Ende." Wir könnten recht gut und froh zusammenleben jahrelang, aber ohne daß der eine am andern das kleinste Steinchen verrückte. Er und sie lassen Otto und A[möne] recht grüßen und die Magd thuts auch. Die Kinder gefielen mir. -- Den bairischen Kutscher nehm' ich nur auf kurze Reisen; immer kommt er zu spät an. Um 5 Uhr wollt' er in5 Erlangen sein, und um 71/2 erreichte ers. Dieses verdammte Nacht- Ankommen verurtheilt in die übrig gebliebnen schlechten Zimmer. -- Großen Freuden-Glanz hab' ich bis jetzo nicht erlebt und hoffe auch hier nicht die Hälfte des frühern vor Jahren; eher Unfälle, wozu aber meine erlanger Heldenthat nicht gehört, daß ich in der ersten Nacht10 den Nachttopf so auf den Tisch stellte, daß er herabsprang. Bei meinem Abtritt fehlte wieder der Abtrittschlüssel, damit doch die Zwei da wäre. Mein Alter macht mir das Reisen immer leerer; sogar die schönen Naturtage genießt man -- den Weg abgerechnet -- zu Hause besser. Dr Wilhelmi ist todt. Appetit und Herzklopfen sind stärker. Lasse ja15 alles in nächster Woche machen, weil mir vielleicht ein schnelles Ankommen (der Wirth im Wallfisch hat einen Kutscher für Baireut) einfallen könnte. Aber beziehe ja nicht sogleich das neu geweißte Zimmer. -- Briefe, die keine schnelle Antwort fodern, schicke nicht nach. -- Lasse dem Kanzleibibliothek-Besorger Hacker sagen, daß ich nach20 meiner Heimkehr die entlehnten Bücher zurücksenden würde.
Sonntag Vormittags den 31 Aug.
Gestern hätt ich gern meine Reise zurückgethan und verwünscht. Alles schlägt mir fehl. Die einfallende 14tägige Messe besetzt alle Privat-25 wohnungen trotz aller Nachfrage des Lohnbedienten, Schrags, der wegen Gicht nicht ausgehen kann, und des freundlichen Lechners. Noch hab ich nicht ausgepackt. Gestern Nachmittags gab mir der recht ge- fällige Gastwirth Auernheimer statt meines engen Lochs ohne Kanapee und Kommode (bei meiner Ankunft war nichts weiter übrig) ein viel30 besseres Zimmer, das er mir anfangs [wegen] der 3 Stockwerke nicht anbieten wollte und das ich gestern in der Schwüle bezog. Muß ich im Gasthofe bleiben, so fehlt mir all das schöne Häusliche und -- Wohl- feile. Auch hab' ich niemand zum Rathen und blieb bis jetzo einsam. Da kehr' ich bald um. Doch rechn' ich noch auf den gewöhnlichen35 Sonnenschein nach dem Gasthofs Regen der Ankunft. -- Geheimrath
Ende.“ Wir könnten recht gut und froh zuſammenleben jahrelang, aber ohne daß der eine am andern das kleinſte Steinchen verrückte. Er und ſie laſſen Otto und A[möne] recht grüßen und die Magd thuts auch. Die Kinder gefielen mir. — Den bairiſchen Kutſcher nehm’ ich nur auf kurze Reiſen; immer kommt er zu ſpät an. Um 5 Uhr wollt’ er in5 Erlangen ſein, und um 7½ erreichte ers. Dieſes verdammte Nacht- Ankommen verurtheilt in die übrig gebliebnen ſchlechten Zimmer. — Großen Freuden-Glanz hab’ ich bis jetzo nicht erlebt und hoffe auch hier nicht die Hälfte des frühern vor Jahren; eher Unfälle, wozu aber meine erlanger Heldenthat nicht gehört, daß ich in der erſten Nacht10 den Nachttopf ſo auf den Tiſch ſtellte, daß er herabſprang. Bei meinem Abtritt fehlte wieder der Abtrittſchlüſſel, damit doch die Zwei da wäre. Mein Alter macht mir das Reiſen immer leerer; ſogar die ſchönen Naturtage genießt man — den Weg abgerechnet — zu Hauſe beſſer. Dr Wilhelmi iſt todt. Appetit und Herzklopfen ſind ſtärker. Laſſe ja15 alles in nächſter Woche machen, weil mir vielleicht ein ſchnelles Ankommen (der Wirth im Wallfiſch hat einen Kutſcher für Baireut) einfallen könnte. Aber beziehe ja nicht ſogleich das neu geweißte Zimmer. — Briefe, die keine ſchnelle Antwort fodern, ſchicke nicht nach. — Laſſe dem Kanzleibibliothek-Beſorger Hacker ſagen, daß ich nach20 meiner Heimkehr die entlehnten Bücher zurückſenden würde.
