Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.III. Der Macht- u. Freiheitstrieb. -- Das System d. Freiheit etc. §. 30. die Rede sein konnte, bereits einen so hohen Grad erreicht hatte.Die alte Zeit mit ihrem Gleichheitstriebe stellte den einfachen, soliden, unverwüstlichen Grundbau des römischen Rechts, ohne den alle Kunst der spätern Zeit Stückwerk geblieben wäre. Weil das Senkblei und Winkelmaß zur rechten Zeit ihre Schuldig- keit gethan hatten, konnte man sie späterhin entbehren; der Uebergang von dem mathematisch Regelrechten zu freieren For- men ist ebenso leicht, wie der entgegengesetzte schwer. Dieser bleibende Gewinn, den das spätere Recht von dem III. Der Macht- und Freiheitstrieb. I. Das System der Freiheit und Unfreiheit im Allgemeinen. XXX. Mehr als irgendwo scheint es mir bei der vorlie- III. Der Macht- u. Freiheitstrieb. — Das Syſtem d. Freiheit ꝛc. §. 30. die Rede ſein konnte, bereits einen ſo hohen Grad erreicht hatte.Die alte Zeit mit ihrem Gleichheitstriebe ſtellte den einfachen, ſoliden, unverwüſtlichen Grundbau des römiſchen Rechts, ohne den alle Kunſt der ſpätern Zeit Stückwerk geblieben wäre. Weil das Senkblei und Winkelmaß zur rechten Zeit ihre Schuldig- keit gethan hatten, konnte man ſie ſpäterhin entbehren; der Uebergang von dem mathematiſch Regelrechten zu freieren For- men iſt ebenſo leicht, wie der entgegengeſetzte ſchwer. Dieſer bleibende Gewinn, den das ſpätere Recht von dem III. Der Macht- und Freiheitstrieb. I. Das Syſtem der Freiheit und Unfreiheit im Allgemeinen. XXX. Mehr als irgendwo ſcheint es mir bei der vorlie- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0137" n="123"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Der Macht- u. Freiheitstrieb. — Das Syſtem d. Freiheit ꝛc. §. 30.</fw><lb/> die Rede ſein konnte, bereits einen ſo hohen Grad erreicht hatte.<lb/> Die alte Zeit mit ihrem Gleichheitstriebe ſtellte den einfachen,<lb/> ſoliden, unverwüſtlichen Grundbau des römiſchen Rechts, ohne<lb/> den alle Kunſt der ſpätern Zeit Stückwerk geblieben wäre. Weil<lb/> das Senkblei und Winkelmaß zur rechten Zeit ihre Schuldig-<lb/> keit gethan hatten, konnte man ſie ſpäterhin entbehren; der<lb/> Uebergang von dem mathematiſch Regelrechten zu freieren For-<lb/> men iſt ebenſo leicht, wie der entgegengeſetzte ſchwer.</p><lb/> <p>Dieſer bleibende Gewinn, den das ſpätere Recht von dem<lb/> Gleichheitstriebe des ältern gezogen hat, würde mit vorüber-<lb/> gehenden Nachtheilen, die der Gleichheitstrieb für die ältere<lb/> Zeit hätte haben können, nicht zu theuer erkauft worden ſein.<lb/> Ich mache dieſe Bemerkung nur, um daran die Warnung zu<lb/> knüpfen, unſere heutige Anſchauungsweiſe nicht in jene Zeit zu<lb/> übertragen. Was für uns unerträglich ſein würde und auch in<lb/> Rom ſelbſt ſpäterhin unhaltbar ward, war der ältern Zeit nicht<lb/> bloß keine Laſt, ſondern ein theures Gut.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Der Macht- und Freiheitstrieb.</hi> </head><lb/> <div n="5"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Das Syſtem der Freiheit und Unfreiheit im<lb/> Allgemeinen.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#aq">XXX.</hi> Mehr als irgendwo ſcheint es mir bei der vorlie-<lb/> genden Frage erforderlich zu ſein, der Darſtellung des ältern<lb/> Rechts eine Rechtfertigung des Geſichtspunktes vorauszuſchicken,<lb/> unter dem ich daſſelbe beurtheilen werde. Die Freiheit gehört<lb/> zwar zu den Worten, die jeder im Munde führt, ohne eine Ver-<lb/> ſtändigung für nöthig zu halten, trotzdem aber kann ich dem<lb/> Leſer eine Ausführung über die Bedeutung der Freiheit nicht<lb/> erſparen, denn die richtige Auffaſſung iſt keineswegs, ſelbſt<lb/> nicht einmal innerhalb der Wiſſenſchaft, ſo verbreitet, daß es<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [123/0137]
III. Der Macht- u. Freiheitstrieb. — Das Syſtem d. Freiheit ꝛc. §. 30.
die Rede ſein konnte, bereits einen ſo hohen Grad erreicht hatte.
Die alte Zeit mit ihrem Gleichheitstriebe ſtellte den einfachen,
ſoliden, unverwüſtlichen Grundbau des römiſchen Rechts, ohne
den alle Kunſt der ſpätern Zeit Stückwerk geblieben wäre. Weil
das Senkblei und Winkelmaß zur rechten Zeit ihre Schuldig-
keit gethan hatten, konnte man ſie ſpäterhin entbehren; der
Uebergang von dem mathematiſch Regelrechten zu freieren For-
men iſt ebenſo leicht, wie der entgegengeſetzte ſchwer.
Dieſer bleibende Gewinn, den das ſpätere Recht von dem
Gleichheitstriebe des ältern gezogen hat, würde mit vorüber-
gehenden Nachtheilen, die der Gleichheitstrieb für die ältere
Zeit hätte haben können, nicht zu theuer erkauft worden ſein.
Ich mache dieſe Bemerkung nur, um daran die Warnung zu
knüpfen, unſere heutige Anſchauungsweiſe nicht in jene Zeit zu
übertragen. Was für uns unerträglich ſein würde und auch in
Rom ſelbſt ſpäterhin unhaltbar ward, war der ältern Zeit nicht
bloß keine Laſt, ſondern ein theures Gut.
III. Der Macht- und Freiheitstrieb.
I. Das Syſtem der Freiheit und Unfreiheit im
Allgemeinen.
XXX. Mehr als irgendwo ſcheint es mir bei der vorlie-
genden Frage erforderlich zu ſein, der Darſtellung des ältern
Rechts eine Rechtfertigung des Geſichtspunktes vorauszuſchicken,
unter dem ich daſſelbe beurtheilen werde. Die Freiheit gehört
zwar zu den Worten, die jeder im Munde führt, ohne eine Ver-
ſtändigung für nöthig zu halten, trotzdem aber kann ich dem
Leſer eine Ausführung über die Bedeutung der Freiheit nicht
erſparen, denn die richtige Auffaſſung iſt keineswegs, ſelbſt
nicht einmal innerhalb der Wiſſenſchaft, ſo verbreitet, daß es
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