Schon vor einem halben Jahre bot ich Ihnen den Verlag meiner sämmtlichen Werke im Vorbeigehn an. Ihr Schweigen seit dieser Zeit erklärte sich vielleicht in der ungeheuren Masse von wachsenden5 Verbindungen aller Art. Jetzt wäre nun gerade eine Periode im Publi- kum, wie Sie am besten wissen, wo man mit Vorliebe die gesammelten Werke von Lieblingautoren aufsucht. Hiezu kommt aber nun vollends Ihr Vorschlag einer Subskription, welcher sich auf keine Weise mit der Eile des Geschäfts und eben so wenig mit allen meinen Verhältnissen10 vertrüge.
Übrigens läßt uns, lieber Cotta, die Zukunft noch immer hundert andere Verbindungen zu ähnlichen Zwecken übrig.
Es gehe Ihnen wohl in Ihrer neuen Welt, die von Ihnen nicht sowol entdeckt als geschaffen wird.15
Neulich hatte ich Ihnen noch nicht geschrieben, was meine Heraus- gabe sehr erschwert, nämlich die Novemberblindheit meiner Augen, welche nur das Messer des Frühlings beschneiden kann, wozu noch etwas mehr Bedenkliches und schwerer zu Heilendes tritt; es ist eine unvorher- gesehene, mir ganz unbegreifliche, unverschuldete Bauchwassersucht, die20 mich mit allen Martern einer langsamen Heilung stört und aufhält. Möge[n] Ihnen bei keiner Herausgabe von sämmtlichen Werken solche Störungen in den Weg treten.
Jean Paul
511. An Medizinalrat Dr. Kapfer in Nürnberg.
[Kopie][Bayreuth] den 1ten Novemb. 182525
Werthgeschätzter Herr Medizinalrath!
Leider droht zu meinem Augenübel ein ganz neues, nämlich eine Art Unterleibswassersucht, welche gerade mit Mitteln bekämpft werden mußte, die den Augen schädlich waren, z. B. mit bittern. Dadurch, und durch die allgemeine Schwächung der drei letzten Wochen, vermittelst30 der Witterung, sank mein rechtes Auge beinahe bis zur Grauheit des linken herab. Brillen scheinen eher zu verdunkeln als zu erhellen. Die bella donna scheint wenig und kurz zu helfen. Was rathen Sie mir nun, als Augen-Meister, zu thun, da in dieser Jahrszeit und bei den Verhält- nissen meines Körpers an keine Kur zu denken ist?35
Ihr ergebenster etc.
510. An Cotta.
[Diktiert]Baireut den 30ten October 1825
Schon vor einem halben Jahre bot ich Ihnen den Verlag meiner ſämmtlichen Werke im Vorbeigehn an. Ihr Schweigen ſeit dieſer Zeit erklärte ſich vielleicht in der ungeheuren Maſſe von wachſenden5 Verbindungen aller Art. Jetzt wäre nun gerade eine Periode im Publi- kum, wie Sie am beſten wiſſen, wo man mit Vorliebe die geſammelten Werke von Lieblingautoren aufſucht. Hiezu kommt aber nun vollends Ihr Vorſchlag einer Subſkription, welcher ſich auf keine Weiſe mit der Eile des Geſchäfts und eben ſo wenig mit allen meinen Verhältniſſen10 vertrüge.
Übrigens läßt uns, lieber Cotta, die Zukunft noch immer hundert andere Verbindungen zu ähnlichen Zwecken übrig.
Es gehe Ihnen wohl in Ihrer neuen Welt, die von Ihnen nicht ſowol entdeckt als geſchaffen wird.15
Neulich hatte ich Ihnen noch nicht geſchrieben, was meine Heraus- gabe ſehr erſchwert, nämlich die Novemberblindheit meiner Augen, welche nur das Meſſer des Frühlings beſchneiden kann, wozu noch etwas mehr Bedenkliches und ſchwerer zu Heilendes tritt; es iſt eine unvorher- geſehene, mir ganz unbegreifliche, unverſchuldete Bauchwaſſerſucht, die20 mich mit allen Martern einer langſamen Heilung ſtört und aufhält. Möge[n] Ihnen bei keiner Herausgabe von ſämmtlichen Werken ſolche Störungen in den Weg treten.
