Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch -- Ausgangspunkte des römischen Rechts.
vatlebens. Aber was wohl zu beachten: als Begleiterin. Sie
erhebt nicht den Anspruch auf Selbständigkeit, wie sie es im
Orient oder im Christenthum thut, sie begehrt nicht, daß der
König, um für das Volk opfern zu können, erst von ihr mit
priesterlicher Weihe ausgestattet sei, so wenig wie der Haus-
vater, um für die Seinen dasselbe zu thun, dessen bedarf. Die
Götter Roms verlangten nicht die Vermittlung der Priester,
um sich verehren zu lassen, letztere mochten die Weise lehren,
die den Göttern wohlgefällig war, aber die Fähigkeit, für sich
und alle, die er vertrat, sich ihnen zu nahen, wohnte jedem
inne.

So erscheint also die königliche Würde nicht als eine Cu-
mulation dreier selbständiger Gewalten, der militärischen, po-
litischen und religiösen, der König ist nicht Feldherr, politisches
Oberhaupt und Priester, sondern er ist Feldherr, und in dieser
Qualität ist er zugleich berechtigt, das Heer zu politischen
Zwecken zu versammeln und für dasselbe zu opfern. 154) Die
Unterscheidung jener drei Qualitäten, die Ablösung einzelner
Machtausflüsse derselben und ihre Gestaltung zu eignen Aem-
tern ist erst das Werk eines längern Entwicklungsprozesses.
Von diesem spätern Standpunkt aus konnte man das impe-
rium
155) als Inbegriff dreier verschiedenen Gewalten bezeich-
nen, seiner ursprünglichen Natur nach ist es nichts, als mili-
tärischer Oberbefehl. Wie es das Wesen der militärischen Dis-
ciplin erheischt, lag darin das Recht über Leben und Tod (gla-
dii potestas),
angedeutet durch die Beile auf den fasces, und

154) Dasselbe wiederholte sich in den kleineren Kreisen der Curien und
der Gentes mit den Vorstehern derselben, den Curionen und den Decurio-
nen, wie denn überhaupt die Verfassung des ältesten Staats auf Imitation
beruht.
155) Die etymologische Abstammung des Wortes ist noch nicht ermit-
telt. Man hat wohl an parere (gehorchen), par (gleich) gedacht, allein im
Oskischen findet sich die Form embratur für imperator und macht eine
andere Ableitung wahrscheinlich.

Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.
vatlebens. Aber was wohl zu beachten: als Begleiterin. Sie
erhebt nicht den Anſpruch auf Selbſtändigkeit, wie ſie es im
Orient oder im Chriſtenthum thut, ſie begehrt nicht, daß der
König, um für das Volk opfern zu können, erſt von ihr mit
prieſterlicher Weihe ausgeſtattet ſei, ſo wenig wie der Haus-
vater, um für die Seinen daſſelbe zu thun, deſſen bedarf. Die
Götter Roms verlangten nicht die Vermittlung der Prieſter,
um ſich verehren zu laſſen, letztere mochten die Weiſe lehren,
die den Göttern wohlgefällig war, aber die Fähigkeit, für ſich
und alle, die er vertrat, ſich ihnen zu nahen, wohnte jedem
inne.

So erſcheint alſo die königliche Würde nicht als eine Cu-
mulation dreier ſelbſtändiger Gewalten, der militäriſchen, po-
litiſchen und religiöſen, der König iſt nicht Feldherr, politiſches
Oberhaupt und Prieſter, ſondern er iſt Feldherr, und in dieſer
Qualität iſt er zugleich berechtigt, das Heer zu politiſchen
Zwecken zu verſammeln und für daſſelbe zu opfern. 154) Die
Unterſcheidung jener drei Qualitäten, die Ablöſung einzelner
Machtausflüſſe derſelben und ihre Geſtaltung zu eignen Aem-
tern iſt erſt das Werk eines längern Entwicklungsprozeſſes.
Von dieſem ſpätern Standpunkt aus konnte man das impe-
rium
155) als Inbegriff dreier verſchiedenen Gewalten bezeich-
nen, ſeiner urſprünglichen Natur nach iſt es nichts, als mili-
täriſcher Oberbefehl. Wie es das Weſen der militäriſchen Dis-
ciplin erheiſcht, lag darin das Recht über Leben und Tod (gla-
dii potestas),
angedeutet durch die Beile auf den fasces, und

