müssen. -- -- Wagner beschrieb mir seinen neuen Himmel und seine neue Erde in Augsburg. --
[mit roter Tinte:]Ich will doch einmal mit rother Dinte gegen deine so oft getadelte Handschrift angehen, ob du vielleicht nicht auch roth über einen Fehler wirst, der dir jährlich unter den Händen wächst. Die5 elende Hand sogar eines Cotta und Böttiger sind leserlicher; zumal da du immer scharfe Züge machen willst -- und also durch Federschneiden so viel Zeit versäumst als durch Schönschreiben geschähe. Erstlich alle deine Anfangbuchstaben sind willkürlich; Nl statt M, [folgen mehrere Zeilen mit Nachzeichnung fehlerhafter Schreibungen] -- Ich kann10 deine Fehler nicht nachkopieren; kurz deine ll, w, v, e, s, T, M, N, sch, C sind rein falsch. -- Welche bessere Hand schriebst du hier, die nun in Faust und zuletzt in Kralle auswachsen muß. Wie leserlich schreibt der viel schreibende Heinrich V[oß] auch im eiligsten Drängen! -- Hier gibts nun kein Mittel gegen eine Unart, die dir einmal Gönner, Freunde,15 Leser etc. etc. kosten kann, als mein -- noch nie gebrochnes -- Wort, daß ich dir nie antworten werde, wenn du an mich oder an die andern öfter als sieben mal in deiner Handschrift sündigst.
[mit schwarzer Tinte:]Nun lebe wohl, mein theuerster Sohn! Deine Briefe geben mir übrigens reine Freuden und die Sehnsucht, dich20 wieder zu sehen; weil ich dich bei jedem Wiederfinden immer veredelter an das Herz bekomme.
R.
d. 21. Febr.
N. S.
Auf das Erinnern der geliebtesten Mutter, daß ich dich mit meinem25 körperlichen Befundzettel (visum repertum) ängstigen würde, trag' ich hier nach, daß ich eben in diesem Jahre, wo der Allgütige mir die Hell- seherin zur Rettung zusandte, die größten Hoffnungen eines verlängerten, ja langen Lebens gewonnen. Das einzige Blutlassen reichte schon hin, auch ohne ihre trefflichen Rezepte, die ich jedes Jahr fortgebrauchen30 kann. Übrigens bin ich, sobald ich nur schreiben kann, heiter und be- glückt; die Leerheit des gelehrten und geselligen Baireuts bedeckt sich mir mit dem Hoffnung-Grün der Sommerreise, und jede andere Lebens Leerheit sich mit dem Glanze der erwachenden Lenznatur; -- und um mich her hab' ich ja deine beste Mutter zum Lieben und deine Schwe-35 stern -- und über die Gasse hinüber Emanuel.
7 Jean Paul Briefe. VIII.
müſſen. — — Wagner beſchrieb mir ſeinen neuen Himmel und ſeine neue Erde in Augsburg. —
[mit roter Tinte:]Ich will doch einmal mit rother Dinte gegen deine ſo oft getadelte Handſchrift angehen, ob du vielleicht nicht auch roth über einen Fehler wirſt, der dir jährlich unter den Händen wächſt. Die5 elende Hand ſogar eines Cotta und Böttiger ſind leſerlicher; zumal da du immer ſcharfe Züge machen willſt — und alſo durch Federſchneiden ſo viel Zeit verſäumſt als durch Schönſchreiben geſchähe. Erſtlich alle deine Anfangbuchſtaben ſind willkürlich; Nl ſtatt M, [folgen mehrere Zeilen mit Nachzeichnung fehlerhafter Schreibungen] — Ich kann10 deine Fehler nicht nachkopieren; kurz deine ll, w, v, e, ſ, T, M, N, ſch, C ſind rein falſch. — Welche beſſere Hand ſchriebſt du hier, die nun in Fauſt und zuletzt in Kralle auswachſen muß. Wie leſerlich ſchreibt der viel ſchreibende Heinrich V[oß] auch im eiligſten Drängen! — Hier gibts nun kein Mittel gegen eine Unart, die dir einmal Gönner, Freunde,15 Leſer ꝛc. ꝛc. koſten kann, als mein — noch nie gebrochnes — Wort, daß ich dir nie antworten werde, wenn du an mich oder an die andern öfter als ſieben mal in deiner Handſchrift ſündigſt.
