Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Erstes Buch -- Ausgangspunkte des röm. Rechts. für Weideland ist es bei weitem das natürlichste, und hierfürwird es auch in Rom vorgekommen sein. Jene Gemeinsamkeitsverhältnisse haben sich nun, abgesehen Das Befremdende dieser Erscheinung verschwindet, wenn 97) Solche Popularklagen gibt das römische Recht jedem, der Lust hat, z. B. gegen den, der an öffentlichen Plätzen, Landstraßen, Gewässern u. s. w. polizeiwidrige Aenderungen vorgenommen, aus seinem Fenster oder von seinem Dache Sachen hängen hat, die herunter zu fallen drohen und dadurch die Passage gefährden u. s. w. 98) Nicht ihr als einer juristischen Person; das ist eine Abstraction,
deren erst der entwickelte juristische Verstand fähig ist, die wir also nicht in die Kindheitszeit des Rechts verlegen dürfen. Erſtes Buch — Ausgangspunkte des röm. Rechts. für Weideland iſt es bei weitem das natürlichſte, und hierfürwird es auch in Rom vorgekommen ſein. Jene Gemeinſamkeitsverhältniſſe haben ſich nun, abgeſehen Das Befremdende dieſer Erſcheinung verſchwindet, wenn 97) Solche Popularklagen gibt das römiſche Recht jedem, der Luſt hat, z. B. gegen den, der an öffentlichen Plätzen, Landſtraßen, Gewäſſern u. ſ. w. polizeiwidrige Aenderungen vorgenommen, aus ſeinem Fenſter oder von ſeinem Dache Sachen hängen hat, die herunter zu fallen drohen und dadurch die Paſſage gefährden u. ſ. w. 98) Nicht ihr als einer juriſtiſchen Perſon; das iſt eine Abſtraction,
deren erſt der entwickelte juriſtiſche Verſtand fähig iſt, die wir alſo nicht in die Kindheitszeit des Rechts verlegen dürfen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0204" n="186"/><fw place="top" type="header">Erſtes Buch — Ausgangspunkte des röm. Rechts.</fw><lb/> für Weideland iſt es bei weitem das natürlichſte, und hierfür<lb/> wird es auch in Rom vorgekommen ſein.</p><lb/> <p>Jene Gemeinſamkeitsverhältniſſe haben ſich nun, abgeſehen<lb/> vom Gentilbegräbniß, im ſpätern Recht nicht mehr erhalten,<lb/> wohl aber, wie ich glaube, eine wichtige, mittelbare, von ihrer<lb/> Beziehung zur Gentilverfaſſung befreite Nachwirkung derſelben<lb/> — die Popularklagen. Dieſe Klagen ſind eine merkwürdige Er-<lb/> ſcheinung; nicht bloß vom Standpunkt unſeres heutigen öffent-<lb/> lichen Rechts aus, indem nämlich mittelſt ihrer Privatperſonen<lb/> eine unter beſtimmte Rechtsgrundſätze geſtellte Polizei aus-<lb/> üben, <note place="foot" n="97)">Solche Popularklagen gibt das römiſche Recht jedem, der Luſt<lb/> hat, z. B. gegen den, der an öffentlichen Plätzen, Landſtraßen, Gewäſſern<lb/> u. ſ. w. polizeiwidrige Aenderungen vorgenommen, aus ſeinem Fenſter oder<lb/> von ſeinem Dache Sachen hängen hat, die herunter zu fallen drohen und<lb/> dadurch die Paſſage gefährden u. ſ. w.</note> ſondern auch von dem des römiſchen, inſofern näm-<lb/> lich dies Recht im übrigen aufs allerſtrengſte an dem Grundſatz<lb/> der Sachlegitimation des Klägers feſthält, hier aber ſogar Kla-<lb/> gen gewährt, die nicht im geringſten ein ſpezielles Intereſſe deſ-<lb/> ſelben vorausſetzen.