voller Geistlicher bei zwei Konfessionen zugleich in Achtung steht. Seine Kunstliebe der Malerei, folglich aller Landschaften führt ihn nach der Schweiz. --
Ich bereu' oft den von mir selber gewählten Verlust von Koblenz und von Ihnen, da mich schwerlich wieder eine Reise in die Nähe dieses5 zweifachen Genußes bringen wird. Meine Bewunderung Ihrer Kräfte wächst sogar mit der Bahn, die Sie zuweilen weit von meinen Über- zeugungen entfernt, wenigstens von meinen religiösen, welche mehr einem Jacobi und Herder nachfolgen. -- Die politische Versündigung an Ihnen ist ein wissenschaftlicher Raub an Deutschland. Aber zum10 Glücke bleiben Sie als Koriolan auch im Ausland unser Römer. -- Da ich Monate lang oder Bände breit mit Ihnen zu sprechen hätte: so will ich auch nicht das kleinste Aussprechen auf einem Blättchen ver- suchen, das nur den Überbringer überbringen und empfehlen und meine hohe Achtung für einen Mann, der aus Männern besteht, ausdrücken15 soll.
Ihr Jean Paul Fr. Richter
327. An Heinrich Voß in Heidelberg.
Baireut d. 17. Aug. 182220
Mein herzlich geliebter Heinrich! Meine Bangigkeit vor deinem Kranksein hat leider Recht gehabt. Leider weiß ich bei allen diesen bloßen Symptonen noch immer den Ort der Giftquelle nicht, wenn es nicht das Pfortadersystem ist. Schreibe mir doch des trefflichen Conradi Urtheil darüber, wiewol ich nichts fürchte als höchstens einen Fieberausbruch. --25 Wie kann ich dir für deine Korrektor-Opfer unter deinem Welt- und Schreibekel genugsam danken? Dieß ist freilich mehr als blos Briefe schreiben, zumal da du auch Transßendent-Korrektor dabei bist. Ich nehme alle deine Vermuthungen und Leihungen als Geschenke an --, hebe aber das Vergleichen für den Abdruck auf.30
Meine Interpunkzion ist die herkömmliche, wie meine Briefe zeigen; aber die Abschreiberin leiht mir ihre; und ich danke dir für die Wieder- erneuerung des Herkömmlichen. -- Das letzte oder 20te Kapitel des Kometen wird dich befriedigen. Ungeachtet dieser dritte Band an und für sich geendigt ist: so häng' ich dem Dreidecker doch einige Boote35 noch an. Schreibe mir deßhalb, wieviele Druckbogen alles Gelieferte
voller Geiſtlicher bei zwei Konfeſſionen zugleich in Achtung ſteht. Seine Kunſtliebe der Malerei, folglich aller Landſchaften führt ihn nach der Schweiz. —
Ich bereu’ oft den von mir ſelber gewählten Verluſt von Koblenz und von Ihnen, da mich ſchwerlich wieder eine Reiſe in die Nähe dieſes5 zweifachen Genußes bringen wird. Meine Bewunderung Ihrer Kräfte wächſt ſogar mit der Bahn, die Sie zuweilen weit von meinen Über- zeugungen entfernt, wenigſtens von meinen religiöſen, welche mehr einem Jacobi und Herder nachfolgen. — Die politiſche Verſündigung an Ihnen iſt ein wiſſenſchaftlicher Raub an Deutſchland. Aber zum10 Glücke bleiben Sie als Koriolan auch im Ausland unſer Römer. — Da ich Monate lang oder Bände breit mit Ihnen zu ſprechen hätte: ſo will ich auch nicht das kleinſte Ausſprechen auf einem Blättchen ver- ſuchen, das nur den Überbringer überbringen und empfehlen und meine hohe Achtung für einen Mann, der aus Männern beſteht, ausdrücken15 ſoll.
