Erstes Buch -- Ausgangspunkte des römischen Rechts.
Wir wenden uns jetzt dem Königthum zu oder, um gleich unsere Ansicht über die Stellung desselben zur römischen Ver- fassung auszusprechen, der Heerführung und dem damit gege- benen Prinzip der Subordination. Die Ansichten über den Ur- sprung und den Charakter des römischen Königthums gehen weit auseinander, 153) es ist hier aber nicht der Ort, sie zu kri- tisiren, und beschränke ich mich auf Mittheilung und Begrün- dung meiner eigenen.
Rex, der Richtende (von reg-ere), heißt der König, nicht weil er richtet im juristischen, sondern im militärischen Sinn. Wie die militärische Ordnung bei einem kriegerischen Volk die wichtigste, älteste und der Ausgangspunkt für die politische ist, so auch das Amt des Heerführers, der diese äußerliche, mecha- nische Ordnung einrichtet und erhält, unentbehrlicher und älter, als das des Magistrats, der die abstractere Ordnung und Ein- richtung des Staats überwacht. An Wichtigkeit gewinnt letzte- res erst in Folge der zunehmenden Einmischung des Staats in Interessen, die früher sich selbst überlassen gewesen waren. In ältester Zeit aber treten die politischen Functionen des Kö- nigs gegen seine militärischen weit in den Schatten. Ein mu- thiger, geschickter Feldherr war einem kriegerischen Volke we- sentlicher, als ein weiser Friedensfürst. Der Akt der ersten Unterordnung vollzieht sich bei jenem leichter, als bei diesem. Nun beruht aber in der That die Macht des Königs auf einer solchen freiwilligen Unterordnung, auf Wahl. Man muß sich des republikanischen Geistes erinnern, aus dem das römische Recht hervorgegangen ist, jener Ideen der persönlichen Freiheit, der Coordination der Individuen, der Abneigung gegen die Einmi- schung der Staatsbeamten u. s. w., um beurtheilen zu können, daß der Durchbruch des Subordinationsprinzips, und das ist ja das Königthum, nur an einem Punkt geschehen konnte, an dem es
153) Hat man doch unter Ableitung des Wortes rex von Rezein, opfern, jenen Ursprung in ein Priesterthum setzen wollen.
Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.
Wir wenden uns jetzt dem Königthum zu oder, um gleich unſere Anſicht über die Stellung deſſelben zur römiſchen Ver- faſſung auszuſprechen, der Heerführung und dem damit gege- benen Prinzip der Subordination. Die Anſichten über den Ur- ſprung und den Charakter des römiſchen Königthums gehen weit auseinander, 153) es iſt hier aber nicht der Ort, ſie zu kri- tiſiren, und beſchränke ich mich auf Mittheilung und Begrün- dung meiner eigenen.
Rex, der Richtende (von reg-ere), heißt der König, nicht weil er richtet im juriſtiſchen, ſondern im militäriſchen Sinn. Wie die militäriſche Ordnung bei einem kriegeriſchen Volk die wichtigſte, älteſte und der Ausgangspunkt für die politiſche iſt, ſo auch das Amt des Heerführers, der dieſe äußerliche, mecha- niſche Ordnung einrichtet und erhält, unentbehrlicher und älter, als das des Magiſtrats, der die abſtractere Ordnung und Ein- richtung des Staats überwacht. An Wichtigkeit gewinnt letzte- res erſt in Folge der zunehmenden Einmiſchung des Staats in Intereſſen, die früher ſich ſelbſt überlaſſen geweſen waren. In älteſter Zeit aber treten die politiſchen Functionen des Kö- nigs gegen ſeine militäriſchen weit in den Schatten. Ein mu- thiger, geſchickter Feldherr war einem kriegeriſchen Volke we- ſentlicher, als ein weiſer Friedensfürſt. Der Akt der erſten Unterordnung vollzieht ſich bei jenem leichter, als bei dieſem. Nun beruht aber in der That die Macht des Königs auf einer ſolchen freiwilligen Unterordnung, auf Wahl. Man muß ſich des republikaniſchen Geiſtes erinnern, aus dem das römiſche Recht hervorgegangen iſt, jener Ideen der perſönlichen Freiheit, der Coordination der Individuen, der Abneigung gegen die Einmi- ſchung der Staatsbeamten u. ſ. w., um beurtheilen zu können, daß der Durchbruch des Subordinationsprinzips, und das iſt ja das Königthum, nur an einem Punkt geſchehen konnte, an dem es
153) Hat man doch unter Ableitung des Wortes rex von ῥέζειν, opfern, jenen Urſprung in ein Prieſterthum ſetzen wollen.
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Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.
Wir wenden uns jetzt dem Königthum zu oder, um gleich
unſere Anſicht über die Stellung deſſelben zur römiſchen Ver-
faſſung auszuſprechen, der Heerführung und dem damit gege-
benen Prinzip der Subordination. Die Anſichten über den Ur-
ſprung und den Charakter des römiſchen Königthums gehen
weit auseinander, 153) es iſt hier aber nicht der Ort, ſie zu kri-
tiſiren, und beſchränke ich mich auf Mittheilung und Begrün-
dung meiner eigenen.
Rex, der Richtende (von reg-ere), heißt der König, nicht
weil er richtet im juriſtiſchen, ſondern im militäriſchen Sinn.
Wie die militäriſche Ordnung bei einem kriegeriſchen Volk die
wichtigſte, älteſte und der Ausgangspunkt für die politiſche iſt,
ſo auch das Amt des Heerführers, der dieſe äußerliche, mecha-
niſche Ordnung einrichtet und erhält, unentbehrlicher und älter,
als das des Magiſtrats, der die abſtractere Ordnung und Ein-
richtung des Staats überwacht. An Wichtigkeit gewinnt letzte-
res erſt in Folge der zunehmenden Einmiſchung des Staats
in Intereſſen, die früher ſich ſelbſt überlaſſen geweſen waren.
In älteſter Zeit aber treten die politiſchen Functionen des Kö-
nigs gegen ſeine militäriſchen weit in den Schatten. Ein mu-
thiger, geſchickter Feldherr war einem kriegeriſchen Volke we-
ſentlicher, als ein weiſer Friedensfürſt. Der Akt der erſten
Unterordnung vollzieht ſich bei jenem leichter, als bei dieſem.
Nun beruht aber in der That die Macht des Königs auf einer
ſolchen freiwilligen Unterordnung, auf Wahl. Man muß ſich des
republikaniſchen Geiſtes erinnern, aus dem das römiſche Recht
hervorgegangen iſt, jener Ideen der perſönlichen Freiheit, der
Coordination der Individuen, der Abneigung gegen die Einmi-
ſchung der Staatsbeamten u. ſ. w., um beurtheilen zu können, daß
der Durchbruch des Subordinationsprinzips, und das iſt ja das
Königthum, nur an einem Punkt geſchehen konnte, an dem es
153) Hat man doch unter Ableitung des Wortes rex von ῥέζειν,
opfern, jenen Urſprung in ein Prieſterthum ſetzen wollen.
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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/264>, abgerufen am 26.07.2024.
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