Ich bin gesund und für alle Menschen heiter genug -- Meinen Ver- ehrer Bissel in Amberg hab ich nicht aufgesucht; auch hier keine Zeit zu einem Besuche bei Posch gehabt, da dieser Brief sie nimmt. -- Die Frösche soll Odilie nie in die Sonne stellen -- dem neuesten viele Fliegen geben -- die Dinte umrühren -- die Blumenstöcke alle 3 Tage begießen,5 aber die beiden von Miedel auf dem Schreibschrank gar nicht -- Franzö- sisch hingegen und Singen treibe sie wenigstens halb so eifrig wie Emma und diese es ganz so eifrig wie jene -- -- Verrücke mir ja keine Bücher durch unnützes Abstäuben; denn im July -- nach Endigung des "Kometen" -- bin ich ein freier Mann und bringe alles in Ordnung10 und alle Bücher in neue Stellungen. Leider begingest du unter dem Ein- packen 2 Fehler; das dicke, aber kleinste Fläschchen wollt' ich für gewisse Fälle des Durstes zu mir stecken; und die Flasche mit Rosoglio hast du gar wieder die Treppe hinaufgeschickt.
Ich wollte dir doch etwas sogleich von mir melden, da ich nicht weiß,15 auf welchen Umwegen erst der Kutscher Münchner Briefe dir zubringt. Grüße die Otto's und Emanuel's; dieser warf mir noch aus dem Fenster einen Abschied zu. Grüße meine Welden. Lebe froh, geliebtes Weib!
Richter
54. An Karoline Richter.20
Meinen Brief aus Regensburg erhieltest du doch?
München d. 31ten Mai 1820
Liebe Karoline! Ich will alles stät ohne Vorgreifen in die Zukunft erzählen. Meinen Brief aus Regensburg hast du gewiß. Auf dem Wege von Regensburg nach Landshut schickte mir Gott Vormittags drei25 wolkenlose blaue Sonnenstunden und ich hatte darin zum ersten und letzten male auf dieser Reise wieder jene Reiseidyllenstimmung, nach der ich Jahre lang schmachte und die fast keine Gesellschaft erträgt als einen Kutscher, der in die schöne Weite hinein singt, was meiner that. Nach- mittags, wo Landshut immer reicher vortritt, ersah der Teufel sich der30 Gelegenheit und begoß mich aus den Wolken und ersäufte für meine Phantasie die schöne Isar und die Brücken und den Bergkranz um Landshut. Da besuchte ich blos -- den Brief an Podewills ließ ich aus Zeitmangel nur abgeben -- Köppen mit seiner recht alten Frau, die mir mit alter Erinnerung entgegenflog; -- ein kräftiger Abend und35
3 Jean Paul Briefe. VIII.
Ich bin geſund und für alle Menſchen heiter genug — Meinen Ver- ehrer Bissel in Amberg hab ich nicht aufgeſucht; auch hier keine Zeit zu einem Beſuche bei Posch gehabt, da dieſer Brief ſie nimmt. — Die Fröſche ſoll Odilie nie in die Sonne ſtellen — dem neueſten viele Fliegen geben — die Dinte umrühren — die Blumenſtöcke alle 3 Tage begießen,5 aber die beiden von Miedel auf dem Schreibſchrank gar nicht — Franzö- ſiſch hingegen und Singen treibe ſie wenigſtens halb ſo eifrig wie Emma und dieſe es ganz ſo eifrig wie jene — — Verrücke mir ja keine Bücher durch unnützes Abſtäuben; denn im July — nach Endigung des „Kometen“ — bin ich ein freier Mann und bringe alles in Ordnung10 und alle Bücher in neue Stellungen. Leider begingeſt du unter dem Ein- packen 2 Fehler; das dicke, aber kleinſte Fläſchchen wollt’ ich für gewiſſe Fälle des Durſtes zu mir ſtecken; und die Flaſche mit Roſoglio haſt du gar wieder die Treppe hinaufgeſchickt.
Ich wollte dir doch etwas ſogleich von mir melden, da ich nicht weiß,15 auf welchen Umwegen erſt der Kutſcher Münchner Briefe dir zubringt. Grüße die Otto’s und Emanuel’s; dieſer warf mir noch aus dem Fenſter einen Abſchied zu. Grüße meine Welden. Lebe froh, geliebtes Weib!
