Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Erstes Buch -- Ausgangspunkte des röm. Rechts. II. Familienprinzip und Wehrverfassung, die Faktoren der organisirten Gemeinschaft. Vorbemerkung. XIII. In der Rechtsanschauung, die wir bisher erörtert Das Schutzbedürfniß führt zur Gemeinschaft, aber im Laufe Erſtes Buch — Ausgangspunkte des röm. Rechts. II. Familienprinzip und Wehrverfaſſung, die Faktoren der organiſirten Gemeinſchaft. Vorbemerkung. XIII. In der Rechtsanſchauung, die wir bisher erörtert Das Schutzbedürfniß führt zur Gemeinſchaft, aber im Laufe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0180" n="162"/> <fw place="top" type="header">Erſtes Buch — Ausgangspunkte des röm. Rechts.</fw><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Familienprinzip und Wehrverfaſſung, die Faktoren<lb/> der organiſirten Gemeinſchaft.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="5"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorbemerkung</hi>.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#aq">XIII.</hi> In der Rechtsanſchauung, die wir bisher erörtert<lb/> haben, lag gleichmäßig eine negative und poſitive, eine abſto-<lb/> ßende und vereinigende Kraft. Eine negative und abſtoßende,<lb/> inſofern ſie den Fremden als rechtlos, ihn ſelbſt und alle ſeine<lb/> Habe als Gegenſtand der Erbeutung hinſtellt; eine poſitive und<lb/> vereinigende Kraft, inſofern ſie die Verwirklichung des Rechts<lb/> lediglich dem Subjekt überläßt und damit daſſelbe veranlaßt,<lb/> ſich fremder Hülfe zu verſichern, die Gemeinſchaft zu ſuchen.<lb/> Gerade jene Feindſeligkeit, die der Idee des Rechts urſprünglich<lb/> inne wohnt, kettet, ſo paradox dies klingt, die Gemeinſchaft<lb/> um ſo feſter; die Rechtloſigkeit des <hi rendition="#g">Menſchen</hi> erzeugt die<lb/> Rechtsfähigkeit des <hi rendition="#g">Bürgers</hi>. Indem wir die weitere Aus-<lb/> führung dieſes Gedankens dem §. 16 vorbehalten müſſen, ge-<lb/> nügt hier die Bemerkung, daß unſer Prinzip des ſubjektiven<lb/> Willens bereits den Keim ſtaatlicher Gemeinſchaft in ſich trägt<lb/> und uns zur Betrachtung deſſelben den Weg bahnt.</p><lb/> <p>Das Schutzbedürfniß führt zur Gemeinſchaft, aber im Laufe<lb/> der Zeit wirkt letztere auf das ſubjektive Rechtsprinzip im hohen<lb/> Grade zurück. Iſt dies ſchon im älteſten römiſchen Recht der<lb/> Fall, erſcheint hier mit andern Worten der Staat noch als eine<lb/> bloße Vereinigung gleichberechtigter Individuen, eine Verbrüde-<lb/> rung zum Schutz und Trutz oder beruht er, wie der heutige, be-<lb/> reits auf Ueber- und Unterordnung? Die Frage iſt von großer<lb/> Wichtigkeit, und es iſt nichts verkehrter, als den altrömiſchen<lb/> Staat, weil in ihm ein König, geſetzgebende, richterliche Ge-<lb/> walt u. ſ. w. auftreten, mit unſerm heutigen auf eine Linie zu<lb/> ſtellen. Das weſentliche ſind die Ideen, worauf die königliche,<lb/> geſetzgebende Gewalt u. ſ. w. ſich ſtützen, und ſie können in<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [162/0180]
Erſtes Buch — Ausgangspunkte des röm. Rechts.
II. Familienprinzip und Wehrverfaſſung, die Faktoren
der organiſirten Gemeinſchaft.
Vorbemerkung.
XIII. In der Rechtsanſchauung, die wir bisher erörtert
haben, lag gleichmäßig eine negative und poſitive, eine abſto-
ßende und vereinigende Kraft. Eine negative und abſtoßende,
inſofern ſie den Fremden als rechtlos, ihn ſelbſt und alle ſeine
Habe als Gegenſtand der Erbeutung hinſtellt; eine poſitive und
vereinigende Kraft, inſofern ſie die Verwirklichung des Rechts
lediglich dem Subjekt überläßt und damit daſſelbe veranlaßt,
ſich fremder Hülfe zu verſichern, die Gemeinſchaft zu ſuchen.
Gerade jene Feindſeligkeit, die der Idee des Rechts urſprünglich
inne wohnt, kettet, ſo paradox dies klingt, die Gemeinſchaft
um ſo feſter; die Rechtloſigkeit des Menſchen erzeugt die
Rechtsfähigkeit des Bürgers. Indem wir die weitere Aus-
führung dieſes Gedankens dem §. 16 vorbehalten müſſen, ge-
nügt hier die Bemerkung, daß unſer Prinzip des ſubjektiven
Willens bereits den Keim ſtaatlicher Gemeinſchaft in ſich trägt
und uns zur Betrachtung deſſelben den Weg bahnt.
Das Schutzbedürfniß führt zur Gemeinſchaft, aber im Laufe
der Zeit wirkt letztere auf das ſubjektive Rechtsprinzip im hohen
Grade zurück. Iſt dies ſchon im älteſten römiſchen Recht der
Fall, erſcheint hier mit andern Worten der Staat noch als eine
bloße Vereinigung gleichberechtigter Individuen, eine Verbrüde-
rung zum Schutz und Trutz oder beruht er, wie der heutige, be-
reits auf Ueber- und Unterordnung? Die Frage iſt von großer
Wichtigkeit, und es iſt nichts verkehrter, als den altrömiſchen
Staat, weil in ihm ein König, geſetzgebende, richterliche Ge-
walt u. ſ. w. auftreten, mit unſerm heutigen auf eine Linie zu
ſtellen. Das weſentliche ſind die Ideen, worauf die königliche,
geſetzgebende Gewalt u. ſ. w. ſich ſtützen, und ſie können in
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