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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.

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453. An Gottfried Weber in Darmstadt.

Die dankende Antwort auf so gütige Mittheilungen verzögerte
blos ein Paar Augen, von denen das eine gar nicht sieht und das andere
nur mühsam morgens durch eine Brille. Der Weise meines geistigen5
Hervorbringens widersteht alles Diktieren. Die Zeit wird ja wol einmal
optische und ästhetische Kräfte wiederbringen.

Aber statt meiner schick' ich Ihrer Cäcilia einen Plenipotenziar, der
ihr mehr dienen und bringen kann als ich selber. Der untersuchende
Aufsatz ist vom hiesigen Doktor Walther -- der vortreffliche Verfasser10
des Werks über die Phthisis -- der seinen Scharfsinn und seine Natur-
philosophie einem mehrjährigen Studium -- der Tonkunst gewidmet.
Die Originalität seiner Untersuchung mag entscheiden, ob er verdiene,
ins geistreiche Gefolge Ihrer Cäcilia aufgenommen zu werden.

Verzeihen Sie dem Augenkranken Kürze und einstweilen Schweigen.15

Ihr
ergebenster
Jean Paul Fr. Richter
454. An Renate Otto in München.
20

Meine gute Renata! Ob ich gleich im vorigen Jahre auf Ihre Bitte
geschwiegen: so thu' ich doch jetzt selber eine an Sie. Ich schickte Ihnen
Katzenbergers verlangte Badereise nicht, weil sie fast ganz für den
Scherz geschrieben ist und nur einige kleine Aufsätze mehr Ihren
Wünschen und Gefühlen zusagen. -- Übrigens schreib ich jetzt immer25
weniger Briefe, je mehre ich bekomme; Alter und Arbeit legen
Schweigen auf.

Seit unserm letzten Sehen hat mir der Himmel Schmerzen gegeben,
über die ich nicht sprechen kann und die die Zeit nur verdoppelt, nicht
nimmt. -- Kleinere Leiden machen mir meine Augen, wovon das linke30
fast staarblind ist und theilnehmend das rechte nur durch Hohlbrillen mir
zu lesen und zu schreiben erlaubt. Vor 21/2 Wochen schrieb ich daher an
den Salinendirektor von Reichenbach um 8 verschiedne Brillen zur
Auswahl; noch aber schweigt er. Ich bitte Sie nun, Gute, ihn über den
Empfang meiner Bitte und über die Möglichkeit ihrer Erfüllung35

453. An Gottfried Weber in Darmſtadt.

Die dankende Antwort auf ſo gütige Mittheilungen verzögerte
blos ein Paar Augen, von denen das eine gar nicht ſieht und das andere
nur mühſam morgens durch eine Brille. Der Weiſe meines geiſtigen5
Hervorbringens widerſteht alles Diktieren. Die Zeit wird ja wol einmal
optiſche und äſthetiſche Kräfte wiederbringen.

Aber ſtatt meiner ſchick’ ich Ihrer Cäcilia einen Plenipotenziar, der
ihr mehr dienen und bringen kann als ich ſelber. Der unterſuchende
Aufſatz iſt vom hieſigen Doktor Walther — der vortreffliche Verfaſſer10
des Werks über die Phthiſis — der ſeinen Scharfſinn und ſeine Natur-
philoſophie einem mehrjährigen Studium — der Tonkunſt gewidmet.
Die Originalität ſeiner Unterſuchung mag entſcheiden, ob er verdiene,
ins geiſtreiche Gefolge Ihrer Cäcilia aufgenommen zu werden.