154) Daſſelbe wiederholte ſich in den kleineren Kreiſen der Curien und
der Gentes mit den Vorſtehern derſelben, den Curionen und den Decurio-
nen, wie denn überhaupt die Verfaſſung des älteſten Staats auf Imitation
beruht.
155) Die etymologiſche Abſtammung des Wortes iſt noch nicht ermit-
telt. Man hat wohl an parere (gehorchen), par (gleich) gedacht, allein im
Oskiſchen findet ſich die Form embratur für imperator und macht eine
andere Ableitung wahrſcheinlich.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0266" n="248"/><fw place="top" type="header">Er&#x017F;tes Buch &#x2014; Ausgangspunkte des römi&#x017F;chen Rechts.</fw><lb/>
vatlebens. Aber was wohl zu beachten: als Begleiterin. Sie<lb/>
erhebt nicht den An&#x017F;pruch auf Selb&#x017F;tändigkeit, wie &#x017F;ie es im<lb/>
Orient oder im Chri&#x017F;tenthum thut, &#x017F;ie begehrt nicht, daß der<lb/>
König, um für das Volk opfern zu können, er&#x017F;t von ihr mit<lb/>
prie&#x017F;terlicher Weihe ausge&#x017F;tattet &#x017F;ei, &#x017F;o wenig wie der Haus-<lb/>
vater, um für die Seinen da&#x017F;&#x017F;elbe zu thun, de&#x017F;&#x017F;en bedarf. Die<lb/>
Götter Roms verlangten nicht die Vermittlung der Prie&#x017F;ter,<lb/>
um &#x017F;ich verehren zu la&#x017F;&#x017F;en, letztere mochten die Wei&#x017F;e lehren,<lb/>
die den Göttern wohlgefällig war, aber die Fähigkeit, für &#x017F;ich<lb/>
und alle, die er vertrat, &#x017F;ich ihnen zu nahen, wohnte jedem<lb/>
inne.</p><lb/>
                  <p>So er&#x017F;cheint al&#x017F;o die königliche Würde nicht als eine Cu-<lb/>
mulation dreier &#x017F;elb&#x017F;tändiger Gewalten, der militäri&#x017F;chen, po-<lb/>
liti&#x017F;chen und religiö&#x017F;en, der König i&#x017F;t nicht Feldherr, politi&#x017F;ches<lb/>
Oberhaupt und Prie&#x017F;ter, &#x017F;ondern er i&#x017F;t Feldherr, und in die&#x017F;er<lb/>
Qualität i&#x017F;t er zugleich berechtigt, das Heer zu politi&#x017F;chen<lb/>
Zwecken zu ver&#x017F;ammeln und für da&#x017F;&#x017F;elbe zu opfern. <note place="foot" n="154)">Da&#x017F;&#x017F;elbe wiederholte &#x017F;ich in den kleineren Krei&#x017F;en der Curien und<lb/>
der Gentes mit den Vor&#x017F;tehern der&#x017F;elben, den Curionen und den Decurio-<lb/>
nen, wie denn überhaupt die Verfa&#x017F;&#x017F;ung des älte&#x017F;ten Staats auf Imitation<lb/>
beruht.</note> Die<lb/>
Unter&#x017F;cheidung jener drei Qualitäten, die Ablö&#x017F;ung einzelner<lb/>
Machtausflü&#x017F;&#x017F;e der&#x017F;elben und ihre Ge&#x017F;taltung zu eignen Aem-<lb/>
tern i&#x017F;t er&#x017F;t das Werk eines längern Entwicklungsproze&#x017F;&#x017F;es.<lb/>
Von die&#x017F;em &#x017F;pätern Standpunkt aus konnte man das <hi rendition="#aq">impe-<lb/>
rium</hi> <note place="foot" n="155)">Die etymologi&#x017F;che Ab&#x017F;tammung des Wortes i&#x017F;t noch nicht ermit-<lb/>
telt. Man hat wohl an <hi rendition="#aq">parere</hi> (gehorchen), <hi rendition="#aq">par</hi> (gleich) gedacht, allein im<lb/>
