Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.2. Der Staat -- 1. Familienprinzip. Einfluß aufs Vermögen. §. 14. konnte eine Gens verarmen, die Lasten derselben hätten für denEinzelnen in demselben Maße drückender, der Trieb, sich ihnen durch Austritt aus der Gens zu entziehen, in eben dem Grade stärker werden können. Von dieser politischen Bedeutung des Vermögens ausge- 91) Wenn man an diesem ager publicus ein vererbliches und veräußerliches Recht der Benutzung annehmen will, so führt man in der That das Privateigenthum, das man läugnen will, unter anderm Namen wie- der ein. Der Sache nach wäre dies Recht ebenso gut Privateigenthum ge- wesen wie das an Provinzialgrundstücken, die theoretisch im Eigenthum des römischen Staats standen, und das Interesse der Gentilverfassung hätte ge- gen die freie Veräußerlichkeit unter Lebenden und im Testament ebenso geschützt sein müssen, wie wir es nachher im Text ausführen werden. 92) Huschke hat ihn meiner Ansicht nach mit Recht als einen Grund- irrthum Niebuhrs bezeichnet. 93) S. Walter Rechtsgeschichte Buch 1 Kap. 2. Anm. 4--10. 94) Ich erinnere z. B. an die Bestimmung der XII Tafeln über die
Usucapion unbeweglicher Sachen, die Servituten u. s. w. 2. Der Staat — 1. Familienprinzip. Einfluß aufs Vermögen. §. 14. konnte eine Gens verarmen, die Laſten derſelben hätten für denEinzelnen in demſelben Maße drückender, der Trieb, ſich ihnen durch Austritt aus der Gens zu entziehen, in eben dem Grade ſtärker werden können. Von dieſer politiſchen Bedeutung des Vermögens ausge- 91) Wenn man an dieſem ager publicus ein vererbliches und veräußerliches Recht der Benutzung annehmen will, ſo führt man in der That das Privateigenthum, das man läugnen will, unter anderm Namen wie- der ein. Der Sache nach wäre dies Recht ebenſo gut Privateigenthum ge- weſen wie das an Provinzialgrundſtücken, die theoretiſch im Eigenthum des römiſchen Staats ſtanden, und das Intereſſe der Gentilverfaſſung hätte ge- gen die freie Veräußerlichkeit unter Lebenden und im Teſtament ebenſo geſchützt ſein müſſen, wie wir es nachher im Text ausführen werden. 92) Huſchke hat ihn meiner Anſicht nach mit Recht als einen Grund- irrthum Niebuhrs bezeichnet. 93) S. Walter Rechtsgeſchichte Buch 1 Kap. 2. Anm. 4—10. 94) Ich erinnere z. B. an die Beſtimmung der XII Tafeln über die
Uſucapion unbeweglicher Sachen, die Servituten u. ſ. w. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0201" n="183"/><fw place="top" type="header">2. Der Staat — 1. Familienprinzip. Einfluß aufs Vermögen. §. 14.</fw><lb/> konnte eine Gens verarmen, die Laſten derſelben hätten für den<lb/> Einzelnen in demſelben Maße drückender, der Trieb, ſich ihnen<lb/> durch Austritt aus der Gens zu entziehen, in eben dem Grade<lb/> ſtärker werden können.</p><lb/> <p>Von dieſer politiſchen Bedeutung des Vermögens ausge-<lb/> hend haben manche ſich zu der Annahme verleiten laſſen, das<lb/> Privateigenthum an Grund und Boden für den älteſten Staat<lb/> völlig zu läugnen und den <hi rendition="#aq">ager publicus</hi> an deſſen Stelle zu<lb/> ſetzen. <note place="foot" n="91)">Wenn man an dieſem <hi rendition="#aq">ager publicus</hi> ein <hi rendition="#g">vererbliches und<lb/> veräußerliches</hi> Recht der Benutzung annehmen will, ſo führt man in der<lb/> That das Privateigenthum, das man läugnen will, unter anderm Namen wie-<lb/> der ein. Der Sache nach wäre dies Recht ebenſo gut Privateigenthum ge-<lb/> weſen wie das an Provinzialgrundſtücken, die theoretiſch im Eigenthum des<lb/> römiſchen Staats ſtanden, und das Intereſſe der Gentilverfaſſung hätte ge-<lb/> gen die freie Veräußerlichkeit unter Lebenden und im Teſtament ebenſo geſchützt<lb/> ſein müſſen, wie wir es nachher im Text ausführen werden.