jährige Geisterstunde einer Todten- oder vielmehr Seeligen-Feier. Ich will mir aber hier nicht viel davon zurückrufen, denn ein neuer Todter, mein einziger herrlichster Sohn von 18 Jahren, schwebt vor meiner Seele und sieht, wie sie nie sich hier unten trösten kann über seinen Dahingang. --5
H. Emanuel Osmund, der Ihnen dieses Blättchen übergibt, ist seit 20 Jahren mein Freund, und ich bin seiner. Obgleich ein Jude, ist er doch, wie Johannes, der ja auch einer war, der Jünger der Liebe. Die Kraft und die Milde seines Charakters, der Scharfblick und die Uneigennützigkeit in seinen Geschäften, kurz der volle Mann verdient --10 damit ich mit dem schönsten Lobe aufhöre -- von Ihnen erkannt zu werden.
Leben Sie viel froher als der, der es Ihnen hier wünscht. Mit innigster Hochachtung etc.
219. An Emanuel.15
[Bayreuth, 19. Okt. 1821]
Guten Morgen, mein Emanuel! Hier ist das versprochne Lob etc. -- nebst 3 andern Briefen; es war schon gestern fertig, eigentlich schon vor 20 Jahren.
Da ich heute an Cotta schreibe, soll ich die aufgezeichneten Morgen-20 blätter verlangen?
220. An Cotta.
Baireut d. 19. Okt. 1821
Höchstgeschätzter Herr Hofrath! Ihr Wunsch, meine Kleinigkeiten bei dem Aufhören des Damenkalenders in das Morgenblatt zu geben,25 ist völlig der meinige, zumal da sie für dieses noch mehr passen; und ich bitte Sie, ihn bald zu erfüllen und mir dann auf der fahrenden Post den Abdruck zu senden. Auch ersuch' ich Sie für einen Freund, gegen Be- zahlung mir die beiliegend angezeichneten Morgenblätter gütig zu übermachen. --30
Ist Ihre liebe Gattin, von deren langen Leiden Sie mir das vorige mal geschrieben, wiederhergestellt? -- An fremde erinnern mich jetzo leicht meine eignen; denn im September verlor ich meinen einzigen
jährige Geiſterſtunde einer Todten- oder vielmehr Seeligen-Feier. Ich will mir aber hier nicht viel davon zurückrufen, denn ein neuer Todter, mein einziger herrlichſter Sohn von 18 Jahren, ſchwebt vor meiner Seele und ſieht, wie ſie nie ſich hier unten tröſten kann über ſeinen Dahingang. —5
H. Emanuel Osmund, der Ihnen dieſes Blättchen übergibt, iſt ſeit 20 Jahren mein Freund, und ich bin ſeiner. Obgleich ein Jude, iſt er doch, wie Johannes, der ja auch einer war, der Jünger der Liebe. Die Kraft und die Milde ſeines Charakters, der Scharfblick und die Uneigennützigkeit in ſeinen Geſchäften, kurz der volle Mann verdient —10 damit ich mit dem ſchönſten Lobe aufhöre — von Ihnen erkannt zu werden.
Leben Sie viel froher als der, der es Ihnen hier wünſcht. Mit innigſter Hochachtung ꝛc.
219. An Emanuel.15
[Bayreuth, 19. Okt. 1821]
Guten Morgen, mein Emanuel! Hier iſt das verſprochne Lob ꝛc. — nebſt 3 andern Briefen; es war ſchon geſtern fertig, eigentlich ſchon vor 20 Jahren.
Da ich heute an Cotta ſchreibe, ſoll ich die aufgezeichneten Morgen-20 blätter verlangen?
220. An Cotta.
Baireut d. 19. Okt. 1821
Höchſtgeſchätzter Herr Hofrath! Ihr Wunſch, meine Kleinigkeiten bei dem Aufhören des Damenkalenders in das Morgenblatt zu geben,25 iſt völlig der meinige, zumal da ſie für dieſes noch mehr paſſen; und ich bitte Sie, ihn bald zu erfüllen und mir dann auf der fahrenden Poſt den Abdruck zu ſenden. Auch erſuch’ ich Sie für einen Freund, gegen Be- zahlung mir die beiliegend angezeichneten Morgenblätter gütig zu übermachen. —30
Iſt Ihre liebe Gattin, von deren langen Leiden Sie mir das vorige mal geſchrieben, wiederhergeſtellt? — An fremde erinnern mich jetzo leicht meine eignen; denn im September verlor ich meinen einzigen
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jährige Geiſterſtunde einer Todten- oder vielmehr Seeligen-Feier. Ich
will mir aber hier nicht viel davon zurückrufen, denn ein neuer Todter,
mein einziger herrlichſter Sohn von 18 Jahren, ſchwebt vor meiner
Seele und ſieht, wie ſie nie ſich hier unten tröſten kann über ſeinen
Dahingang. — 5
H. Emanuel Osmund, der Ihnen dieſes Blättchen übergibt, iſt
ſeit 20 Jahren mein Freund, und ich bin ſeiner. Obgleich ein Jude, iſt
er doch, wie Johannes, der ja auch einer war, der Jünger der Liebe.
Die Kraft und die Milde ſeines Charakters, der Scharfblick und die
Uneigennützigkeit in ſeinen Geſchäften, kurz der volle Mann verdient — 10
damit ich mit dem ſchönſten Lobe aufhöre — von Ihnen erkannt zu
werden.
Leben Sie viel froher als der, der es Ihnen hier wünſcht. Mit
innigſter Hochachtung ꝛc.
219. An Emanuel. 15
[Bayreuth, 19. Okt. 1821]
Guten Morgen, mein Emanuel! Hier iſt das verſprochne Lob ꝛc. —
nebſt 3 andern Briefen; es war ſchon geſtern fertig, eigentlich ſchon vor
20 Jahren.
Da ich heute an Cotta ſchreibe, ſoll ich die aufgezeichneten Morgen- 20
blätter verlangen?
220. An Cotta.
Baireut d. 19. Okt. 1821
Höchſtgeſchätzter Herr Hofrath! Ihr Wunſch, meine Kleinigkeiten
bei dem Aufhören des Damenkalenders in das Morgenblatt zu geben, 25
iſt völlig der meinige, zumal da ſie für dieſes noch mehr paſſen; und ich
bitte Sie, ihn bald zu erfüllen und mir dann auf der fahrenden Poſt den
Abdruck zu ſenden. Auch erſuch’ ich Sie für einen Freund, gegen Be-
zahlung mir die beiliegend angezeichneten Morgenblätter gütig zu
übermachen. — 30
Iſt Ihre liebe Gattin, von deren langen Leiden Sie mir das vorige
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/146>, abgerufen am 16.02.2025.
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