den geliebtesten Eltern, aber einmal könnte dich doch die Einsamkeit -- was Gott lange verhüte -- ereilen und dann wäre das Entfliehen zu schwer. -- Alles steht um mich in gehöriger Blüte und Frucht, sogar der alte dicke Weidenstamm selber. -- In Jungs Familie wirst du eine höhere christliche Concordia finden als nach allen Anzeichen die Schlegel-5 sche werden kann. Den Kometen beweg' ich froh und leicht im dritten Elemente seiner Laufbahn fort, in welcher er sonst ohne dein Lob bei dem zweiten lange hätte weilen müssen. Es wäre dem Bartstern aber dienlich, wenn du noch etwas und zwar das Leichteste thätest, nämlich ihn rezensiertest. Niemand kann so leicht und so bestimmt ein Urtheil10 fällen als du, der du ihn so langsam Schritt vor Schritt durchgegangen, ja der du schon als dessen Restaurator dessen Kunstrichter warst -- An der Freimüthigkeit, die keine Maske des Lobs sondern reine Pflicht ist, kann dir keine Freundschaft etwas beschneiden.
100. An Emanuel.15
[Bayreuth, 28. Sept. 1820]
Guten Morgen, mein Emanuel! Endlich ist der Hesperus ange- kommen, auf den Sie (wie Otto) so lange haben warten müssen, wenn Sie ihn anders nicht unterdessen irgendwo sich erborgt haben. -- Welch ein Gottes Tag! -- Heute sollten Sie wol Ihrer Kleinsten ein20 Bißchen Luft gönnen.
101. An Ernestine Voß in Heidelberg.
[Kopie][Bayreuth, 14. Okt. 1820]
Hier mit diesem Blättchen erscheint vor Ihnen mein Sohn, für welchen Ihre hausmütterliche Güte, welche durch Angewöhnung und25 Christenherz [?] schon längst auch eine außer-hausmütterliche geworden, schon so erschöpfend voraus berechnet und gesorgt hat ... Ich beneide sein Seh- und Hörglück in Ihrem Hause, zumal das Hörglück bei Ihrem Gemahl, das er durch einige Vorkenntnisse wenn nicht verdienen, doch genießen und benützen kann.30
102. An Professor Creuzer in Heidelberg.
[Kopie][Bayreuth, 14. Okt. 1820]
Endlich hat mein Sohn das Glück, das er so lange bedurft und begehrt, Sie zu -- hören; und ich beneide ihn um seine Jahre. Das
den geliebteſten Eltern, aber einmal könnte dich doch die Einſamkeit — was Gott lange verhüte — ereilen und dann wäre das Entfliehen zu ſchwer. — Alles ſteht um mich in gehöriger Blüte und Frucht, ſogar der alte dicke Weidenſtamm ſelber. — In Jungs Familie wirſt du eine höhere chriſtliche Concordia finden als nach allen Anzeichen die Schlegel-5 ſche werden kann. Den Kometen beweg’ ich froh und leicht im dritten Elemente ſeiner Laufbahn fort, in welcher er ſonſt ohne dein Lob bei dem zweiten lange hätte weilen müſſen. Es wäre dem Bartſtern aber dienlich, wenn du noch etwas und zwar das Leichteſte thäteſt, nämlich ihn rezenſierteſt. Niemand kann ſo leicht und ſo beſtimmt ein Urtheil10 fällen als du, der du ihn ſo langſam Schritt vor Schritt durchgegangen, ja der du ſchon als deſſen Reſtaurator deſſen Kunſtrichter warſt — An der Freimüthigkeit, die keine Maſke des Lobs ſondern reine Pflicht iſt, kann dir keine Freundſchaft etwas beſchneiden.
100. An Emanuel.15
[Bayreuth, 28. Sept. 1820]
Guten Morgen, mein Emanuel! Endlich iſt der Heſperus ange- kommen, auf den Sie (wie Otto) ſo lange haben warten müſſen, wenn Sie ihn anders nicht unterdeſſen irgendwo ſich erborgt haben. — Welch ein Gottes Tag! — Heute ſollten Sie wol Ihrer Kleinſten ein20 Bißchen Luft gönnen.
101. An Erneſtine Voß in Heidelberg.
[Kopie][Bayreuth, 14. Okt. 1820]
Hier mit dieſem Blättchen erſcheint vor Ihnen mein Sohn, für welchen Ihre hausmütterliche Güte, welche durch Angewöhnung und25 Chriſtenherz [?] ſchon längſt auch eine außer-hausmütterliche geworden, ſchon ſo erſchöpfend voraus berechnet und geſorgt hat ... Ich beneide ſein Seh- und Hörglück in Ihrem Hauſe, zumal das Hörglück bei Ihrem Gemahl, das er durch einige Vorkenntniſſe wenn nicht verdienen, doch genießen und benützen kann.30
102. An Profeſſor Creuzer in Heidelberg.
[Kopie][Bayreuth, 14. Okt. 1820]
Endlich hat mein Sohn das Glück, das er ſo lange bedurft und begehrt, Sie zu — hören; und ich beneide ihn um ſeine Jahre. Das
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alte dicke Weidenſtamm ſelber. — In Jungs Familie wirſt du eine
höhere chriſtliche Concordia finden als nach allen Anzeichen die Schlegel- 5
ſche werden kann. Den Kometen beweg’ ich froh und leicht im dritten
Elemente ſeiner Laufbahn fort, in welcher er ſonſt ohne dein Lob bei
dem zweiten lange hätte weilen müſſen. Es wäre dem Bartſtern aber
dienlich, wenn du noch etwas und zwar das Leichteſte thäteſt, nämlich
ihn rezenſierteſt. Niemand kann ſo leicht und ſo beſtimmt ein Urtheil 10
fällen als du, der du ihn ſo langſam Schritt vor Schritt durchgegangen,
ja der du ſchon als deſſen Reſtaurator deſſen Kunſtrichter warſt — An
der Freimüthigkeit, die keine Maſke des Lobs ſondern reine Pflicht iſt,
kann dir keine Freundſchaft etwas beſchneiden.
100. An Emanuel. 15
[Bayreuth, 28. Sept. 1820]
Guten Morgen, mein Emanuel! Endlich iſt der Heſperus ange-
kommen, auf den Sie (wie Otto) ſo lange haben warten müſſen, wenn
Sie ihn anders nicht unterdeſſen irgendwo ſich erborgt haben. —
Welch ein Gottes Tag! — Heute ſollten Sie wol Ihrer Kleinſten ein 20
Bißchen Luft gönnen.
101. An Erneſtine Voß in Heidelberg.
[Bayreuth, 14. Okt. 1820]
Hier mit dieſem Blättchen erſcheint vor Ihnen mein Sohn, für
welchen Ihre hausmütterliche Güte, welche durch Angewöhnung und 25
Chriſtenherz [?] ſchon längſt auch eine außer-hausmütterliche geworden,
ſchon ſo erſchöpfend voraus berechnet und geſorgt hat ... Ich beneide
ſein Seh- und Hörglück in Ihrem Hauſe, zumal das Hörglück bei Ihrem
Gemahl, das er durch einige Vorkenntniſſe wenn nicht verdienen, doch
genießen und benützen kann. 30
102. An Profeſſor Creuzer in Heidelberg.
[Bayreuth, 14. Okt. 1820]
Endlich hat mein Sohn das Glück, das er ſo lange bedurft und
begehrt, Sie zu — hören; und ich beneide ihn um ſeine Jahre. Das
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/76>, abgerufen am 18.07.2024.
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