Ihr Jean Paul Fr. Richter
327. An Heinrich Voß in Heidelberg.
Baireut d. 17. Aug. 182220
Mein herzlich geliebter Heinrich! Meine Bangigkeit vor deinem Krankſein hat leider Recht gehabt. Leider weiß ich bei allen dieſen bloßen Symptonen noch immer den Ort der Giftquelle nicht, wenn es nicht das Pfortaderſyſtem iſt. Schreibe mir doch des trefflichen Conradi Urtheil darüber, wiewol ich nichts fürchte als höchſtens einen Fieberausbruch. —25 Wie kann ich dir für deine Korrektor-Opfer unter deinem Welt- und Schreibekel genugſam danken? Dieß iſt freilich mehr als blos Briefe ſchreiben, zumal da du auch Transſzendent-Korrektor dabei biſt. Ich nehme alle deine Vermuthungen und Leihungen als Geſchenke an —, hebe aber das Vergleichen für den Abdruck auf.30
Meine Interpunkzion iſt die herkömmliche, wie meine Briefe zeigen; aber die Abſchreiberin leiht mir ihre; und ich danke dir für die Wieder- erneuerung des Herkömmlichen. — Das letzte oder 20te Kapitel des Kometen wird dich befriedigen. Ungeachtet dieſer dritte Band an und für ſich geendigt iſt: ſo häng’ ich dem Dreidecker doch einige Boote35 noch an. Schreibe mir deßhalb, wieviele Druckbogen alles Gelieferte
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0206"n="197"/>
voller Geiſtlicher bei zwei Konfeſſionen zugleich in Achtung ſteht. Seine<lb/>
Kunſtliebe der Malerei, folglich aller Landſchaften führt ihn nach der<lb/>
Schweiz. —</p><lb/><p>Ich bereu’ oft den von mir ſelber gewählten Verluſt von Koblenz<lb/>
und von Ihnen, da mich ſchwerlich wieder eine Reiſe in die Nähe dieſes<lbn="5"/>
zweifachen Genußes bringen wird. Meine Bewunderung Ihrer Kräfte<lb/>
wächſt ſogar mit der Bahn, die Sie zuweilen weit von meinen Über-<lb/>
zeugungen entfernt, wenigſtens von meinen religiöſen, welche mehr<lb/>
einem <hirendition="#aq">Jacobi</hi> und <hirendition="#aq">Herder</hi> nachfolgen. — Die politiſche Verſündigung<lb/>
an Ihnen iſt ein wiſſenſchaftlicher Raub an Deutſchland. Aber zum<lbn="10"/>
Glücke bleiben Sie als Koriolan auch im Ausland <hirendition="#g">unſer</hi> Römer. —<lb/>
Da ich Monate lang oder Bände breit mit Ihnen zu ſprechen hätte:<lb/>ſo will ich auch nicht das kleinſte Ausſprechen auf einem Blättchen ver-<lb/>ſuchen, das nur den Überbringer überbringen und empfehlen und meine<lb/>
hohe Achtung für einen Mann, der aus Männern beſteht, ausdrücken<lbn="15"/>ſoll.</p><lb/><closer><salute><hirendition="#right">Ihr<lb/>
Jean Paul Fr. Richter</hi></salute></closer></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>327. An <hirendition="#g">Heinrich Voß in Heidelberg.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#right"><hirendition="#aq">Baireut</hi> d. 17. Aug. 1822</hi></dateline><lbn="20"/><p>Mein herzlich geliebter Heinrich! Meine Bangigkeit vor deinem<lb/>
Krankſein hat leider Recht gehabt. Leider weiß ich bei allen dieſen bloßen<lb/>
Symptonen noch immer den Ort der Giftquelle nicht, wenn es nicht das<lb/>
Pfortaderſyſtem iſt. Schreibe mir doch des trefflichen <hirendition="#aq">Conradi</hi> Urtheil<lb/>
darüber, wiewol ich nichts fürchte als höchſtens einen Fieberausbruch. —<lbn="25"/>
