habe. Und dann die verwünschten Manuskripte, die 30 mal mehr Mühe des Lesens kosten als Bücher -- ein Trauerspiel aus Pommern -- eines aus Ungarn -- eines aus Berlin -- ein Band Gedichte aus Berlin -- noch ein Heft -- dann ein Roman von daher -- Und das schreibende Volk begehrt gar noch Vorreden und lange Kritiken von mir. Unbedachtsam5 war es daher, mir ein Manuskript, dessen Sendung ich mir sogar vorher verbeten hatte, auf den Hals zu schicken, ob ich gleich das fromme Feuer deiner Freundschaft und Hülfbegierde dabei recht sehr lobe und liebe. Ich bin seit 6 Monaten traurig, daß ich so viele Vorbereitungen -- Plane -- Exzerpten -- Gedanken -- zu lesende und zu schreibende10 Bücher vor mir sehe, wozu 2 Jahrzehende zu klein wären und wozu ich doch vielleicht nur X -- Jahre mehr übrig habe -- Und da soll ich ein Briefschreiber und Geschäftträger an Buchhändler und gar ein Vor- redner werden -- Max, mit einem solchen zweiten Antrage komme nie mehr! Wie gern schrieb' ich recht lange Briefe an dich als Vater und an15 Voß als Freund! -- Die 100 fremden Schreiber in der Welt umher denken aber, man habe doch Zeit genug zu Einem Briefe, nämlich zu Einem für jeden Einen von den 100. -- Eigentlich bin ich nur mit Cotta bekannt; aber dieser schlug mir schon so oft, d. h. allemal den Verlag fremder Manuskripte ab. Wie könnt' ich vollends eine Vorrede zu solchen20 Briefen, zumal über ein noch unbekanntes Kunstwerk machen? -- Ich habe nichts gethan, weil ich nichts thun konnte. Henne's Streben und Charakter acht' ich freudig, ob er gleich mehr jugendliche Selberbewußt- heit hat als er sich nach 20 Jahren wird verzeihen können. -- Auch Emanuel subskribiert auf den Diffiko. Die Schweizer aber sind be-25 sonders sich und ihm die Unterstützung seiner patriotischen Dichtkunst schuldig.
Das Übrige hab' ich im Blättchen an Henne selber gesagt. Die Stelle in seinen Briefen, daß er an 1 Tage 4 bis 500 Verse im Diffiko gemacht, plaudere niemand aus. Zu eben so viel prosaischen Zeilen30 bedürft' ich einer Woche. --
d. 14ten
Voß sieht nun, daß ich das schlechte Wetter richtiger vorausgesehen als die Apostel den jüngsten Tag. Das schöne kommt aber desto ge- wisser im September und Oktober; und dann auch ich zu euch Lieben!35 Meinem Innern und Äußeren ist eine solche Reise, als Wintergegen-
habe. Und dann die verwünſchten Manuſkripte, die 30 mal mehr Mühe des Leſens koſten als Bücher — ein Trauerſpiel aus Pommern — eines aus Ungarn — eines aus Berlin — ein Band Gedichte aus Berlin — noch ein Heft — dann ein Roman von daher — Und das ſchreibende Volk begehrt gar noch Vorreden und lange Kritiken von mir. Unbedachtſam5 war es daher, mir ein Manuſkript, deſſen Sendung ich mir ſogar vorher verbeten hatte, auf den Hals zu ſchicken, ob ich gleich das fromme Feuer deiner Freundſchaft und Hülfbegierde dabei recht ſehr lobe und liebe. Ich bin ſeit 6 Monaten traurig, daß ich ſo viele Vorbereitungen — Plane — Exzerpten — Gedanken — zu leſende und zu ſchreibende10 Bücher vor mir ſehe, wozu 2 Jahrzehende zu klein wären und wozu ich doch vielleicht nur X — Jahre mehr übrig habe — Und da ſoll ich ein Briefſchreiber und Geſchäftträger an Buchhändler und gar ein Vor- redner werden — Max, mit einem ſolchen zweiten Antrage komme nie mehr! Wie gern ſchrieb’ ich recht lange Briefe an dich als Vater und an15 Voß als Freund! — Die 100 fremden Schreiber in der Welt umher denken aber, man habe doch Zeit genug zu Einem Briefe, nämlich zu Einem für jeden Einen von den 100. — Eigentlich bin ich nur mit Cotta bekannt; aber dieſer ſchlug mir ſchon ſo oft, d. h. allemal den Verlag fremder Manuſkripte ab. Wie könnt’ ich vollends eine Vorrede zu ſolchen20 Briefen, zumal über ein noch unbekanntes Kunſtwerk machen? — Ich habe nichts gethan, weil ich nichts thun konnte. Henne’s Streben und Charakter acht’ ich freudig, ob er gleich mehr jugendliche Selberbewußt- heit hat als er ſich nach 20 Jahren wird verzeihen können. — Auch Emanuel ſubſkribiert auf den Diffiko. Die Schweizer aber ſind be-25 ſonders ſich und ihm die Unterſtützung ſeiner patriotiſchen Dichtkunſt ſchuldig.