Oski&#x017F;chen findet &#x017F;ich die Form <hi rendition="#aq">embratur</hi> für <hi rendition="#aq">imperator</hi> und macht eine<lb/>
andere Ableitung wahr&#x017F;cheinlich.</note> als Inbegriff dreier ver&#x017F;chiedenen Gewalten bezeich-<lb/>
nen, &#x017F;einer ur&#x017F;prünglichen Natur nach i&#x017F;t es nichts, als mili-<lb/>
täri&#x017F;cher Oberbefehl. Wie es das We&#x017F;en der militäri&#x017F;chen Dis-<lb/>
ciplin erhei&#x017F;cht, lag darin das Recht über Leben und Tod <hi rendition="#aq">(gla-<lb/>
dii potestas),</hi> angedeutet durch die Beile auf den <hi rendition="#aq">fasces,</hi> und<lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248/0266] Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts. vatlebens. Aber was wohl zu beachten: als Begleiterin. Sie erhebt nicht den Anſpruch auf Selbſtändigkeit, wie ſie es im Orient oder im Chriſtenthum thut, ſie begehrt nicht, daß der König, um für das Volk opfern zu können, erſt von ihr mit prieſterlicher Weihe ausgeſtattet ſei, ſo wenig wie der Haus- vater, um für die Seinen daſſelbe zu thun, deſſen bedarf. Die Götter Roms verlangten nicht die Vermittlung der Prieſter, um ſich verehren zu laſſen, letztere mochten die Weiſe lehren, die den Göttern wohlgefällig war, aber die Fähigkeit, für ſich und alle, die er vertrat, ſich ihnen zu nahen, wohnte jedem inne. So erſcheint alſo die königliche Würde nicht als eine Cu- mulation dreier ſelbſtändiger Gewalten, der militäriſchen, po- litiſchen und religiöſen, der König iſt nicht Feldherr, politiſches Oberhaupt und Prieſter, ſondern er iſt Feldherr, und in dieſer Qualität iſt er zugleich berechtigt, das Heer zu politiſchen Zwecken zu verſammeln und für daſſelbe zu opfern. 154) Die Unterſcheidung jener drei Qualitäten, die Ablöſung einzelner Machtausflüſſe derſelben und ihre Geſtaltung zu eignen Aem- tern iſt erſt das Werk eines längern Entwicklungsprozeſſes. Von dieſem ſpätern Standpunkt aus konnte man das impe- rium 155) als Inbegriff dreier verſchiedenen Gewalten bezeich- nen, ſeiner urſprünglichen Natur nach iſt es nichts, als mili- täriſcher Oberbefehl. Wie es das Weſen der militäriſchen Dis- ciplin erheiſcht, lag darin das Recht über Leben und Tod (gla- dii potestas), angedeutet durch die Beile auf den fasces, und 154) Daſſelbe wiederholte ſich in den kleineren Kreiſen der Curien und der Gentes mit den Vorſtehern derſelben, den Curionen und den Decurio- nen, wie denn überhaupt die Verfaſſung des älteſten Staats auf Imitation beruht. 155) Die etymologiſche Abſtammung des Wortes iſt noch nicht ermit- telt. Man hat wohl an parere (gehorchen), par (gleich) gedacht, allein im Oskiſchen findet ſich die Form embratur für imperator und macht eine andere Ableitung wahrſcheinlich.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/266
Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/266>, abgerufen am 25.11.2024.