Meine Karoline! Dein Donnerstags-Briefchen -- das erst den Sonn- tag vorgestern ankam -- erquickte mich durch dein schönes Leben mit Odilie. Ein solches und so nützliches hätte sie von mir nicht bekom-5 men können; und ich danke Gott für meine Abänderung. Auch du hast doch jetzt eine Art Dresden -- wenn nicht mehr; da ich ohne Kind dort war und ohne Ruhe. -- Ich willige gern in alles ein, was zur Kur ihr an Zeit unentbehrlich ist. Wir müssen also noch mehr Zukunft ab- warten. Nur ist das Reisen in Wintertagen so mißlich. Auch du sorge10 bei der Rückreise mehr und recht für jede Sicherheit, der kurzen Tage wegen; und fahre von Würzburg nicht in Einem Tage nach Bamberg und theile die Reise in ähnlichere Hälften. -- Ich lebe ohne Gesellschaft so still-dumm für mich fort. Emanuel hat mich noch nicht besucht; und ist nach Döhlau. -- Das Bitterwasser wirkt noch immer gut auf meine15 Gesundheit nach und ersetzt vor der Hand den Aderlaß. Bekomm' ich vollends meinen verschriebnen Puchelt: so werd' ich keinen persön- lichen brauchen. -- Komme du mir nur gesund zurück: so wollen wir in diesem Herbste ein froheres Leben gewinnen als ich früher von jenem erwartete. Schreibe mir aber nie das Herz-zerschneidende Wort deiner20 "Entbehrlichkeit". O Gott, was hätt' ich denn im Leben, wenn diese da wäre? Denn ich spreche vom Leben des Gemüths; eine andere ist die körperliche für die Wirthschaft, welche Emma -- freilich nachdem du die Uhr oder Maschine aufgezogen -- gut genug fortführt. E[mma] entbehrt übrigens gar keine geselligen Freuden, vielmehr gewinnt sie25 daran. -- Die Magd ist ordentlich. -- Frage doch nach der rechten Aufgabzeit der Briefposten, damit du mir nicht mit den fahrenden Posten zuschickst. -- Otto und Amöne grüßen dich. -- Die Welden sind voll alter Liebe gegen uns. -- Herze meine theuere Odilie recht in meine Seele hinein. -- Grüße den guten Heine und Auguste und die30 edle Falk. Lebe froh fort, liebes Herz!
Richter
Zuweilen denk' ich bei Od[iliens] Bleichheit an ihre verschluckte Nadel. Sie hat doch nirgend örtlichen Schmerz?
Bringe der Magd etwas mit; und fast wünsch' ich, auch der Schwa-35 bachers Tochter, da man sonst diesen Leuten gar nichts geben kann.
341. An Karoline Richter in Würzburg.
Baireut d. 15. Okt. 1822 [Dienstag]
Meine Karoline! Dein Donnerſtags-Briefchen — das erſt den Sonn- tag 〈vorgeſtern〉 ankam — erquickte mich durch dein ſchönes Leben mit Odilie. Ein ſolches und ſo nützliches hätte ſie von mir nicht bekom-5 men können; und ich danke Gott für meine Abänderung. Auch du haſt doch jetzt eine Art Dresden — wenn nicht mehr; da ich ohne Kind dort war und ohne Ruhe. — Ich willige gern in alles ein, was zur Kur ihr an Zeit unentbehrlich iſt. Wir müſſen alſo noch mehr Zukunft ab- warten. Nur iſt das Reiſen in Wintertagen ſo mißlich. Auch du ſorge10 bei der Rückreiſe mehr und recht für jede Sicherheit, der kurzen Tage wegen; und fahre von Würzburg nicht in Einem Tage nach Bamberg und theile die Reiſe in ähnlichere Hälften. — Ich lebe ohne Geſellſchaft ſo ſtill-dumm für mich fort. Emanuel hat mich noch nicht beſucht; und iſt nach Döhlau. — Das Bitterwaſſer wirkt noch immer gut auf meine15 Geſundheit nach und erſetzt vor der Hand den Aderlaß. Bekomm’ ich vollends meinen verſchriebnen Puchelt: ſo werd’ ich keinen perſön- lichen brauchen. — Komme du mir nur geſund zurück: ſo wollen wir in dieſem Herbſte ein froheres Leben gewinnen als ich früher von jenem erwartete. Schreibe mir aber nie das Herz-zerſchneidende Wort deiner20 „Entbehrlichkeit“. O Gott, was hätt’ ich denn im Leben, wenn dieſe da wäre? Denn ich ſpreche vom Leben des Gemüths; eine andere iſt die körperliche für die Wirthſchaft, welche Emma — freilich nachdem du die Uhr oder Maſchine aufgezogen — gut genug fortführt. E[mma] entbehrt übrigens gar keine geſelligen Freuden, vielmehr gewinnt ſie25 daran. — Die Magd iſt ordentlich. — Frage doch nach der rechten Aufgabzeit der Briefpoſten, damit du mir nicht mit den fahrenden Poſten zuſchickſt. — Otto und Amöne grüßen dich. — Die Welden ſind voll alter Liebe gegen uns. — Herze meine theuere Odilie recht in meine Seele hinein. — Grüße den guten Heine und Auguste und die30 edle Falk. Lebe froh fort, liebes Herz!
