Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Erstes Buch -- Ausgangspunkte des römischen Rechts. So muß denn auch die Geschichte in Rom gewissermaßen Die erste Scene also in dieser Kosmogonie der römischen Sodann folgt als zweite Scene die Entstehung der Ge- Erst jetzt erscheint mit Numa Religion und Sittlichkeit. Die Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts. So muß denn auch die Geſchichte in Rom gewiſſermaßen Die erſte Scene alſo in dieſer Kosmogonie der römiſchen Sodann folgt als zweite Scene die Entſtehung der Ge- Erſt jetzt erſcheint mit Numa Religion und Sittlichkeit. Die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0112" n="94"/> <fw place="top" type="header">Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.</fw><lb/> <p>So muß denn auch die Geſchichte in Rom gewiſſermaßen<lb/> von neuem beginnen, den langen Weg von der natürlichen<lb/> Wildheit eines vorſtaatlichen Zuſtandes, dem atomiſtiſchen Ne-<lb/> beneinanderſtehen der Individuen bis zur Bildung eines Volks<lb/> und Staats und zur Geſittung und Religion hier von vorne zu-<lb/> rücklegen. Selbſt die Familien müſſen ſich erſt in Rom bilden;<lb/> Rom erhält zur Ausſteuer nichts als Männer, die auf der An-<lb/> fangsſtufe der Geſchichte ſtehen, Schiffbrüchige, die in ſittlicher<lb/> Beziehung nackt ans Land getrieben werden, alſo ſo gut ſind als<lb/> wären es die erſten Menſchen, die die Natur producirt hat.<lb/> Sie haben keine Vergangenheit, gehören nicht einem und dem-<lb/> ſelben Volke an, ſondern ſind von allen Ecken zuſammengelau-<lb/> fen, bringen kein gemeinſames Recht, keine gemeinſamen Götter<lb/> mit, keine Scheu vor alle dem, was den damaligen Völkern werth<lb/> und heilig war, und werden daher auch von dieſen wie ein Aus-<lb/> wurf der Menſchheit betrachtet.</p><lb/> <p>Die erſte Scene alſo in dieſer Kosmogonie der römiſchen<lb/> Welt iſt die abſolut erſte Stufe der Geſchichte überhaupt, die<lb/> Herrſchaft der Willkühr und Gewalt.</p><lb/> <p>Sodann folgt als zweite Scene die Entſtehung der <hi rendition="#g">Ge-<lb/> meinſchaft</hi>, eine Verbindung zu räuberiſchen Zwecken und<lb/> aufrecht erhalten durch Gewalt oder militäriſche Disciplin, aber<lb/> doch bereits der Anfang des Staates. Dazu geſellt ſich die Fa-<lb/> milie, die Conſolidirung des Königthums und die Verbindung<lb/> mit einem andern Volk.</p><lb/> <p>Erſt jetzt erſcheint mit Numa Religion und Sittlichkeit. Die<lb/> Ruhe nach außen hin iſt geſichert, im Innern ſind die Bedin-<lb/> gungen des äußern Lebens gewährt, die wilde Thatkraft kann fei-<lb/> ern, und ſo iſt denn der Zeitpunkt gekommen, wo die ſittliche Er-<lb/> ziehung des Volkes beginnen kann. Noch einmal zwar unter Ser-<lb/> vius Tullius wacht die alte Wildheit wieder auf, aber ſie wen-<lb/> det ſich nach außen hin, und ſein Nachfolger, der Repräſentant<lb/> des Völkerrechts, gibt ihr legale Formen, völkerrechtliche Schran-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0112]
Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.
So muß denn auch die Geſchichte in Rom gewiſſermaßen
von neuem beginnen, den langen Weg von der natürlichen
Wildheit eines vorſtaatlichen Zuſtandes, dem atomiſtiſchen Ne-
beneinanderſtehen der Individuen bis zur Bildung eines Volks
und Staats und zur Geſittung und Religion hier von vorne zu-
rücklegen. Selbſt die Familien müſſen ſich erſt in Rom bilden;
Rom erhält zur Ausſteuer nichts als Männer, die auf der An-
fangsſtufe der Geſchichte ſtehen, Schiffbrüchige, die in ſittlicher
Beziehung nackt ans Land getrieben werden, alſo ſo gut ſind als
wären es die erſten Menſchen, die die Natur producirt hat.
Sie haben keine Vergangenheit, gehören nicht einem und dem-
ſelben Volke an, ſondern ſind von allen Ecken zuſammengelau-
fen, bringen kein gemeinſames Recht, keine gemeinſamen Götter
mit, keine Scheu vor alle dem, was den damaligen Völkern werth
und heilig war, und werden daher auch von dieſen wie ein Aus-
wurf der Menſchheit betrachtet.
Die erſte Scene alſo in dieſer Kosmogonie der römiſchen
Welt iſt die abſolut erſte Stufe der Geſchichte überhaupt, die
Herrſchaft der Willkühr und Gewalt.
Sodann folgt als zweite Scene die Entſtehung der Ge-
meinſchaft, eine Verbindung zu räuberiſchen Zwecken und
aufrecht erhalten durch Gewalt oder militäriſche Disciplin, aber
doch bereits der Anfang des Staates. Dazu geſellt ſich die Fa-
milie, die Conſolidirung des Königthums und die Verbindung
mit einem andern Volk.
Erſt jetzt erſcheint mit Numa Religion und Sittlichkeit. Die
Ruhe nach außen hin iſt geſichert, im Innern ſind die Bedin-
gungen des äußern Lebens gewährt, die wilde Thatkraft kann fei-
ern, und ſo iſt denn der Zeitpunkt gekommen, wo die ſittliche Er-
ziehung des Volkes beginnen kann. Noch einmal zwar unter Ser-
vius Tullius wacht die alte Wildheit wieder auf, aber ſie wen-
det ſich nach außen hin, und ſein Nachfolger, der Repräſentant
des Völkerrechts, gibt ihr legale Formen, völkerrechtliche Schran-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |