Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.II. Der Gleichheitstrieb. -- Objekt. Aestimation, Interesse. §. 29. tere Recht den natürlichen Anspruch eines jeden Verletzten aufdas Interesse, so kann die Antwort nur lauten: auf indirektem Wege durch Zuwendung eines Aversionalquantums, nicht aber auf direktem durch Zulassung der Liquidation desselben. Dies ist es aber allein, worauf es hier ankommt. Der Der obige Einwand: Die Zwiespältigkeit der richterlichen 139) Als der direkte Weg eingeschlagen wurde, behielt man, wie es ein-
mal in der conservativen Weise der Römer lag, für viele Verhältnisse die Be- II. Der Gleichheitstrieb. — Objekt. Aeſtimation, Intereſſe. §. 29. tere Recht den natürlichen Anſpruch eines jeden Verletzten aufdas Intereſſe, ſo kann die Antwort nur lauten: auf indirektem Wege durch Zuwendung eines Averſionalquantums, nicht aber auf direktem durch Zulaſſung der Liquidation deſſelben. Dies iſt es aber allein, worauf es hier ankommt. Der Der obige Einwand: Die Zwieſpältigkeit der richterlichen 139) Als der direkte Weg eingeſchlagen wurde, behielt man, wie es ein-
mal in der conſervativen Weiſe der Römer lag, für viele Verhältniſſe die Be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0133" n="119"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Der Gleichheitstrieb. — Objekt. Aeſtimation, Intereſſe. §. 29.</fw><lb/> tere Recht den natürlichen Anſpruch eines jeden Verletzten auf<lb/> das Intereſſe, ſo kann die Antwort nur lauten: auf indirektem<lb/> Wege durch Zuwendung eines Averſionalquantums, nicht aber<lb/> auf direktem durch Zulaſſung der Liquidation deſſelben.</p><lb/> <p>Dies iſt es aber allein, worauf es hier ankommt. Der<lb/> Schluß, den wir darauf bauen, iſt folgender. Jene indirekte<lb/> Befriedigung des natürlichen Anſpruchs auf das <hi rendition="#g">Intereſſe</hi><lb/> zeigt einmal, daß das ältere Recht einen ſolchen Anſpruch als<lb/> begründet anerkannte — warum ſonſt in Fällen, wo von einer<lb/><hi rendition="#g">Beſtrafung</hi> des Beklagten keine Rede ſein konnte, dem Kläger<lb/> ein mehres zuwenden als den einfachen objektiven Werth der<lb/> Sache? Sodann aber beweiſt die <hi rendition="#g">indirekte</hi> Art und Weiſe, in<lb/> der das ältere Recht dieſen Anſpruch befriedigte, daß der <hi rendition="#g">di-<lb/> rekte</hi> Weg einer Liquidation des Intereſſes ihm noch wider-<lb/> ſtrebte, und dies Widerſtreben iſt eben aus einer der Grund-<lb/> tendenzen des ältern Rechts als nothwendig motivirt.</p><lb/> <p>Der obige Einwand: Die Zwieſpältigkeit der richterlichen<lb/> Aeſtimation erkläre ſich aus dem verſchiedenen Zweck und Be-<lb/> dürfniß der Rechtsverhältniſſe, iſt alſo unhaltbar. Die innere<lb/> Natur der auf ein <hi rendition="#aq">certum</hi> gerichteten Obligationen ſträubte ſich<lb/> keinesweges gegen die Berückſichtigung des Intereſſes, denn<lb/> mittelbar ward dem Anſpruch auf letzteres ja ein Genüge ge-<lb/> leiſtet. Man könnte eher umgekehrt ſagen: wenn bei ihnen in<lb/> jedem einzelnen Fall, ohne daß es noch eines beſondern Nach-<lb/> weiſes des Intereſſes bedurft hätte, ein Surrogat für daſſelbe<lb/> gewährt wurde, ſo liegt darin aufs deutlichſte, daß ſie in den<lb/> Augen der Römer einen gerechten Anſpruch auf Berückſichtigung<lb/> des Intereſſes begründeten. Warum aber ward derſelbe nur auf<lb/> einem Umwege befriedigt, warum ſtand dem Verletzten, wenn<lb/> der direkte Weg überhaupt bereits bekannt war, nicht auch letz-<lb/> terer offen? <note xml:id="seg2pn_12_1" next="#seg2pn_12_2" place="foot" n="139)">Als der direkte Weg eingeſchlagen wurde, behielt man, wie es ein-<lb/> mal in der conſervativen Weiſe der Römer lag, für viele Verhältniſſe die Be-</note> Ich finde keine andere Antwort darauf als: weil<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0133]
II. Der Gleichheitstrieb. — Objekt. Aeſtimation, Intereſſe. §. 29.
tere Recht den natürlichen Anſpruch eines jeden Verletzten auf
das Intereſſe, ſo kann die Antwort nur lauten: auf indirektem
Wege durch Zuwendung eines Averſionalquantums, nicht aber
auf direktem durch Zulaſſung der Liquidation deſſelben.
Dies iſt es aber allein, worauf es hier ankommt. Der
Schluß, den wir darauf bauen, iſt folgender. Jene indirekte
Befriedigung des natürlichen Anſpruchs auf das Intereſſe
zeigt einmal, daß das ältere Recht einen ſolchen Anſpruch als
begründet anerkannte — warum ſonſt in Fällen, wo von einer
Beſtrafung des Beklagten keine Rede ſein konnte, dem Kläger
ein mehres zuwenden als den einfachen objektiven Werth der
Sache? Sodann aber beweiſt die indirekte Art und Weiſe, in
der das ältere Recht dieſen Anſpruch befriedigte, daß der di-
rekte Weg einer Liquidation des Intereſſes ihm noch wider-
ſtrebte, und dies Widerſtreben iſt eben aus einer der Grund-
tendenzen des ältern Rechts als nothwendig motivirt.
Der obige Einwand: Die Zwieſpältigkeit der richterlichen
Aeſtimation erkläre ſich aus dem verſchiedenen Zweck und Be-
dürfniß der Rechtsverhältniſſe, iſt alſo unhaltbar. Die innere
Natur der auf ein certum gerichteten Obligationen ſträubte ſich
keinesweges gegen die Berückſichtigung des Intereſſes, denn
mittelbar ward dem Anſpruch auf letzteres ja ein Genüge ge-
leiſtet. Man könnte eher umgekehrt ſagen: wenn bei ihnen in
jedem einzelnen Fall, ohne daß es noch eines beſondern Nach-
weiſes des Intereſſes bedurft hätte, ein Surrogat für daſſelbe
gewährt wurde, ſo liegt darin aufs deutlichſte, daß ſie in den
Augen der Römer einen gerechten Anſpruch auf Berückſichtigung
des Intereſſes begründeten. Warum aber ward derſelbe nur auf
einem Umwege befriedigt, warum ſtand dem Verletzten, wenn
der direkte Weg überhaupt bereits bekannt war, nicht auch letz-
terer offen? 139) Ich finde keine andere Antwort darauf als: weil
139) Als der direkte Weg eingeſchlagen wurde, behielt man, wie es ein-
mal in der conſervativen Weiſe der Römer lag, für viele Verhältniſſe die Be-
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