Verzeihen Sie dem Augenkranken Kürze und einſtweilen Schweigen.15

Ihr
ergebenſter
Jean Paul Fr. Richter
454. An Renate Otto in München.
20

Meine gute Renata! Ob ich gleich im vorigen Jahre auf Ihre Bitte
geſchwiegen: ſo thu’ ich doch jetzt ſelber eine an Sie. Ich ſchickte Ihnen
Katzenbergers verlangte Badereiſe nicht, weil ſie faſt ganz für den
Scherz geſchrieben iſt und nur einige kleine Aufſätze mehr Ihren
Wünſchen und Gefühlen zuſagen. — Übrigens ſchreib ich jetzt immer25
weniger Briefe, je mehre ich bekomme; Alter und Arbeit legen
Schweigen auf.

Seit unſerm letzten Sehen hat mir der Himmel Schmerzen gegeben,
über die ich nicht ſprechen kann und die die Zeit nur verdoppelt, nicht
nimmt. — Kleinere Leiden machen mir meine Augen, wovon das linke30
faſt ſtaarblind iſt und theilnehmend das rechte nur durch Hohlbrillen mir
zu leſen und zu ſchreiben erlaubt. Vor 2½ Wochen ſchrieb ich daher an
den Salinendirektor von Reichenbach um 8 verſchiedne Brillen zur
Auswahl; noch aber ſchweigt er. Ich bitte Sie nun, Gute, ihn über den
Empfang meiner Bitte und über die Möglichkeit ihrer Erfüllung35

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[268/0280] 453. An Gottfried Weber in Darmſtadt. Baireut d. 11 Okt. 1824 Die dankende Antwort auf ſo gütige Mittheilungen verzögerte blos ein Paar Augen, von denen das eine gar nicht ſieht und das andere nur mühſam morgens durch eine Brille. Der Weiſe meines geiſtigen 5 Hervorbringens widerſteht alles Diktieren. Die Zeit wird ja wol einmal optiſche und äſthetiſche Kräfte wiederbringen. Aber ſtatt meiner ſchick’ ich Ihrer Cäcilia einen Plenipotenziar, der ihr mehr dienen und bringen kann als ich ſelber. Der unterſuchende Aufſatz iſt vom hieſigen Doktor Walther — der vortreffliche Verfaſſer 10 des Werks über die Phthiſis — der ſeinen Scharfſinn und ſeine Natur- philoſophie einem mehrjährigen Studium — der Tonkunſt gewidmet. Die Originalität ſeiner Unterſuchung mag entſcheiden, ob er verdiene, ins geiſtreiche Gefolge Ihrer Cäcilia aufgenommen zu werden. Verzeihen Sie dem Augenkranken Kürze und einſtweilen Schweigen. 15 Ihr ergebenſter Jean Paul Fr. Richter 454. An Renate Otto in München. Baireut d. 13. Okt. 1824 20 Meine gute Renata! Ob ich gleich im vorigen Jahre auf Ihre Bitte geſchwiegen: ſo thu’ ich doch jetzt ſelber eine an Sie. Ich ſchickte Ihnen Katzenbergers verlangte Badereiſe nicht, weil ſie faſt ganz für den Scherz geſchrieben iſt und nur einige kleine Aufſätze mehr Ihren Wünſchen und Gefühlen zuſagen. — Übrigens ſchreib ich jetzt immer 25 weniger Briefe, je mehre ich bekomme; Alter und Arbeit legen Schweigen auf. Seit unſerm letzten Sehen hat mir der Himmel Schmerzen gegeben, über die ich nicht ſprechen kann und die die Zeit nur verdoppelt, nicht nimmt. — Kleinere Leiden machen mir meine Augen, wovon das linke 30 faſt ſtaarblind iſt und theilnehmend das rechte nur durch Hohlbrillen mir zu leſen und zu ſchreiben erlaubt. Vor 2½ Wochen ſchrieb ich daher an den Salinendirektor von Reichenbach um 8 verſchiedne Brillen zur Auswahl; noch aber ſchweigt er. Ich bitte Sie nun, Gute, ihn über den Empfang meiner Bitte und über die Möglichkeit ihrer Erfüllung 35

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:22:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:22:18Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/280>, abgerufen am 22.11.2024.