Sonntag Vormittags den 31 Aug.
Geſtern hätt ich gern meine Reiſe zurückgethan und verwünſcht. Alles ſchlägt mir fehl. Die einfallende 14tägige Meſſe beſetzt alle Privat-25 wohnungen trotz aller Nachfrage des Lohnbedienten, Schrags, der wegen Gicht nicht ausgehen kann, und des freundlichen Lechners. Noch hab ich nicht ausgepackt. Geſtern Nachmittags gab mir der recht ge- fällige Gaſtwirth Auernheimer ſtatt meines engen Lochs ohne Kanapée und Kommode (bei meiner Ankunft war nichts weiter übrig) ein viel30 beſſeres Zimmer, das er mir anfangs [wegen] der 3 Stockwerke nicht anbieten wollte und das ich geſtern in der Schwüle bezog. Muß ich im Gaſthofe bleiben, ſo fehlt mir all das ſchöne Häusliche und — Wohl- feile. Auch hab’ ich niemand zum Rathen und blieb bis jetzo einſam. Da kehr’ ich bald um. Doch rechn’ ich noch auf den gewöhnlichen35 Sonnenſchein nach dem Gaſthofs Regen der Ankunft. — Geheimrath
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0242"n="233"/>
Ende.“ Wir könnten recht gut und froh zuſammenleben jahrelang, aber<lb/>
ohne daß der eine am andern das kleinſte Steinchen verrückte. Er und<lb/>ſie laſſen Otto und A[möne] recht grüßen und die Magd thuts auch.<lb/>
Die Kinder gefielen mir. — Den bairiſchen Kutſcher nehm’ ich nur<lb/>
auf kurze Reiſen; immer kommt er zu ſpät an. Um 5 Uhr wollt’ er in<lbn="5"/><hirendition="#aq">Erlangen</hi>ſein, und um 7½ erreichte ers. Dieſes verdammte Nacht-<lb/>
Ankommen verurtheilt in die übrig gebliebnen ſchlechten Zimmer. —<lb/>
Großen Freuden-Glanz hab’ ich bis jetzo nicht erlebt und hoffe auch<lb/>
hier nicht die Hälfte des frühern vor Jahren; eher Unfälle, wozu aber<lb/>
meine erlanger Heldenthat nicht gehört, daß ich in der erſten Nacht<lbn="10"/>
den Nachttopf ſo auf den Tiſch ſtellte, daß er herabſprang. Bei meinem<lb/>
Abtritt fehlte wieder der Abtrittſchlüſſel, damit doch die Zwei da wäre.<lb/>
Mein Alter macht mir das Reiſen immer leerer; ſogar die ſchönen<lb/>
Naturtage genießt man — den Weg abgerechnet — zu Hauſe beſſer.<lb/>
Dr Wilhelmi iſt todt. Appetit und Herzklopfen ſind ſtärker. Laſſe ja<lbn="15"/>
alles in <hirendition="#g">nächſter</hi> Woche machen, weil mir vielleicht ein ſchnelles<lb/>
Ankommen (der Wirth im Wallfiſch hat einen Kutſcher für Baireut)<lb/>
einfallen könnte. <hirendition="#g">Aber beziehe ja nicht ſogleich</hi> das neu geweißte<lb/>
Zimmer. — Briefe, die keine ſchnelle Antwort fodern, ſchicke nicht nach.<lb/>— Laſſe dem Kanzleibibliothek-Beſorger <hirendition="#aq">Hacker</hi>ſagen, daß ich nach<lbn="20"/>
meiner Heimkehr die entlehnten Bücher zurückſenden würde.</p><lb/><divn="2"><dateline><hirendition="#right">Sonntag Vormittags<lb/>
den 31 Aug.</hi></dateline><lb/><p>Geſtern hätt ich gern meine Reiſe zurückgethan und verwünſcht. Alles<lb/>ſchlägt mir fehl. Die einfallende 14tägige Meſſe beſetzt alle Privat-<lbn="25"/>
wohnungen trotz aller Nachfrage des Lohnbedienten, Schrags, der<lb/>
wegen Gicht nicht ausgehen kann, und des freundlichen Lechners. Noch<lb/>
hab ich nicht ausgepackt. Geſtern Nachmittags gab mir der recht ge-<lb/>