Wie kann ich dir für deine Korrektor-Opfer unter deinem Welt- und<lb/>
Schreibekel genugſam danken? Dieß iſt freilich mehr als blos Briefe<lb/>ſchreiben, zumal da du auch Transſzendent-Korrektor dabei biſt. Ich<lb/>
nehme alle deine Vermuthungen und Leihungen als Geſchenke an —,<lb/>
hebe aber das Vergleichen für den Abdruck auf.<lbn="30"/></p><p>Meine Interpunkzion iſt die herkömmliche, wie meine Briefe zeigen;<lb/>
aber die Abſchreiberin leiht mir ihre; und ich danke dir für die Wieder-<lb/>
erneuerung des Herkömmlichen. — Das letzte oder 20<hirendition="#sup">te</hi> Kapitel des<lb/>
Kometen wird dich befriedigen. Ungeachtet <hirendition="#g">dieſer</hi> dritte Band an und<lb/>
für ſich geendigt iſt: ſo häng’ ich dem Dreidecker doch einige Boote<lbn="35"/>
noch an. Schreibe mir deßhalb, wieviele Druckbogen alles Gelieferte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[197/0206]
voller Geiſtlicher bei zwei Konfeſſionen zugleich in Achtung ſteht. Seine
Kunſtliebe der Malerei, folglich aller Landſchaften führt ihn nach der
Schweiz. —
Ich bereu’ oft den von mir ſelber gewählten Verluſt von Koblenz
und von Ihnen, da mich ſchwerlich wieder eine Reiſe in die Nähe dieſes 5
zweifachen Genußes bringen wird. Meine Bewunderung Ihrer Kräfte
wächſt ſogar mit der Bahn, die Sie zuweilen weit von meinen Über-
zeugungen entfernt, wenigſtens von meinen religiöſen, welche mehr
einem Jacobi und Herder nachfolgen. — Die politiſche Verſündigung
an Ihnen iſt ein wiſſenſchaftlicher Raub an Deutſchland. Aber zum 10
Glücke bleiben Sie als Koriolan auch im Ausland unſer Römer. —
Da ich Monate lang oder Bände breit mit Ihnen zu ſprechen hätte:
ſo will ich auch nicht das kleinſte Ausſprechen auf einem Blättchen ver-
ſuchen, das nur den Überbringer überbringen und empfehlen und meine
hohe Achtung für einen Mann, der aus Männern beſteht, ausdrücken 15
ſoll.
Ihr
Jean Paul Fr. Richter
327. An Heinrich Voß in Heidelberg.
Baireut d. 17. Aug. 1822 20
Mein herzlich geliebter Heinrich! Meine Bangigkeit vor deinem
Krankſein hat leider Recht gehabt. Leider weiß ich bei allen dieſen bloßen
Symptonen noch immer den Ort der Giftquelle nicht, wenn es nicht das
Pfortaderſyſtem iſt. Schreibe mir doch des trefflichen Conradi Urtheil
darüber, wiewol ich nichts fürchte als höchſtens einen Fieberausbruch. — 25
Wie kann ich dir für deine Korrektor-Opfer unter deinem Welt- und
Schreibekel genugſam danken? Dieß iſt freilich mehr als blos Briefe
ſchreiben, zumal da du auch Transſzendent-Korrektor dabei biſt. Ich
nehme alle deine Vermuthungen und Leihungen als Geſchenke an —,
hebe aber das Vergleichen für den Abdruck auf. 30
Meine Interpunkzion iſt die herkömmliche, wie meine Briefe zeigen;
aber die Abſchreiberin leiht mir ihre; und ich danke dir für die Wieder-
erneuerung des Herkömmlichen. — Das letzte oder 20te Kapitel des
Kometen wird dich befriedigen. Ungeachtet dieſer dritte Band an und
für ſich geendigt iſt: ſo häng’ ich dem Dreidecker doch einige Boote 35
noch an. Schreibe mir deßhalb, wieviele Druckbogen alles Gelieferte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/206>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.