[mit schwarzer Tinte:]Nun lebe wohl, mein theuerſter Sohn! Deine Briefe geben mir übrigens reine Freuden und die Sehnſucht, dich20 wieder zu ſehen; weil ich dich bei jedem Wiederfinden immer veredelter an das Herz bekomme.
R.
d. 21. Febr.
N. S.
Auf das Erinnern der geliebteſten Mutter, daß ich dich mit meinem25 körperlichen Befundzettel (visum repertum) ängſtigen würde, trag’ ich hier nach, daß ich eben in dieſem Jahre, wo der Allgütige mir die Hell- ſeherin zur Rettung zuſandte, die größten Hoffnungen eines verlängerten, ja langen Lebens gewonnen. Das einzige Blutlaſſen reichte ſchon hin, auch ohne ihre trefflichen Rezepte, die ich jedes Jahr fortgebrauchen30 kann. Übrigens bin ich, ſobald ich nur ſchreiben kann, heiter und be- glückt; die Leerheit des gelehrten und geſelligen Baireuts bedeckt ſich mir mit dem Hoffnung-Grün der Sommerreiſe, und jede andere Lebens Leerheit ſich mit dem Glanze der erwachenden Lenznatur; — und um mich her hab’ ich ja deine beſte Mutter zum Lieben und deine Schwe-35 ſtern — und über die Gaſſe hinüber Emanuel.
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Ich will doch einmal mit rother Dinte gegen deine
ſo oft getadelte Handſchrift angehen, ob du vielleicht nicht auch roth
über einen Fehler wirſt, der dir jährlich unter den Händen wächſt. Die 5
elende Hand ſogar eines Cotta und Böttiger ſind leſerlicher; zumal da
du immer ſcharfe Züge machen willſt — und alſo durch Federſchneiden ſo
viel Zeit verſäumſt als durch Schönſchreiben geſchähe. Erſtlich alle
deine Anfangbuchſtaben ſind willkürlich; Nl ſtatt M, — Ich kann 10
deine Fehler nicht nachkopieren; kurz deine ll, w, v, e, ſ, T, M, N,
ſch, C ſind rein falſch. — Welche beſſere Hand ſchriebſt du hier, die nun
in Fauſt und zuletzt in Kralle auswachſen muß. Wie leſerlich ſchreibt
der viel ſchreibende Heinrich V[oß] auch im eiligſten Drängen! — Hier
gibts nun kein Mittel gegen eine Unart, die dir einmal Gönner, Freunde, 15
Leſer ꝛc. ꝛc. koſten kann, als mein — noch nie gebrochnes — Wort, daß
ich dir nie antworten werde, wenn du an mich oder an die andern öfter
als ſieben mal in deiner Handſchrift ſündigſt.
Nun lebe wohl, mein theuerſter Sohn!
Deine Briefe geben mir übrigens reine Freuden und die Sehnſucht, dich 20
wieder zu ſehen; weil ich dich bei jedem Wiederfinden immer veredelter
an das Herz bekomme.
R.
d. 21. Febr.
N. S.
Auf das Erinnern der geliebteſten Mutter, daß ich dich mit meinem 25
körperlichen Befundzettel (visum repertum) ängſtigen würde, trag’ ich
hier nach, daß ich eben in dieſem Jahre, wo der Allgütige mir die Hell-
ſeherin zur Rettung zuſandte, die größten Hoffnungen eines verlängerten,
ja langen Lebens gewonnen. Das einzige Blutlaſſen reichte ſchon hin,
auch ohne ihre trefflichen Rezepte, die ich jedes Jahr fortgebrauchen 30
kann. Übrigens bin ich, ſobald ich nur ſchreiben kann, heiter und be-
glückt; die Leerheit des gelehrten und geſelligen Baireuts bedeckt ſich
mir mit dem Hoffnung-Grün der Sommerreiſe, und jede andere Lebens
Leerheit ſich mit dem Glanze der erwachenden Lenznatur; — und um
mich her hab’ ich ja deine beſte Mutter zum Lieben und deine Schwe- 35
ſtern — und über die Gaſſe hinüber Emanuel.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/103>, abgerufen am 16.02.2025.
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