Unvergeßne Freundin! Mein so langes Schweigen auf eine so große Güte, die meinen Geburttag mit Blumen der Freude und der Dicht- kunst umhing, war blos ein Warten auf die rechte Zeit, wo Sie mir5 (und ich mir) allerlei Reisefragen bequemer beantworten könnten. Eigentlich könnt' ich noch einen Monat warten; denn nach meinen Aequinokzial-Beobachtungen -- die ich hier zur Belehrung für das ganze reisende, spazierende und gartenbauende Dresden beilege -- wird der nächste Monat schlecht. Indeß kann ich Sie doch schon mit Fragen10 plagen, ob im darauf folgenden die Frau v. d. Recke noch in Dresden -- ob ich mein altes Lenzhäuschen und zwar mit Möbeln und Aufwartung wieder haben kann -- ob ich da der Badezeit wegen meine 3 lieben Adel- Dichter (Kalkreuth, Loeben und Malsburg) noch finde. Wie viele Fragen hab' ich gleich einem Philosophen und Politiker noch! Wie15 weit ist mein lieber Tieck hergestellt*), dieser wahre Shakespeare's Seher und lebendige Schlüssel zu diesem alten Zauberpallaste, und der herrliche Baumeister des humoristischen Bedlams in der Novelle?
-- Herzlichen Dank Ihnen und Ihrem Dichter und Gemahl für den Liederkranz ohne Dornen, dessen Pflücken und Flechten ich wahrschein-20 lich zunächst Ihnen beiden verdanke. Danken Sie noch in meinem Namen den Herren Kuhn, Breuer, Hasse und Hell; in Ihrem und meinem zugleich aber Ihrem biedern Gatten.
In einem besondern Absatze sag' ich noch Böttiger Dank, den Krankheit und Gelehrsamkeit nicht abhielten, mit mehr Laune zu25 dichten als andere, die langbeinig darin wettlaufen. --
In einem besondern Absatze sag' ich noch Malsburg Dank, der meinem Herzen als Mensch und Dichter zugleich wohlthut. --
In einem besondern Absatze sag' ich noch den Grafen Kalckreuth und Loeben**) Dank, für welche das vorige Lob sich wiederholt. --30
Und in einem besondern Absatze sag' ich endlich der lieben Therese v. Winkel Dank, die zugleich malt, singt, spielt und dichtet und deren Feinde (worunter ich zum Glücke nicht gehöre) wol verdienen, daß sie der Teufel holt.
*) Zum Glücke hat mir eben das Abendblatt geantwortet. Wird Eslair im35 July noch da sein?
**)Löbens Liedchen ist besonders niedlich.
380. An Luiſe Förſter in Dresden.
Baireut d. 31. Mai 1823
Unvergeßne Freundin! Mein ſo langes Schweigen auf eine ſo große Güte, die meinen Geburttag mit Blumen der Freude und der Dicht- kunſt umhing, war blos ein Warten auf die rechte Zeit, wo Sie mir5 (und ich mir) allerlei Reiſefragen bequemer beantworten könnten. Eigentlich könnt’ ich noch einen Monat warten; denn nach meinen Aequinokzial-Beobachtungen — die ich hier zur Belehrung für das ganze reiſende, ſpazierende und gartenbauende Dresden beilege — wird der nächſte Monat ſchlecht. Indeß kann ich Sie doch ſchon mit Fragen10 plagen, ob im darauf folgenden die Frau v. d. Recke noch in Dresden — ob ich mein altes Lenzhäuschen und zwar mit Möbeln und Aufwartung wieder haben kann — ob ich da der Badezeit wegen meine 3 lieben Adel- Dichter (Kalkreuth, Loeben und Malsburg) noch finde. Wie viele Fragen hab’ ich gleich einem Philoſophen und Politiker noch! Wie15 weit iſt mein lieber Tieck hergeſtellt*), dieſer wahre Shakespeare’s Seher und lebendige Schlüſſel zu dieſem alten Zauberpallaſte, und der herrliche Baumeiſter des humoriſtiſchen Bedlams in der Novelle?
