Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.2. Einfluß der Wehrverfassung -- Heer und Volk identisch. §. 17. einzelnen Abtheilungen versammeln sich unter ihren militäri-schen Vorgesetzten. Wer das dienstfähige Alter noch nicht er- reicht oder bereits überschritten hat, kann mithin an der Volks- versammlung keinen Antheil nehmen. Die Alten, die senes, bilden den Senatus, der keinen Beschluß zu fassen, sondern nur Rath zu ertheilen hat; ihr Alter setzt sie dazu und nur dazu in Stand, und jene Einrichtung des Senats ist nichts, als die verfassungsmäßige Gestaltung des Einflusses, den Alter und Erfahrung immer ausüben. Aber mit der den Alten fehlenden Kraft, gefaßte Beschlüsse auszuführen, fehlt ihnen auch die Fähigkeit, an der Beschlußnahme des Volks Theil zu nehmen. In den Volksversammlungen erscheinen also nur die Jungen, die Krieger, nur sie haben einen Willen, denn als Wille gilt nur der thatkräftige, der das Gewollte auszuführen vermag. Das Volk, populus, ist daher gleichbedeutend mit der Masse der Jungen, was die Etymologie bestätigt, 147) und ebenso jung mit waffenfähig. Pubes, mündig, wird Jemand und da- mit Mitglied des populus, sowie er dienstfähig ist; wer die Waffen führen kann, bedarf keines tutor mehr und darf mit- stimmen in der Volksversammlung. Es ist bereits früher (S. 113) der Versuch gemacht, in den 147) Ich nehme die Ableitung an, die Kuhn zur ältesten Geschichte der indogerm. Völker S. 4 angibt, nämlich von pulus, jung. Seiner Mitthei- lung nach soll in den Veden noch die Form puli in Zusammensetzungen vor- kommen. Auch puer, pubes u. s. w. gehört hierhin. Im Lateinischen haben wir disci-pulus, Lehrjunge, mani-pulus, eine Handvoll Junger, und po- pulus, worin die erste Sylbe nach Kuhn durch Reduplikation entstanden ist. Pott, der sonst in etymologischen Dingen mein Führer ist, hat eine andere Ableitung. B. 1 S. 193. 16*
2. Einfluß der Wehrverfaſſung — Heer und Volk identiſch. §. 17. einzelnen Abtheilungen verſammeln ſich unter ihren militäri-ſchen Vorgeſetzten. Wer das dienſtfähige Alter noch nicht er- reicht oder bereits überſchritten hat, kann mithin an der Volks- verſammlung keinen Antheil nehmen. Die Alten, die senes, bilden den Senatus, der keinen Beſchluß zu faſſen, ſondern nur Rath zu ertheilen hat; ihr Alter ſetzt ſie dazu und nur dazu in Stand, und jene Einrichtung des Senats iſt nichts, als die verfaſſungsmäßige Geſtaltung des Einfluſſes, den Alter und Erfahrung immer ausüben. Aber mit der den Alten fehlenden Kraft, gefaßte Beſchlüſſe auszuführen, fehlt ihnen auch die Fähigkeit, an der Beſchlußnahme des Volks Theil zu nehmen. In den Volksverſammlungen erſcheinen alſo nur die Jungen, die Krieger, nur ſie haben einen Willen, denn als Wille gilt nur der thatkräftige, der das Gewollte auszuführen vermag. Das Volk, populus, iſt daher gleichbedeutend mit der Maſſe der Jungen, was die Etymologie beſtätigt, 147) und ebenſo jung mit waffenfähig. Pubes, mündig, wird Jemand und da- mit Mitglied des populus, ſowie er dienſtfähig iſt; wer die Waffen führen kann, bedarf keines tutor mehr und darf mit- ſtimmen in der Volksverſammlung. Es iſt bereits früher (S. 113) der Verſuch gemacht, in den 147) Ich nehme die Ableitung an, die Kuhn zur älteſten Geſchichte der indogerm. Völker S. 4 angibt, nämlich von pulus, jung. Seiner Mitthei- lung nach ſoll in den Veden noch die Form puli in Zuſammenſetzungen vor- kommen. Auch puer, pubes u. ſ. w. gehört hierhin. Im Lateiniſchen haben wir disci-pulus, Lehrjunge, mani-pulus, eine Handvoll Junger, und po- pulus, worin die erſte Sylbe nach Kuhn durch Reduplikation entſtanden iſt. Pott, der ſonſt in etymologiſchen Dingen mein Führer iſt, hat eine andere Ableitung. B. 1 S. 193. 16*
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2. Einfluß der Wehrverfaſſung — Heer und Volk identiſch. §. 17.
einzelnen Abtheilungen verſammeln ſich unter ihren militäri-
ſchen Vorgeſetzten. Wer das dienſtfähige Alter noch nicht er-
reicht oder bereits überſchritten hat, kann mithin an der Volks-
verſammlung keinen Antheil nehmen. Die Alten, die senes,
bilden den Senatus, der keinen Beſchluß zu faſſen, ſondern
nur Rath zu ertheilen hat; ihr Alter ſetzt ſie dazu und nur dazu
in Stand, und jene Einrichtung des Senats iſt nichts, als die
verfaſſungsmäßige Geſtaltung des Einfluſſes, den Alter und
Erfahrung immer ausüben. Aber mit der den Alten fehlenden
Kraft, gefaßte Beſchlüſſe auszuführen, fehlt ihnen auch die
Fähigkeit, an der Beſchlußnahme des Volks Theil zu nehmen.
In den Volksverſammlungen erſcheinen alſo nur die Jungen,
die Krieger, nur ſie haben einen Willen, denn als Wille gilt
nur der thatkräftige, der das Gewollte auszuführen vermag.
Das Volk, populus, iſt daher gleichbedeutend mit der Maſſe
der Jungen, was die Etymologie beſtätigt, 147) und ebenſo
jung mit waffenfähig. Pubes, mündig, wird Jemand und da-
mit Mitglied des populus, ſowie er dienſtfähig iſt; wer die
Waffen führen kann, bedarf keines tutor mehr und darf mit-
ſtimmen in der Volksverſammlung.
Es iſt bereits früher (S. 113) der Verſuch gemacht, in den
Ausdrücken curiae, decuriae, welche die Abtheilungen des
Volks bezeichnen, etymologiſch eine militäriſche Beziehung nach-
zuweiſen. Vir iſt der Krieger (S. 112), conviria oder curia,
alſo eine Gemeinſchaft derſelben, eine Mannſchaft, decemvi-
147) Ich nehme die Ableitung an, die Kuhn zur älteſten Geſchichte der
indogerm. Völker S. 4 angibt, nämlich von pulus, jung. Seiner Mitthei-
lung nach ſoll in den Veden noch die Form puli in Zuſammenſetzungen vor-
kommen. Auch puer, pubes u. ſ. w. gehört hierhin. Im Lateiniſchen haben
wir disci-pulus, Lehrjunge, mani-pulus, eine Handvoll Junger, und po-
pulus, worin die erſte Sylbe nach Kuhn durch Reduplikation entſtanden iſt.
Pott, der ſonſt in etymologiſchen Dingen mein Führer iſt, hat eine andere
Ableitung. B. 1 S. 193.
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