Richter
54. An Karoline Richter.20
Meinen Brief aus Regensburg erhielteſt du doch?
München d. 31ten Mai 1820
Liebe Karoline! Ich will alles ſtät ohne Vorgreifen in die Zukunft erzählen. Meinen Brief aus Regensburg haſt du gewiß. Auf dem Wege von Regensburg nach Landshut ſchickte mir Gott Vormittags drei25 wolkenloſe blaue Sonnenſtunden und ich hatte darin zum erſten und letzten male auf dieſer Reiſe wieder jene Reiſeidyllenſtimmung, nach der ich Jahre lang ſchmachte und die faſt keine Geſellſchaft erträgt als einen Kutſcher, der in die ſchöne Weite hinein ſingt, was meiner that. Nach- mittags, wo Landshut immer reicher vortritt, erſah der Teufel ſich der30 Gelegenheit und begoß mich aus den Wolken und erſäufte für meine Phantaſie die ſchöne Iſar und die Brücken und den Bergkranz um Landshut. Da beſuchte ich blos — den Brief an Podewills ließ ich aus Zeitmangel nur abgeben — Köppen mit ſeiner recht alten Frau, die mir mit alter Erinnerung entgegenflog; — ein kräftiger Abend und35
3 Jean Paul Briefe. VIII.
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Ich bin geſund und für alle Menſchen heiter genug — Meinen Ver-
ehrer Bissel in Amberg hab ich nicht aufgeſucht; auch hier keine Zeit zu
einem Beſuche bei Posch gehabt, da dieſer Brief ſie nimmt. — Die
Fröſche ſoll Odilie nie in die Sonne ſtellen — dem neueſten viele Fliegen
geben — die Dinte umrühren — die Blumenſtöcke alle 3 Tage begießen, 5
aber die beiden von Miedel auf dem Schreibſchrank gar nicht — Franzö-
ſiſch hingegen und Singen treibe ſie wenigſtens halb ſo eifrig wie Emma
und dieſe es ganz ſo eifrig wie jene — — Verrücke mir ja keine Bücher
durch unnützes Abſtäuben; denn im July — nach Endigung des
„Kometen“ — bin ich ein freier Mann und bringe alles in Ordnung 10
und alle Bücher in neue Stellungen. Leider begingeſt du unter dem Ein-
packen 2 Fehler; das dicke, aber kleinſte Fläſchchen wollt’ ich für gewiſſe
Fälle des Durſtes zu mir ſtecken; und die Flaſche mit Roſoglio haſt du
gar wieder die Treppe hinaufgeſchickt.
Ich wollte dir doch etwas ſogleich von mir melden, da ich nicht weiß, 15
auf welchen Umwegen erſt der Kutſcher Münchner Briefe dir zubringt.
Grüße die Otto’s und Emanuel’s; dieſer warf mir noch aus dem Fenſter
einen Abſchied zu. Grüße meine Welden. Lebe froh, geliebtes Weib!
Richter
54. An Karoline Richter. 20
Meinen Brief aus Regensburg
erhielteſt du doch?München d. 31ten Mai 1820
Liebe Karoline! Ich will alles ſtät ohne Vorgreifen in die Zukunft
erzählen. Meinen Brief aus Regensburg haſt du gewiß. Auf dem Wege
von Regensburg nach Landshut ſchickte mir Gott Vormittags drei 25
wolkenloſe blaue Sonnenſtunden und ich hatte darin zum erſten und
letzten male auf dieſer Reiſe wieder jene Reiſeidyllenſtimmung, nach der
ich Jahre lang ſchmachte und die faſt keine Geſellſchaft erträgt als einen
Kutſcher, der in die ſchöne Weite hinein ſingt, was meiner that. Nach-
mittags, wo Landshut immer reicher vortritt, erſah der Teufel ſich der 30
Gelegenheit und begoß mich aus den Wolken und erſäufte für meine
Phantaſie die ſchöne Iſar und die Brücken und den Bergkranz um
Landshut. Da beſuchte ich blos — den Brief an Podewills ließ ich aus
Zeitmangel nur abgeben — Köppen mit ſeiner recht alten Frau, die
mir mit alter Erinnerung entgegenflog; — ein kräftiger Abend und 35
3 Jean Paul Briefe. VIII.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/38>, abgerufen am 16.07.2024.
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