Das Übrige hab’ ich im Blättchen an Henne ſelber geſagt. Die Stelle in ſeinen Briefen, daß er an 1 Tage 4 bis 500 Verſe im Diffiko gemacht, plaudere niemand aus. Zu eben ſo viel proſaiſchen Zeilen30 bedürft’ ich einer Woche. —
d. 14ten
Voß ſieht nun, daß ich das ſchlechte Wetter richtiger vorausgeſehen als die Apoſtel den jüngſten Tag. Das ſchöne kommt aber deſto ge- wiſſer im September und Oktober; und dann auch ich zu euch Lieben!35 Meinem Innern und Äußeren iſt eine ſolche Reiſe, als Wintergegen-
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des Leſens koſten als Bücher — ein Trauerſpiel aus Pommern — eines
aus Ungarn — eines aus Berlin — ein Band Gedichte aus Berlin — noch
ein Heft — dann ein Roman von daher — Und das ſchreibende Volk
begehrt gar noch Vorreden und lange Kritiken von mir. Unbedachtſam 5
war es daher, mir ein Manuſkript, deſſen Sendung ich mir ſogar vorher
verbeten hatte, auf den Hals zu ſchicken, ob ich gleich das fromme Feuer
deiner Freundſchaft und Hülfbegierde dabei recht ſehr lobe und liebe.
Ich bin ſeit 6 Monaten traurig, daß ich ſo viele Vorbereitungen —
Plane — Exzerpten — Gedanken — zu leſende und zu ſchreibende 10
Bücher vor mir ſehe, wozu 2 Jahrzehende zu klein wären und wozu ich
doch vielleicht nur X — Jahre mehr übrig habe — Und da ſoll ich ein
Briefſchreiber und Geſchäftträger an Buchhändler und gar ein Vor-
redner werden — Max, mit einem ſolchen zweiten Antrage komme nie
mehr! Wie gern ſchrieb’ ich recht lange Briefe an dich als Vater und an 15
Voß als Freund! — Die 100 fremden Schreiber in der Welt umher
denken aber, man habe doch Zeit genug zu Einem Briefe, nämlich zu
Einem für jeden Einen von den 100. — Eigentlich bin ich nur mit Cotta
bekannt; aber dieſer ſchlug mir ſchon ſo oft, d. h. allemal den Verlag
fremder Manuſkripte ab. Wie könnt’ ich vollends eine Vorrede zu ſolchen 20
Briefen, zumal über ein noch unbekanntes Kunſtwerk machen? — Ich
habe nichts gethan, weil ich nichts thun konnte. Henne’s Streben und
Charakter acht’ ich freudig, ob er gleich mehr jugendliche Selberbewußt-
heit hat als er ſich nach 20 Jahren wird verzeihen können. — Auch
Emanuel ſubſkribiert auf den Diffiko. Die Schweizer aber ſind be- 25
ſonders ſich und ihm die Unterſtützung ſeiner patriotiſchen Dichtkunſt
ſchuldig.
Das Übrige hab’ ich im Blättchen an Henne ſelber geſagt. Die
Stelle in ſeinen Briefen, daß er an 1 Tage 4 bis 500 Verſe im Diffiko
gemacht, plaudere niemand aus. Zu eben ſo viel proſaiſchen Zeilen 30
bedürft’ ich einer Woche. —
d. 14ten
Voß ſieht nun, daß ich das ſchlechte Wetter richtiger vorausgeſehen
als die Apoſtel den jüngſten Tag. Das ſchöne kommt aber deſto ge-
wiſſer im September und Oktober; und dann auch ich zu euch Lieben! 35
Meinem Innern und Äußeren iſt eine ſolche Reiſe, als Wintergegen-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/132>, abgerufen am 16.02.2025.
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