(von Wolke) zu beantworten habe. Über den Titel und Weg des Jour- nals will ich Ihnen viel sagen, was vielleicht nützen kann. -- O. ist am Ende (so wie Barth) in München einsamer als hier, da er wie dieser und Herder doch eigentlich nur zu Lerchenfeld kommen kann. -- Ich hatte mir eingebildet, längst Maxens Schuld -- denn er schrieb mir sie sogleich5 -- Ihnen bezahlt zu haben durch Abrechnung von den September- wechseln. (Ihre Oktoberzinsen aber haben Sie ohne Abzug meiner Schuld berichtigt.) Findet sich nicht vielleicht in meinen Billets an Sie vom Sept. bis Anfangs Oktobers eine Hindeutung? -- Verzeihen Sie meine Annahme einer obgleich unwahrscheinlichen Möglichkeit, eben10 Ihrer großen Geschäfte wegen. Hat doch Cotta, wie Sie selber gelesen, in einer einzigen Jahrrechnung, 300 fl. vergessen, die er mir gezahlt, und andere 100 ausgelassen, die er mir schuldig gewesen. -- Grüßen Sie morgen den März, der Sie vom Todtenmonat erlöset. Ich habe heute noch nicht den Muth, das Kalenderblatt des Febr. umzuschlagen, da15 ich ihn bis um 12 Uhr immer noch fürchte. -- Gute Nacht, mein guter Emanuel. Und mögen die Eltern so froh und gesund schlafen als ihr Kinderpaar! (Soll man den frohen lieben Kindern das Wachen oder das Schlafen beneiden?)
R.20
152. An Cotta.
Baireut d. 2ten März 1821
Höchstgeschätzter Herr Hofrath, der Advokat -- nämlich der Teufels Advokat -- Müllner veranlaßte nur zum Theil mein Aufgeben des Pförtnerdienstes am Morgenblatt. Ein solcher Neujahraufsatz, der25 immer eine satirische Übersicht und einen dichterisch-ausgesprochnen Glückwunsch enthalten sollte, kostete mir jährlich mehr Zeit; z. B. die Saturnalien wurden vom 15ten Sept. bis 25ten Nov. gemacht. Mit den Planeten war ich fertig; und ein poetischer hoffender Glückwunsch für 1821 war, wie Ihnen die östreichischen Truppen beweisen, nicht wol30 zu machen. Auf der andern Seite vertrieb mich allerdings der Müll- ner[sche] Iltisgeruch aus dem Taubenschlage. Einer unser[er] größten Gelehrten wunderte sich anfangs "wie Müllner so etwas Hämisches habe aufnehmen können", rieth mir aber trotz seines Unwillens jede Antwort ab. Ein anderer berühmter Philolog schrieb mir: "Zudem35 "schlägt die Rezension sich selber. Ich habe über sie Stimmen gehört von
(von Wolke) zu beantworten habe. Über den Titel und Weg des Jour- nals will ich Ihnen viel ſagen, was vielleicht nützen kann. — O. iſt am Ende (ſo wie Barth) in München einſamer als hier, da er wie dieſer und Herder doch eigentlich nur zu Lerchenfeld kommen kann. — Ich hatte mir eingebildet, längſt Maxens Schuld — denn er ſchrieb mir ſie ſogleich5 — Ihnen bezahlt zu haben durch Abrechnung von den September- wechſeln. (Ihre Oktoberzinſen aber haben Sie ohne Abzug meiner Schuld berichtigt.) Findet ſich nicht vielleicht in meinen Billets an Sie vom Sept. bis Anfangs Oktobers eine Hindeutung? — Verzeihen Sie meine Annahme einer obgleich unwahrſcheinlichen Möglichkeit, eben10 Ihrer großen Geſchäfte wegen. Hat doch Cotta, wie Sie ſelber geleſen, in einer einzigen Jahrrechnung, 300 fl. vergeſſen, die er mir gezahlt, und andere 100 ausgelaſſen, die er mir ſchuldig geweſen. — Grüßen Sie morgen den März, der Sie vom Todtenmonat erlöſet. Ich habe heute noch nicht den Muth, das Kalenderblatt des Febr. umzuſchlagen, da15 ich ihn bis um 12 Uhr immer noch fürchte. — Gute Nacht, mein guter Emanuel. Und mögen die Eltern ſo froh und geſund ſchlafen als ihr Kinderpaar! (Soll man den frohen lieben Kindern das Wachen oder das Schlafen beneiden?)