</p><lb/> <p>Das Befremdende dieſer Erſcheinung verſchwindet, wenn<lb/> man ſie mit jener eigenthümlichen Gemeinſamkeit des Rechts,<lb/> wie ſie innerhalb der Gentilverfaſſung Statt fand, in Beziehung<lb/> ſetzt. Die Sachen der Gens gehörten ſämmtlichen Gentilen<lb/> zuſammen. <note place="foot" n="98)">Nicht ihr als einer juriſtiſchen Perſon; das iſt eine Abſtraction,<lb/> deren erſt der entwickelte juriſtiſche Verſtand fähig iſt, die wir alſo nicht<lb/> in die Kindheitszeit des Rechts verlegen dürfen.</note> Dies Recht unterſchied ſich von dem, was Je-<lb/> manden als Einzelnen zuſtand, dadurch, daß es kein exkluſives,<lb/> ſondern ein ihm mit ſeinen Genoſſen ungetheilt-gemeinſames<lb/> und ſodann, daß es kein veräußerliches, ſondern ein untrennbar<lb/> mit der corporativen Gemeinſchaft verknüpftes war — eine Art<lb/> des Rechts, die im deutſchen Recht ſehr verbreitet, im ſpätern<lb/> römiſchen aber dem Prinzip der Exkluſivität des Rechts erlegen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [186/0204]
Erſtes Buch — Ausgangspunkte des röm. Rechts.
für Weideland iſt es bei weitem das natürlichſte, und hierfür
wird es auch in Rom vorgekommen ſein.
Jene Gemeinſamkeitsverhältniſſe haben ſich nun, abgeſehen
vom Gentilbegräbniß, im ſpätern Recht nicht mehr erhalten,
wohl aber, wie ich glaube, eine wichtige, mittelbare, von ihrer
Beziehung zur Gentilverfaſſung befreite Nachwirkung derſelben
— die Popularklagen. Dieſe Klagen ſind eine merkwürdige Er-
ſcheinung; nicht bloß vom Standpunkt unſeres heutigen öffent-
lichen Rechts aus, indem nämlich mittelſt ihrer Privatperſonen
eine unter beſtimmte Rechtsgrundſätze geſtellte Polizei aus-
üben, 97) ſondern auch von dem des römiſchen, inſofern näm-
lich dies Recht im übrigen aufs allerſtrengſte an dem Grundſatz
der Sachlegitimation des Klägers feſthält, hier aber ſogar Kla-
gen gewährt, die nicht im geringſten ein ſpezielles Intereſſe deſ-
ſelben vorausſetzen.
Das Befremdende dieſer Erſcheinung verſchwindet, wenn
man ſie mit jener eigenthümlichen Gemeinſamkeit des Rechts,
wie ſie innerhalb der Gentilverfaſſung Statt fand, in Beziehung
ſetzt. Die Sachen der Gens gehörten ſämmtlichen Gentilen
zuſammen. 98) Dies Recht unterſchied ſich von dem, was Je-
manden als Einzelnen zuſtand, dadurch, daß es kein exkluſives,
ſondern ein ihm mit ſeinen Genoſſen ungetheilt-gemeinſames
und ſodann, daß es kein veräußerliches, ſondern ein untrennbar
mit der corporativen Gemeinſchaft verknüpftes war — eine Art
des Rechts, die im deutſchen Recht ſehr verbreitet, im ſpätern
römiſchen aber dem Prinzip der Exkluſivität des Rechts erlegen
97) Solche Popularklagen gibt das römiſche Recht jedem, der Luſt
hat, z. B. gegen den, der an öffentlichen Plätzen, Landſtraßen, Gewäſſern
u. ſ. w. polizeiwidrige Aenderungen vorgenommen, aus ſeinem Fenſter oder
von ſeinem Dache Sachen hängen hat, die herunter zu fallen drohen und
dadurch die Paſſage gefährden u. ſ. w.
98) Nicht ihr als einer juriſtiſchen Perſon; das iſt eine Abſtraction,
deren erſt der entwickelte juriſtiſche Verſtand fähig iſt, die wir alſo nicht
in die Kindheitszeit des Rechts verlegen dürfen.
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