Richter
Zuweilen denk’ ich bei Od[iliens] Bleichheit an ihre verſchluckte Nadel. Sie hat doch nirgend örtlichen Schmerz?
Bringe der Magd etwas mit; und faſt wünſch’ ich, auch der Schwa-35 bachers Tochter, da man ſonſt dieſen Leuten gar nichts geben kann.
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341. An Karoline Richter in Würzburg.
Baireut d. 15. Okt. 1822 [Dienstag]
Meine Karoline! Dein Donnerſtags-Briefchen — das erſt den Sonn-
tag 〈vorgeſtern〉 ankam — erquickte mich durch dein ſchönes Leben
mit Odilie. Ein ſolches und ſo nützliches hätte ſie von mir nicht bekom- 5
men können; und ich danke Gott für meine Abänderung. Auch du haſt
doch jetzt eine Art Dresden — wenn nicht mehr; da ich ohne Kind
dort war und ohne Ruhe. — Ich willige gern in alles ein, was zur Kur
ihr an Zeit unentbehrlich iſt. Wir müſſen alſo noch mehr Zukunft ab-
warten. Nur iſt das Reiſen in Wintertagen ſo mißlich. Auch du ſorge 10
bei der Rückreiſe mehr und recht für jede Sicherheit, der kurzen Tage
wegen; und fahre von Würzburg nicht in Einem Tage nach Bamberg
und theile die Reiſe in ähnlichere Hälften. — Ich lebe ohne Geſellſchaft
ſo ſtill-dumm für mich fort. Emanuel hat mich noch nicht beſucht; und
iſt nach Döhlau. — Das Bitterwaſſer wirkt noch immer gut auf meine 15
Geſundheit nach und erſetzt vor der Hand den Aderlaß. Bekomm’ ich
vollends meinen verſchriebnen Puchelt: ſo werd’ ich keinen perſön-
lichen brauchen. — Komme du mir nur geſund zurück: ſo wollen wir in
dieſem Herbſte ein froheres Leben gewinnen als ich früher von jenem
erwartete. Schreibe mir aber nie das Herz-zerſchneidende Wort deiner 20
„Entbehrlichkeit“. O Gott, was hätt’ ich denn im Leben, wenn dieſe
da wäre? Denn ich ſpreche vom Leben des Gemüths; eine andere iſt die
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die Uhr oder Maſchine aufgezogen — gut genug fortführt. E[mma]
entbehrt übrigens gar keine geſelligen Freuden, vielmehr gewinnt ſie 25
daran. — Die Magd iſt ordentlich. — Frage doch nach der rechten
Aufgabzeit der Briefpoſten, damit du mir nicht mit den fahrenden
Poſten zuſchickſt. — Otto und Amöne grüßen dich. — Die Welden
ſind voll alter Liebe gegen uns. — Herze meine theuere Odilie recht in
meine Seele hinein. — Grüße den guten Heine und Auguste und die 30
edle Falk. Lebe froh fort, liebes Herz!
Richter
Zuweilen denk’ ich bei Od[iliens] Bleichheit an ihre verſchluckte
Nadel. Sie hat doch nirgend örtlichen Schmerz?
Bringe der Magd etwas mit; und faſt wünſch’ ich, auch der Schwa- 35
bachers Tochter, da man ſonſt dieſen Leuten gar nichts geben kann.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
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Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/214>, abgerufen am 16.02.2025.
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