Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.A. Stellung des Indiv. Die röm. Herrschaft. §. 31. der Macht und Herrschaft, 147) jenen Gedanken, der die That-kraft des Einzelnen wie des Staats in unausgesetzter Thätigkeit hielt und zur höchsten Entwickelung steigerte, und dessen Ver- wirklichung daher den vornehmlichsten Inhalt der römischen Geschichte bildet. Nirgends hat die Herrschsucht wohl solche Dinge vollbracht, In ihrem äußeren Auftreten hat sie nichts Gewinnendes. 147) Daß die Herrschaft die Freiheit in sich schließt, ist bereits im vori-
gen § bemerkt, es wird daher im Folgenden von der Freiheit nur da aus- drücklich die Rede sein, wo es darauf ankommt, die negative Seite jenes Ge- dankens für sich allein ins Auge zu fassen. A. Stellung des Indiv. Die röm. Herrſchaft. §. 31. der Macht und Herrſchaft, 147) jenen Gedanken, der die That-kraft des Einzelnen wie des Staats in unausgeſetzter Thätigkeit hielt und zur höchſten Entwickelung ſteigerte, und deſſen Ver- wirklichung daher den vornehmlichſten Inhalt der römiſchen Geſchichte bildet. Nirgends hat die Herrſchſucht wohl ſolche Dinge vollbracht, In ihrem äußeren Auftreten hat ſie nichts Gewinnendes. 147) Daß die Herrſchaft die Freiheit in ſich ſchließt, iſt bereits im vori-
gen § bemerkt, es wird daher im Folgenden von der Freiheit nur da aus- drücklich die Rede ſein, wo es darauf ankommt, die negative Seite jenes Ge- dankens für ſich allein ins Auge zu faſſen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0149" n="135"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">A.</hi> Stellung des Indiv. Die röm. Herrſchaft. §. 31.</fw><lb/> der Macht und Herrſchaft, <note place="foot" n="147)">Daß die Herrſchaft die Freiheit in ſich ſchließt, iſt bereits im vori-<lb/> gen § bemerkt, es wird daher im Folgenden von der Freiheit nur da aus-<lb/> drücklich die Rede ſein, wo es darauf ankommt, die negative Seite jenes Ge-<lb/> dankens für ſich allein ins Auge zu faſſen.</note> jenen Gedanken, der die That-<lb/> kraft des Einzelnen wie des Staats in unausgeſetzter Thätigkeit<lb/> hielt und zur höchſten Entwickelung ſteigerte, und deſſen Ver-<lb/> wirklichung daher den vornehmlichſten Inhalt der römiſchen<lb/> Geſchichte bildet.</p><lb/> <p>Nirgends hat die Herrſchſucht wohl ſolche Dinge vollbracht,<lb/> als in Rom, nirgends Leiſtungen von einer ſolchen univerſal-<lb/> hiſtoriſchen Bedeutung aufzuweiſen, als hier. Es ſind nament-<lb/> lich zwei: die Entdeckung des Privatrechts (denn ſo werden<lb/> wir es zu nennen haben, §. 36) und vermittelſt der Gründung<lb/> des römiſchen Weltreichs die Herſtellung eines Knotenpunktes<lb/> für die alte und die neue Geſchichte.</p><lb/> <p>In ihrem äußeren Auftreten hat ſie nichts Gewinnendes.<lb/> Blutige Spuren, Opfer aller Art bezeichnen den Weg, den ſie<lb/> genommen; an dem Triumphwagen römiſcher Größe klebt das<lb/> Mark zermalmter Völker. Dieſe dunkle Kehrſeite läßt ſich nicht in<lb/> Abrede ſtellen, aber man hüte ſich, ſich dadurch zu einem unge-<lb/> rechten Urtheil gegen die Römer hinreißen zu laſſen und das<lb/><hi rendition="#g">ſittliche</hi> Moment der römiſchen Herrſchſucht zu überſehen;<lb/> hinſichtlich ihrer Großartigkeit iſt dies kaum zu befürchten. Die<lb/> Liebe zur Herrſchaft iſt nicht ſchlechthin ſittlich unberechtigt.<lb/> Sie iſt es nur da, wo ſie nicht aus einem innern Beruf und Be-<lb/> dürfniß hervorgeht, ſich in kleine Seelen verirrt, denen es an<lb/> der moraliſchen Kraft gebricht, die ſie vorausſetzt, wo ſie nicht<lb/> um ihrer ſelbſt willen geliebt wird, ſondern nur als Mittel zur<lb/> Befriedigung der Genußſucht, Eitelkeit, Laune u. ſ. w. Es<lb/> gibt aber auch eine ſittlich berechtigte Liebe zur Herrſchaft, eine<lb/> Liebe derſelben um ihrer ſelbſt willen, eine Liebe, die aller<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [135/0149]
A. Stellung des Indiv. Die röm. Herrſchaft. §. 31.
der Macht und Herrſchaft, 147) jenen Gedanken, der die That-
kraft des Einzelnen wie des Staats in unausgeſetzter Thätigkeit
hielt und zur höchſten Entwickelung ſteigerte, und deſſen Ver-
wirklichung daher den vornehmlichſten Inhalt der römiſchen
Geſchichte bildet.
Nirgends hat die Herrſchſucht wohl ſolche Dinge vollbracht,
als in Rom, nirgends Leiſtungen von einer ſolchen univerſal-
hiſtoriſchen Bedeutung aufzuweiſen, als hier. Es ſind nament-
lich zwei: die Entdeckung des Privatrechts (denn ſo werden
wir es zu nennen haben, §. 36) und vermittelſt der Gründung
des römiſchen Weltreichs die Herſtellung eines Knotenpunktes
für die alte und die neue Geſchichte.
In ihrem äußeren Auftreten hat ſie nichts Gewinnendes.
Blutige Spuren, Opfer aller Art bezeichnen den Weg, den ſie
genommen; an dem Triumphwagen römiſcher Größe klebt das
Mark zermalmter Völker. Dieſe dunkle Kehrſeite läßt ſich nicht in
Abrede ſtellen, aber man hüte ſich, ſich dadurch zu einem unge-
rechten Urtheil gegen die Römer hinreißen zu laſſen und das
ſittliche Moment der römiſchen Herrſchſucht zu überſehen;
hinſichtlich ihrer Großartigkeit iſt dies kaum zu befürchten. Die
Liebe zur Herrſchaft iſt nicht ſchlechthin ſittlich unberechtigt.
Sie iſt es nur da, wo ſie nicht aus einem innern Beruf und Be-
dürfniß hervorgeht, ſich in kleine Seelen verirrt, denen es an
der moraliſchen Kraft gebricht, die ſie vorausſetzt, wo ſie nicht
um ihrer ſelbſt willen geliebt wird, ſondern nur als Mittel zur
Befriedigung der Genußſucht, Eitelkeit, Laune u. ſ. w. Es
gibt aber auch eine ſittlich berechtigte Liebe zur Herrſchaft, eine
Liebe derſelben um ihrer ſelbſt willen, eine Liebe, die aller
147) Daß die Herrſchaft die Freiheit in ſich ſchließt, iſt bereits im vori-
gen § bemerkt, es wird daher im Folgenden von der Freiheit nur da aus-
drücklich die Rede ſein, wo es darauf ankommt, die negative Seite jenes Ge-
dankens für ſich allein ins Auge zu faſſen.
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