, will ich ſeine Charakteriſtik der römiſchen und deut-</note> daß man darin einen Reſt der urſprünglichen Rechts-<lb/> gemeinſchaft der indogermaniſchen Völker erblicken muß.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [170/0184]
Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
gebrochen. So verſchieden die Perſon von der Sache iſt, ſo
ſehr, was erſtere anbetrifft, die natürliche Stellung der Frau
eine andere iſt, als die der Kinder, die der Kinder eine andere,
als die der Sklaven, ſo bedeutend endlich die Differenz iſt in
ſtaatsrechtlicher Hinſicht: in privatrechtlicher Beziehung ſind
nicht bloß die Perſonen unter ſich, 222) ſondern auch mit den
Sachen darin gleich, daß beide im weſentlichen ganz dem Wil-
len des Hausherrn anheimgegeben ſind, der ganze Ertrag und
Nutzen beider ihm zufällt. Er hat an jenen Perſonen nicht
Rechte, ſondern ihr ganzes Sein wird von ſeiner Gewalt er-
griffen und abſorbirt, wie ſich dies auch in der Bezeichnung der
hausunterthänigen Perſonen als homines alieni juris ausſpricht.
Dieſe ungeheure Gewalt des Hausherrn iſt nichts ſpezifiſch Rö-
miſches; das Römiſche ſteckt nur darin, daß ſie ſich in Rom
länger als anderwärts in ihrer urſprünglichen Fülle erhalten
hat. Sie iſt vielmehr nur ein Ausfluß patriarchaliſcher An-
ſchauungsweiſe, wie er ſich auch in andern Rechten findet, na-
mentlich auch im germaniſchen, und zwar hier in einer mit
der römiſchen Hausherrſchaft ſo unverkennbar verwandten Ge-
ſtalt, 223) daß man darin einen Reſt der urſprünglichen Rechts-
gemeinſchaft der indogermaniſchen Völker erblicken muß.
222) Darum heißt es ja von der Frau in mann geradezu: ſie ſei filiae
familias loco Gaj. III. 24 d. h. die manus wirkt daſſelbe Verhältniß, wie
die patr. pot.
223) Das deutſche Munt, Mundium iſt das römiſche manus, Hand;
beide haben urſprünglich dieſelbe Bedeutung und denſelben Inhalt gehabt.
Grimm Rechtsalterthümer S. 447: „Die ächte im Mundium des Mannes
gründende Ehe hat ganz die Wirkungen der römiſchen conventio in manum.“
S. 450: „Aus dem Mundium der Frau fließen noch andere Rechte, er durfte
ſie gleich ſeinen Knechten und Kindern züchtigen, verkaufen, tödten.“
Alſo gerade dieſelbe Ausdehnung der Gewalt, die der neueſte Verfechter ſpe-
zifiſch germaniſcher Sittlichkeit, Schmidt in dem öfter angeführten Werk, an
dem römiſchen Recht ſo ächt römiſch-unſittlich findet. Um ein für alle Mal
an einem recht eklatanten Beiſpiel zu zeigen, mit welcher Befangenheit der
Verf. zu Werke geht, mit wie ganz andern Augen er das römiſche und das
deutſche Recht betrachtet, will ich ſeine Charakteriſtik der römiſchen und deut-
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