</note> Es ſcheint mir dies aber ein gefährlicher, weit über<lb/> ſein Ziel hinausfliegender Schluß zu ſein. <note place="foot" n="92)">Huſchke hat ihn meiner Anſicht nach mit Recht als einen Grund-<lb/> irrthum Niebuhrs bezeichnet.</note> Unſere Quellen<lb/> widerſprechen dieſer Annahme mehr, als daß ſie dieſelbe beſtäti-<lb/> gen, <note place="foot" n="93)">S. Walter Rechtsgeſchichte Buch 1 Kap. 2. Anm. 4—10.</note> und abgeſehen von ihnen müßte man die dringendſten<lb/> allgemeinen Gründe haben, um einem Volke, bei dem das<lb/> Prinzip des Privatrechts von Anfang an in größter Schärfe<lb/> und Beſtimmtheit hervortritt, gerade das wichtigſte Eigenthum,<lb/> nämlich das an Grund und Boden, abzuſprechen. Zur Zeit der<lb/><hi rendition="#aq">XII</hi> Tafeln erſcheint letzteres bereits in ausgebildeter Geſtalt, <note place="foot" n="94)">Ich erinnere z. B. an die Beſtimmung der <hi rendition="#aq">XII</hi> Tafeln über die<lb/> Uſucapion unbeweglicher Sachen, die Servituten u. ſ. w.</note><lb/> keine Spur, kein leiſer Anklang findet ſich darin von dem an-<lb/> geblichen frühern Zuſtande. Hatte jenes plebejiſche Prinzip,<lb/> dem man das Privateigenthum an Grund und Boden zuweiſt,<lb/> bereits zur Zeit der <hi rendition="#aq">XII</hi> Tafeln das patriciſche Prinzip ſo voll-<lb/> ſtändig und ſeit ſo langer Zeit über den Haufen geſtürzt, daß<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [183/0201]
2. Der Staat — 1. Familienprinzip. Einfluß aufs Vermögen. §. 14.
konnte eine Gens verarmen, die Laſten derſelben hätten für den
Einzelnen in demſelben Maße drückender, der Trieb, ſich ihnen
durch Austritt aus der Gens zu entziehen, in eben dem Grade
ſtärker werden können.
Von dieſer politiſchen Bedeutung des Vermögens ausge-
hend haben manche ſich zu der Annahme verleiten laſſen, das
Privateigenthum an Grund und Boden für den älteſten Staat
völlig zu läugnen und den ager publicus an deſſen Stelle zu
ſetzen. 91) Es ſcheint mir dies aber ein gefährlicher, weit über
ſein Ziel hinausfliegender Schluß zu ſein. 92) Unſere Quellen
widerſprechen dieſer Annahme mehr, als daß ſie dieſelbe beſtäti-
gen, 93) und abgeſehen von ihnen müßte man die dringendſten
allgemeinen Gründe haben, um einem Volke, bei dem das
Prinzip des Privatrechts von Anfang an in größter Schärfe
und Beſtimmtheit hervortritt, gerade das wichtigſte Eigenthum,
nämlich das an Grund und Boden, abzuſprechen. Zur Zeit der
XII Tafeln erſcheint letzteres bereits in ausgebildeter Geſtalt, 94)
keine Spur, kein leiſer Anklang findet ſich darin von dem an-
geblichen frühern Zuſtande. Hatte jenes plebejiſche Prinzip,
dem man das Privateigenthum an Grund und Boden zuweiſt,
bereits zur Zeit der XII Tafeln das patriciſche Prinzip ſo voll-
ſtändig und ſeit ſo langer Zeit über den Haufen geſtürzt, daß
91) Wenn man an dieſem ager publicus ein vererbliches und
veräußerliches Recht der Benutzung annehmen will, ſo führt man in der
That das Privateigenthum, das man läugnen will, unter anderm Namen wie-
der ein. Der Sache nach wäre dies Recht ebenſo gut Privateigenthum ge-
weſen wie das an Provinzialgrundſtücken, die theoretiſch im Eigenthum des
römiſchen Staats ſtanden, und das Intereſſe der Gentilverfaſſung hätte ge-
gen die freie Veräußerlichkeit unter Lebenden und im Teſtament ebenſo geſchützt
ſein müſſen, wie wir es nachher im Text ausführen werden.
92) Huſchke hat ihn meiner Anſicht nach mit Recht als einen Grund-
irrthum Niebuhrs bezeichnet.
93) S. Walter Rechtsgeſchichte Buch 1 Kap. 2. Anm. 4—10.
94) Ich erinnere z. B. an die Beſtimmung der XII Tafeln über die
Uſucapion unbeweglicher Sachen, die Servituten u. ſ. w.
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