der Dichter durchaus nicht ohne seine oder fremde Gefühle gewisse Vor- schläge benutzen im Weglassen des ung; ein Wort z. B. wie Empfind, Hoffe (wie woltönend ist dagegen sogar hope), gnadig, unterthanig etc. erkältet oder verschattet die schönste Rührung... Auch Ihr s statt des s will dem Auge durchaus nicht in den -- Kopf. Verzeihen Sie nach der5 Verzögerung der Antwort noch die leere Flüchtigkeit derselben. Ich wollte ja überhaupt nichts ausdrücken als meine Empfindungen für [Sie]. Möge doch Gott recht lange und recht froh Ihr treues deutsches Herz für uns auf dieser Erde schlagen lassen!
*185. An Ludwig Rellstab in Berlin.10
Baireut d. 11 Jun. 1821 (Abgegangen den 20.)
Schon im Jenner fing ich ein Blättchen an Sie an, und jetzo erst schick' ich eines. Nach den 999 Entschuldigungen meines Aufschubs ist die 1000te die beste, daß ich erst Ende Maies durch meine Wetterprophe-15 zeiungen mich beredet habe, zu Hause zu bleiben -- wenigstens bis Ende Augusts. Sie können also, freundlichster Leser und Briefsteller, mich finden, sobald Sie wollen. Aber um meine Erlaubnis hätten Sie in Ihrem Briefe nicht erst fragen sollen, mir eine Freude zu machen durch Ihre Erscheinung, da Sie zugleich lieben und dichten. -- Aus Ihren mit-20 gesandten Dichtproben erinnere ich mich indeß, da ich sie schon im vorigen Jahre gelesen, nichts als daß mir die, welche dem so schönen "Blüchers Gedächtnis" ähnlich waren, am meisten gefallen.
Verzeihen Sie nur einem, der als Vielschreiber von Büchern auch ein Vielschreiber von Briefen sein muß, das Verspäten der Antwort,25 zumal da dieses doch besser ist als mein häufiges Unterlassen derselben.
Mit Liebe Ihr ergebenster Jean Paul Fr. Richter
186. An Emanuel.30
[Bayreuth, 13. Juni 1821]
Guten Morgen, mein Emanuel! Hier haben Sie wieder einige Grundsätze meiner schwarzen Kunst. Den Topf bitte ich Vormittags zurück, damit ich an die neue Dintenschöpfung gehen kann. -- Ihre
der Dichter durchaus nicht ohne ſeine oder fremde Gefühle gewiſſe Vor- ſchläge benutzen im Weglaſſen des ung; ein Wort z. B. wie Empfind, Hoffe (wie woltönend iſt dagegen ſogar hope), gnadig, unterthanig ꝛc. erkältet oder verſchattet die ſchönſte Rührung... Auch Ihr s ſtatt des ſ will dem Auge durchaus nicht in den — Kopf. Verzeihen Sie nach der5 Verzögerung der Antwort noch die leere Flüchtigkeit derſelben. Ich wollte ja überhaupt nichts ausdrücken als meine Empfindungen für [Sie]. Möge doch Gott recht lange und recht froh Ihr treues deutſches Herz für uns auf dieſer Erde ſchlagen laſſen!
*185. An Ludwig Rellſtab in Berlin.10
Baireut d. 11 Jun. 1821 (Abgegangen den 20.)
Schon im Jenner fing ich ein Blättchen an Sie an, und jetzo erſt ſchick’ ich eines. Nach den 999 Entſchuldigungen meines Aufſchubs iſt die 1000te die beſte, daß ich erſt Ende Maies durch meine Wetterprophe-15 zeiungen mich beredet habe, zu Hauſe zu bleiben — wenigſtens bis Ende Auguſts. Sie können alſo, freundlichſter Leſer und Briefſteller, mich finden, ſobald Sie wollen. Aber um meine Erlaubnis hätten Sie in Ihrem Briefe nicht erſt fragen ſollen, mir eine Freude zu machen durch Ihre Erſcheinung, da Sie zugleich lieben und dichten. — Aus Ihren mit-20 geſandten Dichtproben erinnere ich mich indeß, da ich ſie ſchon im vorigen Jahre geleſen, nichts als daß mir die, welche dem ſo ſchönen „Blüchers Gedächtnis“ ähnlich waren, am meiſten gefallen.
Verzeihen Sie nur einem, der als Vielſchreiber von Büchern auch ein Vielſchreiber von Briefen ſein muß, das Verſpäten der Antwort,25 zumal da dieſes doch beſſer iſt als mein häufiges Unterlaſſen derſelben.
Mit Liebe Ihr ergebenſter Jean Paul Fr. Richter
186. An Emanuel.30
[Bayreuth, 13. Juni 1821]
Guten Morgen, mein Emanuel! Hier haben Sie wieder einige Grundſätze meiner ſchwarzen Kunſt. Den Topf bitte ich Vormittags zurück, damit ich an die neue Dintenſchöpfung gehen kann. — Ihre
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Hoffe (wie woltönend iſt dagegen ſogar hope), gnadig, unterthanig ꝛc.
erkältet oder verſchattet die ſchönſte Rührung... Auch Ihr s ſtatt des ſ
will dem Auge durchaus nicht in den — Kopf. Verzeihen Sie nach der 5
Verzögerung der Antwort noch die leere Flüchtigkeit derſelben. Ich
wollte ja überhaupt nichts ausdrücken als meine Empfindungen für
[Sie]. Möge doch Gott recht lange und recht froh Ihr treues deutſches
Herz für uns auf dieſer Erde ſchlagen laſſen!
*185. An Ludwig Rellſtab in Berlin. 10
Baireut d. 11 Jun. 1821
(Abgegangen den 20.)
Schon im Jenner fing ich ein Blättchen an Sie an, und jetzo erſt
ſchick’ ich eines. Nach den 999 Entſchuldigungen meines Aufſchubs iſt die
1000te die beſte, daß ich erſt Ende Maies durch meine Wetterprophe- 15
zeiungen mich beredet habe, zu Hauſe zu bleiben — wenigſtens bis Ende
Auguſts. Sie können alſo, freundlichſter Leſer und Briefſteller, mich
finden, ſobald Sie wollen. Aber um meine Erlaubnis hätten Sie in
Ihrem Briefe nicht erſt fragen ſollen, mir eine Freude zu machen durch
Ihre Erſcheinung, da Sie zugleich lieben und dichten. — Aus Ihren mit- 20
geſandten Dichtproben erinnere ich mich indeß, da ich ſie ſchon im
vorigen Jahre geleſen, nichts als daß mir die, welche dem ſo ſchönen
„Blüchers Gedächtnis“ ähnlich waren, am meiſten gefallen.
Verzeihen Sie nur einem, der als Vielſchreiber von Büchern auch
ein Vielſchreiber von Briefen ſein muß, das Verſpäten der Antwort, 25
zumal da dieſes doch beſſer iſt als mein häufiges Unterlaſſen derſelben.
Mit Liebe
Ihr ergebenſter
Jean Paul Fr. Richter
186. An Emanuel. 30
[Bayreuth, 13. Juni 1821]
Guten Morgen, mein Emanuel! Hier haben Sie wieder einige
Grundſätze meiner ſchwarzen Kunſt. Den Topf bitte ich Vormittags
zurück, damit ich an die neue Dintenſchöpfung gehen kann. — Ihre
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/125>, abgerufen am 16.02.2025.
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