Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Erstes Buch -- Ausgangspunkte des römischen Rechts. Wir wenden uns jetzt der auf Verfolgung rein vermögens- Der solenne Akt der Eingehung eines Rechtsgeschäftes vor und heutiger Auffassung und ein bedeutender Fortschritt der letzteren vorliegt. Die Anknüpfung dieser Eigenthümlichkeit an das System der Privatrache ist hier nur im Vorübergehn geschehen und erklärt dieselbe nur von einer Seite; von einer andern Seite wird dies im zweiten System bei Gelegenheit einer Untersuchung über den obligatorischen Grund der römischen Obligationen ge- schehen. 50) Die allgemeine Benutzung des Metalls als Tauschmittels ist jünger,
als der unmittelbare Austausch der Objekte, pecu-nia erst eine Ableitung von pecus, dem ursprünglichsten beweglichen Werthobjekt. In Vieh wurde ge- brücht, daher peculatus = Diebstahl an dem öffentlichen Vieh. Neben Vieh kömmt auch das Getreide vor, stips, daher stipendium (stipem dare) Sold Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts. Wir wenden uns jetzt der auf Verfolgung rein vermögens- Der ſolenne Akt der Eingehung eines Rechtsgeſchäftes vor und heutiger Auffaſſung und ein bedeutender Fortſchritt der letzteren vorliegt. Die Anknüpfung dieſer Eigenthümlichkeit an das Syſtem der Privatrache iſt hier nur im Vorübergehn geſchehen und erklärt dieſelbe nur von einer Seite; von einer andern Seite wird dies im zweiten Syſtem bei Gelegenheit einer Unterſuchung über den obligatoriſchen Grund der römiſchen Obligationen ge- ſchehen. 50) Die allgemeine Benutzung des Metalls als Tauſchmittels iſt jünger,
als der unmittelbare Austauſch der Objekte, pecu-nia erſt eine Ableitung von pecus, dem urſprünglichſten beweglichen Werthobjekt. In Vieh wurde ge- brücht, daher peculatus = Diebſtahl an dem öffentlichen Vieh. Neben Vieh kömmt auch das Getreide vor, stips, daher stipendium (stipem dare) Sold <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0150" n="132"/> <fw place="top" type="header">Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.</fw><lb/> <p>Wir wenden uns jetzt der auf Verfolgung rein vermögens-<lb/> rechtlicher Anſprüche gerichteten Selbſthülfe zu und erinnern<lb/> daran, daß wir auch hier von dem Fall der Zweifelloſigkeit des<lb/> Anſpruches ausgehen. Dieſe Zweifelloſigkeit gab, wie wir<lb/> ſahen, im Syſtem der Selbſthülfe den Ausſchlag, indem ſie es<lb/> dem Berechtigten ebenſo leicht machte, für eine etwa nöthig<lb/> werdende gewaltſame Vollſtreckung der Selbſthülfe ausreichende<lb/> Unterſtützung zu finden, als ſie umgekehrt dem Verpflichteten<lb/> es erſchwerte, ſeinerſeits fremden Beiſtand zu gewinnen. Sie<lb/> ließ ſich aber hinſichtlich aller vermögensrechtlichen Anſprüche<lb/> und Erwerbungen dadurch ſtets herbeiführen, daß man zu den<lb/> Rechtsgeſchäften, durch die ſie begründet wurden, Zeugen hin-<lb/> zuzog. Wie wir nun im <hi rendition="#aq">vindex</hi> einen Beiſtand des Ver-<lb/> pflichteten gefunden haben, der ſich derſelben Gefahr ausſetzte,<lb/> der letzterer ſelbſt unterlag, ſo werden wir jetzt in den Zeugen<lb/> des Rechtsgeſchäftes Beiſtände des Klägers kennen lernen, die<lb/> die Realiſirung ſeines Anſpruches zu ihrer eignen Sache machen.</p><lb/> <p>Der ſolenne Akt der Eingehung eines Rechtsgeſchäftes vor<lb/> Zeugen hieß in ſeiner Anwendung auf Begründung des Eigen-<lb/> thums und anderer unmittelbarer Herrſchaftsverhältniſſe <hi rendition="#aq">man-<lb/> cipatio,</hi> in ſeiner Anwendung auf Obligationen <hi rendition="#aq">nexum.