Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Erstes Buch -- Ausgangspunkte des röm. Rechts. Gesellschaft zusteht, niemals eine Ueberordnung voraussetzt,sondern sich rein vom Standpunkt der Societät aus ergibt. Den bisher entwickelten Ideen steht die Ansicht entgegen, Wenn nun zur Zeit der Republik das Volk im Besitz der 106) Cicero de republ. I. 40. Noster populus in pace et domi im-
Erſtes Buch — Ausgangspunkte des röm. Rechts. Geſellſchaft zuſteht, niemals eine Ueberordnung vorausſetzt,ſondern ſich rein vom Standpunkt der Societät aus ergibt. Den bisher entwickelten Ideen ſteht die Anſicht entgegen, Wenn nun zur Zeit der Republik das Volk im Beſitz der 106) Cicero de republ. I. 40. Noster populus in pace et domi im-
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Erſtes Buch — Ausgangspunkte des röm. Rechts.
Geſellſchaft zuſteht, niemals eine Ueberordnung vorausſetzt,
ſondern ſich rein vom Standpunkt der Societät aus ergibt.
Den bisher entwickelten Ideen ſteht die Anſicht entgegen,
daß das Volk erſt zur Zeit der Republik in den Beſitz der Straf-
gewalt gekommen, letztere früher den Händen des Königs an-
vertraut geweſen und einen urſprünglichen Beſtandtheil der kö-
niglichen Gewalt gebildet haben ſolle. So ſehr dieſe Anſicht
durch unſere Quellen unterſtützt zu ſein ſcheint, ſo halte ich ſie
doch für verkehrt. Allerdings ſtand dem Könige eine ſehr wirk-
ſame Strafgewalt zu, wir werden aber in §. 17 nachweiſen,
daß ſie ſowohl wie die ganze Würde des Königs urſprünglich
rein militäriſcher Natur war. Es muß zugegeben werden, daß
ſie im Laufe der Zeit die Strafgerichtsbarkeit des Volks beein-
trächtigte, ja ſie ganz in den Schatten drängte, und ich hoffe,
an der angegebenen Stelle dies leicht erklären und motiviren zu
können, finde es auch ganz begreiflich, daß unſere Quellen nur
den König als Innehaber der Strafgewalt erwähnen. Aber
andererſeits ward doch dem Volk nicht jeglicher Antheil an der
Strafrechtspflege entzogen, wie das Provokationsrecht beweiſt
(§. 17), und einzelne Spuren der vindicta publica haben ſich
erhalten.
Wenn nun zur Zeit der Republik das Volk im Beſitz der
höchſten Strafgerichtsbarkeit erſcheint, ſo haben wir uns dies
nicht ſo zu denken, als ob das Volk erſt jetzt erhalten hätte,
was es bis dahin nie gehabt hatte, ſondern die ganze Aende-
rung gegenüber der Königszeit beſtand darin, daß die militä-
riſche Strafgewalt, die bis dahin auch innerhalb Roms com-
petent geweſen und mit Ueberſchreitung ihrer Schranken die
Strafgerichtsbarkeit des Volks beeinträchtigt hatte, von Rom
exilirt d. h. den Magiſtraten, ſolange ſie in Rom verweilten,
das militäriſche imperium und als Sinnbild deſſelben die Beile
von den fasces genommen wurden. 106). Mit jedem Diktator
106) Cicero de republ. I. 40. Noster populus in pace et domi im-
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