Leiden der frühern Lebenstage versprechen Freuden der spätern; ein zu grosses Jugendglück droht Verfinsterung der Zukunft, so wie ein feuriges Morgenroth einen Regentag ansagt, hingegen der Morgen- nebel vor der steigenden Sonne fällt und einen blauen Himmel auf-5 deckt.
Die Hand, die Ihnen, gute Katharina, einige Leiden abnahm, schreibt den Wunsch und die Hoffnung, daß sie alle wie Nebel- wölkchen entfliehen.10
[Spaltenumbruch]
München d. 7ten Jul. 1820 [Spaltenumbruch]Jean Paul Fr. Richter
*73. An Professor Sömmerring in München.
[München, 8. Juli 1820]
Heute gegen Abend -- aber ich weiß nicht um welche Stunde -- will ich meinen herrlichen Sömmering zum letzten male sehen, um mich noch15 einmal des mächtigen Genius, der mehr als eine Wissenschaft beherrscht, recht zu erfreuen.
Jean Paul
74. An Hofprediger Schmidt in Nymphenburg.
[Kopie][München, 8. Juli 1820. Sonnabend]20
Hochzuehrender Herr Hofprediger!
Der gestrige Nachmittag gab mir mehr als ganze Wochen hier zu reichen im Stande sind. Durch Sie werd' ich der liebenswürdigsten Königin vielleicht am angenehmsten den Dank wiederholen für das Geschenk eines Anblicks, womit nur eine solche Mutter und nur solche25 Kinder zugleich rühren und entzücken können. Es ist der Genuß des schönen Lichts, das sich in sieben Farben bricht. Dem siebenten Julius fehlte für mich nichts als daß er nicht der dreizehnte war. Leider war ich gegen meine Erwartungen -- da ich die Königin nur 2 mal kurz nach Ihrer Ankunft und vor Ihrer Abreise sehen können -- im Falle30 der Nordländer, die am kürzesten Tage die Sonne nur auf- und sogleich untergehen sehen, ohne sie einen Tag über sich am Himmel zu haben. Möge die so rührend leidende Prinzessin bald genesen. Aber schon unter
52
72. Ins Stammbuch der Katharina (Gail?).
Leiden der frühern Lebenstage verſprechen Freuden der ſpätern; ein zu groſſes Jugendglück droht Verfinſterung der Zukunft, ſo wie ein feuriges Morgenroth einen Regentag anſagt, hingegen der Morgen- nebel vor der ſteigenden Sonne fällt und einen blauen Himmel auf-5 deckt.
Die Hand, die Ihnen, gute Katharina, einige Leiden abnahm, ſchreibt den Wunſch und die Hoffnung, daß ſie alle wie Nebel- wölkchen entfliehen.10
[Spaltenumbruch]
München d. 7ten Jul. 1820 [Spaltenumbruch]Jean Paul Fr. Richter
*73. An Profeſſor Sömmerring in München.
[München, 8. Juli 1820]
Heute gegen Abend — aber ich weiß nicht um welche Stunde — will ich meinen herrlichen Sömmering zum letzten male ſehen, um mich noch15 einmal des mächtigen Genius, der mehr als eine Wiſſenſchaft beherrſcht, recht zu erfreuen.
Jean Paul
74. An Hofprediger Schmidt in Nymphenburg.
[Kopie][München, 8. Juli 1820. Sonnabend]20
Hochzuehrender Herr Hofprediger!
Der geſtrige Nachmittag gab mir mehr als ganze Wochen hier zu reichen im Stande ſind. Durch Sie werd’ ich der liebenswürdigſten Königin vielleicht am angenehmſten den Dank wiederholen für das Geſchenk eines Anblicks, womit nur eine ſolche Mutter und nur ſolche25 Kinder zugleich rühren und entzücken können. Es iſt der Genuß des ſchönen Lichts, das ſich in ſieben Farben bricht. Dem ſiebenten Julius fehlte für mich nichts als daß er nicht der dreizehnte war. Leider war ich gegen meine Erwartungen — da ich die Königin nur 2 mal kurz nach Ihrer Ankunft und vor Ihrer Abreiſe ſehen können — im Falle30 der Nordländer, die am kürzeſten Tage die Sonne nur auf- und ſogleich untergehen ſehen, ohne ſie einen Tag über ſich am Himmel zu haben. Möge die ſo rührend leidende Prinzeſſin bald geneſen. Aber ſchon unter
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72. Ins Stammbuch der Katharina (Gail?).
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zu groſſes Jugendglück droht Verfinſterung der Zukunft, ſo wie ein
feuriges Morgenroth einen Regentag anſagt, hingegen der Morgen-
nebel vor der ſteigenden Sonne fällt und einen blauen Himmel auf- 5
deckt.
Die Hand, die Ihnen, gute Katharina,
einige Leiden abnahm, ſchreibt den Wunſch
und die Hoffnung, daß ſie alle wie Nebel-
wölkchen entfliehen. 10
München d. 7ten
Jul. 1820
Jean Paul Fr. Richter
*73. An Profeſſor Sömmerring in München.
[München, 8. Juli 1820]
Heute gegen Abend — aber ich weiß nicht um welche Stunde — will
ich meinen herrlichen Sömmering zum letzten male ſehen, um mich noch 15
einmal des mächtigen Genius, der mehr als eine Wiſſenſchaft beherrſcht,
recht zu erfreuen.
Jean Paul
74. An Hofprediger Schmidt in Nymphenburg.
[München, 8. Juli 1820. Sonnabend] 20
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Der geſtrige Nachmittag gab mir mehr als ganze Wochen hier zu
reichen im Stande ſind. Durch Sie werd’ ich der liebenswürdigſten
Königin vielleicht am angenehmſten den Dank wiederholen für das
Geſchenk eines Anblicks, womit nur eine ſolche Mutter und nur ſolche 25
Kinder zugleich rühren und entzücken können. Es iſt der Genuß des
ſchönen Lichts, das ſich in ſieben Farben bricht. Dem ſiebenten
Julius fehlte für mich nichts als daß er nicht der dreizehnte war. Leider
war ich gegen meine Erwartungen — da ich die Königin nur 2 mal kurz
nach Ihrer Ankunft und vor Ihrer Abreiſe ſehen können — im Falle 30
der Nordländer, die am kürzeſten Tage die Sonne nur auf- und ſogleich
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Möge die ſo rührend leidende Prinzeſſin bald geneſen. Aber ſchon unter
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
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Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/58>, abgerufen am 17.07.2024.
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