</hi> Die<lb/> uns bekannte Geſtalt deſſelben iſt offenbar eine ſpätere, denn<lb/> der <hi rendition="#aq">libripens</hi> weiſt auf die Zeit hin, als bereits das Metall <hi rendition="#g">all-<lb/> gemeines</hi> Tauſchmittel geworden war, <note xml:id="seg2pn_6_1" next="#seg2pn_6_2" place="foot" n="50)">Die allgemeine Benutzung des Metalls als Tauſchmittels iſt jünger,<lb/> als der unmittelbare Austauſch der Objekte, <hi rendition="#aq">pecu-nia</hi> erſt eine Ableitung von<lb/><hi rendition="#aq">pecus,</hi> dem urſprünglichſten beweglichen Werthobjekt. In Vieh wurde ge-<lb/> brücht, daher <hi rendition="#aq">peculatus</hi> = Diebſtahl an dem öffentlichen Vieh. Neben Vieh<lb/> kömmt auch das Getreide vor, <hi rendition="#aq">stips,</hi> daher <hi rendition="#aq">stipendium (stipem dare)</hi> Sold</note> ſowie höchſt wahr-<lb/><note xml:id="seg2pn_5_2" prev="#seg2pn_5_1" place="foot" n="49)">und heutiger Auffaſſung und ein bedeutender Fortſchritt der letzteren vorliegt.<lb/> Die Anknüpfung dieſer Eigenthümlichkeit an das Syſtem der Privatrache iſt<lb/> hier nur im Vorübergehn geſchehen und erklärt dieſelbe nur von <hi rendition="#g">einer</hi> Seite;<lb/> von einer andern Seite wird dies im zweiten Syſtem bei Gelegenheit einer<lb/> Unterſuchung über den obligatoriſchen Grund der römiſchen Obligationen ge-<lb/> ſchehen.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [132/0150]
Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.
Wir wenden uns jetzt der auf Verfolgung rein vermögens-
rechtlicher Anſprüche gerichteten Selbſthülfe zu und erinnern
daran, daß wir auch hier von dem Fall der Zweifelloſigkeit des
Anſpruches ausgehen. Dieſe Zweifelloſigkeit gab, wie wir
ſahen, im Syſtem der Selbſthülfe den Ausſchlag, indem ſie es
dem Berechtigten ebenſo leicht machte, für eine etwa nöthig
werdende gewaltſame Vollſtreckung der Selbſthülfe ausreichende
Unterſtützung zu finden, als ſie umgekehrt dem Verpflichteten
es erſchwerte, ſeinerſeits fremden Beiſtand zu gewinnen. Sie
ließ ſich aber hinſichtlich aller vermögensrechtlichen Anſprüche
und Erwerbungen dadurch ſtets herbeiführen, daß man zu den
Rechtsgeſchäften, durch die ſie begründet wurden, Zeugen hin-
zuzog. Wie wir nun im vindex einen Beiſtand des Ver-
pflichteten gefunden haben, der ſich derſelben Gefahr ausſetzte,
der letzterer ſelbſt unterlag, ſo werden wir jetzt in den Zeugen
des Rechtsgeſchäftes Beiſtände des Klägers kennen lernen, die
die Realiſirung ſeines Anſpruches zu ihrer eignen Sache machen.
Der ſolenne Akt der Eingehung eines Rechtsgeſchäftes vor
Zeugen hieß in ſeiner Anwendung auf Begründung des Eigen-
thums und anderer unmittelbarer Herrſchaftsverhältniſſe man-
cipatio, in ſeiner Anwendung auf Obligationen nexum. Die
uns bekannte Geſtalt deſſelben iſt offenbar eine ſpätere, denn
der libripens weiſt auf die Zeit hin, als bereits das Metall all-
gemeines Tauſchmittel geworden war, 50) ſowie höchſt wahr-
49)
50) Die allgemeine Benutzung des Metalls als Tauſchmittels iſt jünger,
als der unmittelbare Austauſch der Objekte, pecu-nia erſt eine Ableitung von
pecus, dem urſprünglichſten beweglichen Werthobjekt. In Vieh wurde ge-
brücht, daher peculatus = Diebſtahl an dem öffentlichen Vieh. Neben Vieh
kömmt auch das Getreide vor, stips, daher stipendium (stipem dare) Sold
49) und heutiger Auffaſſung und ein bedeutender Fortſchritt der letzteren vorliegt.
Die Anknüpfung dieſer Eigenthümlichkeit an das Syſtem der Privatrache iſt
hier nur im Vorübergehn geſchehen und erklärt dieſelbe nur von einer Seite;
von einer andern Seite wird dies im zweiten Syſtem bei Gelegenheit einer
Unterſuchung über den obligatoriſchen Grund der römiſchen Obligationen ge-
ſchehen.
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