Jean Paul
511. An Medizinalrat Dr. Kapfer in Nürnberg.
[Kopie][Bayreuth] den 1ten Novemb. 182525
Werthgeſchätzter Herr Medizinalrath!
Leider droht zu meinem Augenübel ein ganz neues, nämlich eine Art Unterleibswaſſerſucht, welche gerade mit Mitteln bekämpft werden mußte, die den Augen ſchädlich waren, z. B. mit bittern. Dadurch, und durch die allgemeine Schwächung der drei letzten Wochen, vermittelſt30 der Witterung, ſank mein rechtes Auge beinahe bis zur Grauheit des linken herab. Brillen ſcheinen eher zu verdunkeln als zu erhellen. Die bella donna ſcheint wenig und kurz zu helfen. Was rathen Sie mir nun, als Augen-Meiſter, zu thun, da in dieſer Jahrszeit und bei den Verhält- niſſen meines Körpers an keine Kur zu denken iſt?35
Ihr ergebenſter ꝛc.
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510. An Cotta.
Baireut den 30ten October 1825
Schon vor einem halben Jahre bot ich Ihnen den Verlag meiner
ſämmtlichen Werke im Vorbeigehn an. Ihr Schweigen ſeit dieſer
Zeit erklärte ſich vielleicht in der ungeheuren Maſſe von wachſenden 5
Verbindungen aller Art. Jetzt wäre nun gerade eine Periode im Publi-
kum, wie Sie am beſten wiſſen, wo man mit Vorliebe die geſammelten
Werke von Lieblingautoren aufſucht. Hiezu kommt aber nun vollends
Ihr Vorſchlag einer Subſkription, welcher ſich auf keine Weiſe mit
der Eile des Geſchäfts und eben ſo wenig mit allen meinen Verhältniſſen 10
vertrüge.
Übrigens läßt uns, lieber Cotta, die Zukunft noch immer hundert
andere Verbindungen zu ähnlichen Zwecken übrig.
Es gehe Ihnen wohl in Ihrer neuen Welt, die von Ihnen nicht
ſowol entdeckt als geſchaffen wird. 15
Neulich hatte ich Ihnen noch nicht geſchrieben, was meine Heraus-
gabe ſehr erſchwert, nämlich die Novemberblindheit meiner Augen,
welche nur das Meſſer des Frühlings beſchneiden kann, wozu noch etwas
mehr Bedenkliches und ſchwerer zu Heilendes tritt; es iſt eine unvorher-
geſehene, mir ganz unbegreifliche, unverſchuldete Bauchwaſſerſucht, die 20
mich mit allen Martern einer langſamen Heilung ſtört und aufhält.
Möge[n] Ihnen bei keiner Herausgabe von ſämmtlichen Werken ſolche
Störungen in den Weg treten.
Jean Paul
511. An Medizinalrat Dr. Kapfer in Nürnberg.
[Bayreuth] den 1ten Novemb. 1825 25
Werthgeſchätzter Herr Medizinalrath!
Leider droht zu meinem Augenübel ein ganz neues, nämlich eine Art
Unterleibswaſſerſucht, welche gerade mit Mitteln bekämpft werden
mußte, die den Augen ſchädlich waren, z. B. mit bittern. Dadurch, und
durch die allgemeine Schwächung der drei letzten Wochen, vermittelſt 30
der Witterung, ſank mein rechtes Auge beinahe bis zur Grauheit des
linken herab. Brillen ſcheinen eher zu verdunkeln als zu erhellen. Die
bella donna ſcheint wenig und kurz zu helfen. Was rathen Sie mir nun,
als Augen-Meiſter, zu thun, da in dieſer Jahrszeit und bei den Verhält-
niſſen meines Körpers an keine Kur zu denken iſt? 35
Ihr ergebenſter ꝛc.
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/309>, abgerufen am 16.02.2025.
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