— Herzlichen Dank Ihnen und Ihrem Dichter und Gemahl für den Liederkranz ohne Dornen, deſſen Pflücken und Flechten ich wahrſchein-20 lich zunächſt Ihnen beiden verdanke. Danken Sie noch in meinem Namen den Herren Kuhn, Breuer, Haſſe und Hell; in Ihrem und meinem zugleich aber Ihrem biedern Gatten.
In einem beſondern Abſatze ſag’ ich noch Böttiger Dank, den Krankheit und Gelehrſamkeit nicht abhielten, mit mehr Laune zu25 dichten als andere, die langbeinig darin wettlaufen. —
In einem beſondern Abſatze ſag’ ich noch Malsburg Dank, der meinem Herzen als Menſch und Dichter zugleich wohlthut. —
In einem beſondern Abſatze ſag’ ich noch den Grafen Kalckreuth und Loeben**) Dank, für welche das vorige Lob ſich wiederholt. —30
Und in einem beſondern Abſatze ſag’ ich endlich der lieben Therese v. Winkel Dank, die zugleich malt, ſingt, ſpielt und dichtet und deren Feinde (worunter ich zum Glücke nicht gehöre) wol verdienen, daß ſie der Teufel holt.
*) Zum Glücke hat mir eben das Abendblatt geantwortet. Wird Eslair im35 July noch da ſein?
**)Löbens Liedchen iſt beſonders niedlich.
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Baireut d. 31. Mai 1823
Unvergeßne Freundin! Mein ſo langes Schweigen auf eine ſo große
Güte, die meinen Geburttag mit Blumen der Freude und der Dicht-
kunſt umhing, war blos ein Warten auf die rechte Zeit, wo Sie mir 5
(und ich mir) allerlei Reiſefragen bequemer beantworten könnten.
Eigentlich könnt’ ich noch einen Monat warten; denn nach meinen
Aequinokzial-Beobachtungen — die ich hier zur Belehrung für das
ganze reiſende, ſpazierende und gartenbauende Dresden beilege — wird
der nächſte Monat ſchlecht. Indeß kann ich Sie doch ſchon mit Fragen 10
plagen, ob im darauf folgenden die Frau v. d. Recke noch in Dresden —
ob ich mein altes Lenzhäuschen und zwar mit Möbeln und Aufwartung
wieder haben kann — ob ich da der Badezeit wegen meine 3 lieben Adel-
Dichter (Kalkreuth, Loeben und Malsburg) noch finde. Wie viele
Fragen hab’ ich gleich einem Philoſophen und Politiker noch! Wie 15
weit iſt mein lieber Tieck hergeſtellt *), dieſer wahre Shakespeare’s
Seher und lebendige Schlüſſel zu dieſem alten Zauberpallaſte, und der
herrliche Baumeiſter des humoriſtiſchen Bedlams in der Novelle?
— Herzlichen Dank Ihnen und Ihrem Dichter und Gemahl für den
Liederkranz ohne Dornen, deſſen Pflücken und Flechten ich wahrſchein- 20
lich zunächſt Ihnen beiden verdanke. Danken Sie noch in meinem
Namen den Herren Kuhn, Breuer, Haſſe und Hell; in Ihrem und
meinem zugleich aber Ihrem biedern Gatten.
In einem beſondern Abſatze ſag’ ich noch Böttiger Dank, den
Krankheit und Gelehrſamkeit nicht abhielten, mit mehr Laune zu 25
dichten als andere, die langbeinig darin wettlaufen. —
In einem beſondern Abſatze ſag’ ich noch Malsburg Dank, der meinem
Herzen als Menſch und Dichter zugleich wohlthut. —
In einem beſondern Abſatze ſag’ ich noch den Grafen Kalckreuth
und Loeben **) Dank, für welche das vorige Lob ſich wiederholt. — 30
Und in einem beſondern Abſatze ſag’ ich endlich der lieben Therese
v. Winkel Dank, die zugleich malt, ſingt, ſpielt und dichtet und deren
Feinde (worunter ich zum Glücke nicht gehöre) wol verdienen, daß ſie
der Teufel holt.
*) Zum Glücke hat mir eben das Abendblatt geantwortet. Wird Eslair im 35
July noch da ſein?
**) Löbens Liedchen iſt beſonders niedlich.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/235>, abgerufen am 16.02.2025.
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