Einheit in der Gesammtentwicklung des Rechts. §. 5.
mität in der Entwicklung der einzelnen Institute sich allerdings auffinden läßt.
Diese Conformität in der Bewegung der einzelnen Theile wird nun zwar vorausgesetzt, damit von einer Geschichte der Totalität des Rechts die Rede sein kann, allein sie fällt mit letzte- rer nicht zusammen. Die Bewegung sämmtlicher einzelner In- stitute könnte ja eine planlose, ein regelloses Spiel gleichmäßi- ger Veränderungen derselben sein, und dann wäre von einer Geschichte des Rechts keine Rede. Es genügt also nicht nachzu- weisen, daß die einzelnen Institute gleichzeitig dieselben Entwick- lungsstadien zurücklegen, sondern daß auch die Reihenfolge ihrer verschiedenen Phasen eine innerlich zusammenhängende ist, die Geschichte des Rechts also sowohl vom Standpunkt eines einzelnen gegebenen Zeitmoments als vom Standpunkt ihres ganzen successiven Verlaufs den Eindruck der Einheit gewähre, ich möchte sagen: die Einheit sowohl im Nebeneinander als Hin- tereinander, in die Breite wie in die Länge Statt finde.
Daß nun in der Geschichte des Rechts eine solche successive Einheit vorhanden ist, dürfen wir schon von vornherein anneh- men. Da nämlich die Individualität eines Volkes nicht heute so, morgen so ist, und ebenso das äußere Leben und der Verkehr desselben sich nicht sprungweise und launenhaft verändert, so kann dasselbe ebenso wenig mit der correspondirenden Bewegung des Rechts der Fall sein. Findet dort eine Einheit der Entwick- lung Statt, so wird sie auch hier vorhanden sein. So leicht sich nun diese Einheit von vornherein deduciren läßt, so schwierig scheint es zu sein, sie an einem bestimmten einzelnen Recht nach- zuweisen. Eine Anleitung dazu läßt sich natürlich nicht geben, aber es läßt sich wenigstens negativ ein Hinderniß aus dem Wege räumen, das mir sehr nachtheilig gewirkt zu haben scheint. Das ist nämlich der ungebührliche Einfluß, den man hier dem
Einheit in der Geſammtentwicklung des Rechts. §. 5.
mität in der Entwicklung der einzelnen Inſtitute ſich allerdings auffinden läßt.
Dieſe Conformität in der Bewegung der einzelnen Theile wird nun zwar vorausgeſetzt, damit von einer Geſchichte der Totalität des Rechts die Rede ſein kann, allein ſie fällt mit letzte- rer nicht zuſammen. Die Bewegung ſämmtlicher einzelner In- ſtitute könnte ja eine planloſe, ein regelloſes Spiel gleichmäßi- ger Veränderungen derſelben ſein, und dann wäre von einer Geſchichte des Rechts keine Rede. Es genügt alſo nicht nachzu- weiſen, daß die einzelnen Inſtitute gleichzeitig dieſelben Entwick- lungsſtadien zurücklegen, ſondern daß auch die Reihenfolge ihrer verſchiedenen Phaſen eine innerlich zuſammenhängende iſt, die Geſchichte des Rechts alſo ſowohl vom Standpunkt eines einzelnen gegebenen Zeitmoments als vom Standpunkt ihres ganzen ſucceſſiven Verlaufs den Eindruck der Einheit gewähre, ich möchte ſagen: die Einheit ſowohl im Nebeneinander als Hin- tereinander, in die Breite wie in die Länge Statt finde.
Daß nun in der Geſchichte des Rechts eine ſolche ſucceſſive Einheit vorhanden iſt, dürfen wir ſchon von vornherein anneh- men. Da nämlich die Individualität eines Volkes nicht heute ſo, morgen ſo iſt, und ebenſo das äußere Leben und der Verkehr deſſelben ſich nicht ſprungweiſe und launenhaft verändert, ſo kann daſſelbe ebenſo wenig mit der correſpondirenden Bewegung des Rechts der Fall ſein. Findet dort eine Einheit der Entwick- lung Statt, ſo wird ſie auch hier vorhanden ſein. So leicht ſich nun dieſe Einheit von vornherein deduciren läßt, ſo ſchwierig ſcheint es zu ſein, ſie an einem beſtimmten einzelnen Recht nach- zuweiſen. Eine Anleitung dazu läßt ſich natürlich nicht geben, aber es läßt ſich wenigſtens negativ ein Hinderniß aus dem Wege räumen, das mir ſehr nachtheilig gewirkt zu haben ſcheint. Das iſt nämlich der ungebührliche Einfluß, den man hier dem
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Einheit in der Geſammtentwicklung des Rechts. §. 5.
mität in der Entwicklung der einzelnen Inſtitute ſich allerdings
auffinden läßt.
Dieſe Conformität in der Bewegung der einzelnen Theile
wird nun zwar vorausgeſetzt, damit von einer Geſchichte der
Totalität des Rechts die Rede ſein kann, allein ſie fällt mit letzte-
rer nicht zuſammen. Die Bewegung ſämmtlicher einzelner In-
ſtitute könnte ja eine planloſe, ein regelloſes Spiel gleichmäßi-
ger Veränderungen derſelben ſein, und dann wäre von einer
Geſchichte des Rechts keine Rede. Es genügt alſo nicht nachzu-
weiſen, daß die einzelnen Inſtitute gleichzeitig dieſelben Entwick-
lungsſtadien zurücklegen, ſondern daß auch die Reihenfolge
ihrer verſchiedenen Phaſen eine innerlich zuſammenhängende iſt,
die Geſchichte des Rechts alſo ſowohl vom Standpunkt eines
einzelnen gegebenen Zeitmoments als vom Standpunkt ihres
ganzen ſucceſſiven Verlaufs den Eindruck der Einheit gewähre,
ich möchte ſagen: die Einheit ſowohl im Nebeneinander als Hin-
tereinander, in die Breite wie in die Länge Statt finde.
Daß nun in der Geſchichte des Rechts eine ſolche ſucceſſive
Einheit vorhanden iſt, dürfen wir ſchon von vornherein anneh-
men. Da nämlich die Individualität eines Volkes nicht heute
ſo, morgen ſo iſt, und ebenſo das äußere Leben und der Verkehr
deſſelben ſich nicht ſprungweiſe und launenhaft verändert, ſo
kann daſſelbe ebenſo wenig mit der correſpondirenden Bewegung
des Rechts der Fall ſein. Findet dort eine Einheit der Entwick-
lung Statt, ſo wird ſie auch hier vorhanden ſein. So leicht ſich
nun dieſe Einheit von vornherein deduciren läßt, ſo ſchwierig
ſcheint es zu ſein, ſie an einem beſtimmten einzelnen Recht nach-
zuweiſen. Eine Anleitung dazu läßt ſich natürlich nicht geben,
aber es läßt ſich wenigſtens negativ ein Hinderniß aus dem
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Das iſt nämlich der ungebührliche Einfluß, den man hier dem
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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/79>, abgerufen am 05.07.2024.
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