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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.

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Einsiedlerzellen haben kann. Ihre Güte möcht' ich mir für andere Dinge
aufsparen, z. B. für den Zugang zu Büchersammlungen aus dem Ende
des 17. Jahrhunderts und dem Anfange des 18.

Die heilige "Cäcilia" will ich, sobald und wo ich kann, anzubeten
suchen und der Heiligen ein Votiv-Etwas ins Ohrläppchen zu hängen5
wagen, wenn das Etwas gemacht ist.

Ich freue mich auf Wiedersehen und Wiedergenießen. Ich grüße
dankend Ihre so gütig mich einladende Gattin.

Ihr
ergebenster10
Jean Paul Fr. Richter
428. An Joseph Max in Breslau.

Immer denk' ich bei allem brieflichen Schweigen an Sie mit Liebe
und Wünschen für Sie. Wär' ich nur in jenen schönen Zeiten mit Ihnen15
bekannt gewesen, wo meine Feder noch kein langsam-rückender Datum-
zeiger war! Jetzo muß ich warten wie Sie; und meine Maireise*)35
nach Darmstadt wird vollends das Gehwerk meiner Selina auf
Retarder drehen. Darnach freilich -- nach der Vollendung der letztern
-- ist mein erster Blick und Griff nach meinem großen, schon im Neu-20
jahr-Morgenblatt beschriebnen Lustwerke, welches zugleich -- was
dort nicht gesagt worden -- meine Lebensbeschreibung enthält. --
Und noch immer hab' ich dabei an niemand gedacht, dem ichs nur an-
biete, als an Sie. Aber freilich muß ich warten. Zum Glücke geb ich es
nur in Bändchen, und noch dazu viel leichter und schneller bei dem25
Reichthum und Wechsel der Materien als es bei der Selina möglich
ist. --

Meine Schuld des Schweigens half noch mein Geburttag vermehren,
der mich im[m]er zu Briefen zwingt.

*) Der Mai allein wird diesesmal kein Regen-, sondern ein Wonnemonat30
werden. Für seine drei Nachfolger und folglich für die 3 Ernten, die sie uns bereiten
können -- in Obst, Korn und Wein -- geb ich, wenn die vielen Nachtfröste mit den
3 Blütenzeiten zusammen fallen, nicht viel nach meinen Aequinokzialbeobachtungen.
Ich verwalte nämlich schon seit 30 Jahren das Wetterpropheten-Amt, und werde
weit weniger von mir ausgelacht als etwa von andern.

Einſiedlerzellen haben kann. Ihre Güte möcht’ ich mir für andere Dinge
aufſparen, z. B. für den Zugang zu Bücherſammlungen aus dem Ende
des 17. Jahrhunderts und dem Anfange des 18.

Die heilige „Cäcilia“ will ich, ſobald und wo ich kann, anzubeten
ſuchen und der Heiligen ein Votiv-Etwas ins Ohrläppchen zu hängen5
wagen, wenn das Etwas gemacht iſt.

Ich freue mich auf Wiederſehen und Wiedergenießen. Ich grüße
dankend Ihre ſo gütig mich einladende Gattin.

Ihr
ergebenſter10
Jean Paul Fr. Richter
428. An Joſeph Max in Breslau.

Immer denk’ ich bei allem brieflichen Schweigen an Sie mit Liebe
und Wünſchen für Sie. Wär’ ich nur in jenen ſchönen Zeiten mit Ihnen15
bekannt geweſen, wo meine Feder noch kein langſam-rückender Datum-
zeiger war! Jetzo muß ich warten wie Sie; und meine Maireiſe*)35
nach Darmstadt wird vollends das Gehwerk meiner Selina auf
Rétarder drehen. Darnach freilich — nach der Vollendung der letztern
— iſt mein erſter Blick und Griff nach meinem großen, ſchon im Neu-20
jahr-Morgenblatt beſchriebnen Luſtwerke, welches zugleich — was
dort nicht geſagt worden — meine Lebensbeſchreibung enthält. —
Und noch immer hab’ ich dabei an niemand gedacht, dem ichs nur an-
biete, als an Sie. Aber freilich muß ich warten. Zum Glücke geb ich es
nur in Bändchen, und noch dazu viel leichter und ſchneller bei dem25
Reichthum und Wechſel der Materien als es bei der Selina möglich
iſt. —

Meine Schuld des Schweigens half noch mein Geburttag vermehren,
der mich im[m]er zu Briefen zwingt.

*) Der Mai allein wird dieſesmal kein Regen-, ſondern ein Wonnemonat30
werden. Für ſeine drei Nachfolger und folglich für die 3 Ernten, die ſie uns bereiten
können — in Obſt, Korn und Wein — geb ich, wenn die vielen Nachtfröſte mit den
3 Blütenzeiten zuſammen fallen, nicht viel nach meinen Aequinokzialbeobachtungen.
Ich verwalte nämlich ſchon ſeit 30 Jahren das Wetterpropheten-Amt, und werde
weit weniger von mir ausgelacht als etwa von andern.
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[255/0267] Einſiedlerzellen haben kann. Ihre Güte möcht’ ich mir für andere Dinge aufſparen, z. B. für den Zugang zu Bücherſammlungen aus dem Ende des 17. Jahrhunderts und dem Anfange des 18. Die heilige „Cäcilia“ will ich, ſobald und wo ich kann, anzubeten ſuchen und der Heiligen ein Votiv-Etwas ins Ohrläppchen zu hängen 5 wagen, wenn das Etwas gemacht iſt. Ich freue mich auf Wiederſehen und Wiedergenießen. Ich grüße dankend Ihre ſo gütig mich einladende Gattin. Ihr ergebenſter 10 Jean Paul Fr. Richter 428. An Joſeph Max in Breslau. Baireut d. 17ten Apr. 1824 Immer denk’ ich bei allem brieflichen Schweigen an Sie mit Liebe und Wünſchen für Sie. Wär’ ich nur in jenen ſchönen Zeiten mit Ihnen 15 bekannt geweſen, wo meine Feder noch kein langſam-rückender Datum- zeiger war! Jetzo muß ich warten wie Sie; und meine Maireiſe *) 35 nach Darmstadt wird vollends das Gehwerk meiner Selina auf Rétarder drehen. Darnach freilich — nach der Vollendung der letztern — iſt mein erſter Blick und Griff nach meinem großen, ſchon im Neu- 20 jahr-Morgenblatt beſchriebnen Luſtwerke, welches zugleich — was dort nicht geſagt worden — meine Lebensbeſchreibung enthält. — Und noch immer hab’ ich dabei an niemand gedacht, dem ichs nur an- biete, als an Sie. Aber freilich muß ich warten. Zum Glücke geb ich es nur in Bändchen, und noch dazu viel leichter und ſchneller bei dem 25 Reichthum und Wechſel der Materien als es bei der Selina möglich iſt. — Meine Schuld des Schweigens half noch mein Geburttag vermehren, der mich im[m]er zu Briefen zwingt. *) Der Mai allein wird dieſesmal kein Regen-, ſondern ein Wonnemonat 30 werden. Für ſeine drei Nachfolger und folglich für die 3 Ernten, die ſie uns bereiten können — in Obſt, Korn und Wein — geb ich, wenn die vielen Nachtfröſte mit den 3 Blütenzeiten zuſammen fallen, nicht viel nach meinen Aequinokzialbeobachtungen. Ich verwalte nämlich ſchon ſeit 30 Jahren das Wetterpropheten-Amt, und werde weit weniger von mir ausgelacht als etwa von andern.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:22:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:22:18Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/267>, abgerufen am 22.11.2024.