R.20
152. An Cotta.
Baireut d. 2ten März 1821
Höchſtgeſchätzter Herr Hofrath, der Advokat — nämlich der Teufels Advokat — Müllner veranlaßte nur zum Theil mein Aufgeben des Pförtnerdienſtes am Morgenblatt. Ein ſolcher Neujahraufſatz, der25 immer eine ſatiriſche Überſicht und einen dichteriſch-ausgeſprochnen Glückwunſch enthalten ſollte, koſtete mir jährlich mehr Zeit; z. B. die Saturnalien wurden vom 15ten Sept. bis 25ten Nov. gemacht. Mit den Planeten war ich fertig; und ein poetiſcher hoffender Glückwunſch für 1821 war, wie Ihnen die öſtreichiſchen Truppen beweiſen, nicht wol30 zu machen. Auf der andern Seite vertrieb mich allerdings der Müll- ner[sche] Iltisgeruch aus dem Taubenſchlage. Einer unſer[er] größten Gelehrten wunderte ſich anfangs „wie Müllner ſo etwas Hämiſches habe aufnehmen können“, rieth mir aber trotz ſeines Unwillens jede Antwort ab. Ein anderer berühmter Philolog ſchrieb mir: „Zudem35 „ſchlägt die Rezenſion ſich ſelber. Ich habe über ſie Stimmen gehört von
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Ende (ſo wie Barth) in München einſamer als hier, da er wie dieſer und
Herder doch eigentlich nur zu Lerchenfeld kommen kann. — Ich hatte
mir eingebildet, längſt Maxens Schuld — denn er ſchrieb mir ſie ſogleich 5
— Ihnen bezahlt zu haben durch Abrechnung von den September-
wechſeln. (Ihre Oktoberzinſen aber haben Sie ohne Abzug meiner
Schuld berichtigt.) Findet ſich nicht vielleicht in meinen Billets an Sie
vom Sept. bis Anfangs Oktobers eine Hindeutung? — Verzeihen Sie
meine Annahme einer obgleich unwahrſcheinlichen Möglichkeit, eben 10
Ihrer großen Geſchäfte wegen. Hat doch Cotta, wie Sie ſelber geleſen,
in einer einzigen Jahrrechnung, 300 fl. vergeſſen, die er mir gezahlt, und
andere 100 ausgelaſſen, die er mir ſchuldig geweſen. — Grüßen Sie
morgen den März, der Sie vom Todtenmonat erlöſet. Ich habe heute
noch nicht den Muth, das Kalenderblatt des Febr. umzuſchlagen, da 15
ich ihn bis um 12 Uhr immer noch fürchte. — Gute Nacht, mein guter
Emanuel. Und mögen die Eltern ſo froh und geſund ſchlafen als ihr
Kinderpaar! (Soll man den frohen lieben Kindern das Wachen oder das
Schlafen beneiden?)
R. 20
152. An Cotta.
Baireut d. 2ten März 1821
Höchſtgeſchätzter Herr Hofrath, der Advokat — nämlich der Teufels
Advokat — Müllner veranlaßte nur zum Theil mein Aufgeben des
Pförtnerdienſtes am Morgenblatt. Ein ſolcher Neujahraufſatz, der 25
immer eine ſatiriſche Überſicht und einen dichteriſch-ausgeſprochnen
Glückwunſch enthalten ſollte, koſtete mir jährlich mehr Zeit; z. B. die
Saturnalien wurden vom 15ten Sept. bis 25ten Nov. gemacht. Mit
den Planeten war ich fertig; und ein poetiſcher hoffender Glückwunſch
für 1821 war, wie Ihnen die öſtreichiſchen Truppen beweiſen, nicht wol 30
zu machen. Auf der andern Seite vertrieb mich allerdings der Müll-
ner[sche] Iltisgeruch aus dem Taubenſchlage. Einer unſer[er] größten
Gelehrten wunderte ſich anfangs „wie Müllner ſo etwas Hämiſches
habe aufnehmen können“, rieth mir aber trotz ſeines Unwillens jede
Antwort ab. Ein anderer berühmter Philolog ſchrieb mir: „Zudem 35
„ſchlägt die Rezenſion ſich ſelber. Ich habe über ſie Stimmen gehört von
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/106>, abgerufen am 16.02.2025.
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