fällige Gaſtwirth Auernheimer ſtatt meines engen Lochs ohne Kanapée<lb/>
und Kommode (bei meiner Ankunft war nichts weiter übrig) ein viel<lbn="30"/>
beſſeres Zimmer, das er mir anfangs [wegen] der 3 Stockwerke nicht<lb/>
anbieten wollte und das ich geſtern in der Schwüle bezog. Muß ich im<lb/>
Gaſthofe bleiben, ſo fehlt mir all das ſchöne Häusliche und — Wohl-<lb/>
feile. Auch hab’ ich niemand zum Rathen und blieb bis jetzo einſam.<lb/>
Da kehr’ ich bald um. Doch rechn’ ich noch auf den gewöhnlichen<lbn="35"/>
Sonnenſchein nach dem Gaſthofs Regen der Ankunft. — Geheimrath<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[233/0242]
Ende.“ Wir könnten recht gut und froh zuſammenleben jahrelang, aber
ohne daß der eine am andern das kleinſte Steinchen verrückte. Er und
ſie laſſen Otto und A[möne] recht grüßen und die Magd thuts auch.
Die Kinder gefielen mir. — Den bairiſchen Kutſcher nehm’ ich nur
auf kurze Reiſen; immer kommt er zu ſpät an. Um 5 Uhr wollt’ er in 5
Erlangen ſein, und um 7½ erreichte ers. Dieſes verdammte Nacht-
Ankommen verurtheilt in die übrig gebliebnen ſchlechten Zimmer. —
Großen Freuden-Glanz hab’ ich bis jetzo nicht erlebt und hoffe auch
hier nicht die Hälfte des frühern vor Jahren; eher Unfälle, wozu aber
meine erlanger Heldenthat nicht gehört, daß ich in der erſten Nacht 10
den Nachttopf ſo auf den Tiſch ſtellte, daß er herabſprang. Bei meinem
Abtritt fehlte wieder der Abtrittſchlüſſel, damit doch die Zwei da wäre.
Mein Alter macht mir das Reiſen immer leerer; ſogar die ſchönen
Naturtage genießt man — den Weg abgerechnet — zu Hauſe beſſer.
Dr Wilhelmi iſt todt. Appetit und Herzklopfen ſind ſtärker. Laſſe ja 15
alles in nächſter Woche machen, weil mir vielleicht ein ſchnelles
Ankommen (der Wirth im Wallfiſch hat einen Kutſcher für Baireut)
einfallen könnte. Aber beziehe ja nicht ſogleich das neu geweißte
Zimmer. — Briefe, die keine ſchnelle Antwort fodern, ſchicke nicht nach.
— Laſſe dem Kanzleibibliothek-Beſorger Hacker ſagen, daß ich nach 20
meiner Heimkehr die entlehnten Bücher zurückſenden würde.
Sonntag Vormittags
den 31 Aug.
Geſtern hätt ich gern meine Reiſe zurückgethan und verwünſcht. Alles
ſchlägt mir fehl. Die einfallende 14tägige Meſſe beſetzt alle Privat- 25
wohnungen trotz aller Nachfrage des Lohnbedienten, Schrags, der
wegen Gicht nicht ausgehen kann, und des freundlichen Lechners. Noch
hab ich nicht ausgepackt. Geſtern Nachmittags gab mir der recht ge-
fällige Gaſtwirth Auernheimer ſtatt meines engen Lochs ohne Kanapée
und Kommode (bei meiner Ankunft war nichts weiter übrig) ein viel 30
beſſeres Zimmer, das er mir anfangs [wegen] der 3 Stockwerke nicht
anbieten wollte und das ich geſtern in der Schwüle bezog. Muß ich im
Gaſthofe bleiben, ſo fehlt mir all das ſchöne Häusliche und — Wohl-
feile. Auch hab’ ich niemand zum Rathen und blieb bis jetzo einſam.
Da kehr’ ich bald um. Doch rechn’ ich noch auf den gewöhnlichen 35
Sonnenſchein nach dem Gaſthofs Regen der Ankunft. — Geheimrath
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/242>, abgerufen am 15.08.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.