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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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heimliche Häuslichkeit sah ich noch in keiner Stube von Adel. Auch
waren wir alle seelig, besonders der Fürst und die Eltern, und ich
war ein alter ausgedienter Pudel, ders auf seinem Stuhle gut hatte.
-- Blos da wurde Thee mit Rack und nachher wahrer (Erz-)Bischoff
gegeben. Abendessen und Thees wie bei uns sind hier ungewöhnlich.5
Goerz gibt um 7--8 den Männern kahlen Thee, keinen Tropfen und
Bissen weiter; nach 8 sah ich den Zug von Spielern und noch
mehren Spielerinnen kommen, welche außer Karten und Stühlen
nichts erhalten.

Allerdings werfen alle diese Gestalten und Sachen auch ihre10
kurzen und langen Schatten; diese will ich aber nicht auf diesem
Post-Papier auffangen, sondern in Emanuels Stube. -- Das erste-
mal ausgenommen, komm' ich immerfort in Stiefeln; (sogar bei
der Taxis sah ich einige Stiefel). Ihr seht, zu welcher Kühnheit ein
Welden einen an sich stillen Mann wie ich bildet; man sagt zu sich:15
"wagtest du einmal, zweimal bei dem Kommissarius eines ganzen
Kreises gestiefelt aufzutreten, warum nicht noch mehr bei bloßen
Fürsten und Gesandten?"

Ich wollte, der hiesige Gelehrtenstand wäre bedeutender. -- Die
Gassen sind hier so breit, daß in einer, welche die breite heißt, eine20
Kutsche nicht eher umkehren kann, als bis sie in eine andere gefahren
ist. -- Nie war ich so gemäßigt im Sprechen (wenige Sprüche aus-
genommen) als hier; -- Oertel ist mein Zeuge und Wächter; und
im Trinken bin ichs vollends zum Verwundern. -- Den 4. September
reis' ich ab; das schöne Herbstwetter weiß ich so gewiß voraus, als25
ich Montags in Baireuth sagte: erst Donnerstags donnerts in
Regensburg. Gerade die Güte des Fürsten kürzet mein Bleiben um
eine Woche ab. -- Sie, mein lieber Emanuel, hätten also wol noch
Zeit -- und Stoff noch mehr -- mir hieher etwas zu schreiben.
Auch du, Otto, solltest mir wenigstens in einem Billet antworten,30
wenn ich zurück bin. Verzeiht also die wahrhafte Schmiererei der
Eile; man könnte sich bald verderben und verwöhnen, wenn man
öfter so fliegend schriebe ohne Flug. Lebt recht froh, meine guten
Menschen!35

Richter
6 Jean Paul Briefe. VII.

heimliche Häuslichkeit ſah ich noch in keiner Stube von Adel. Auch
waren wir alle ſeelig, beſonders der Fürſt und die Eltern, und ich
war ein alter ausgedienter Pudel, ders auf ſeinem Stuhle gut hatte.
— Blos da wurde Thee mit Rack und nachher wahrer (Erz-)Biſchoff
gegeben. Abendeſſen und Thees wie bei uns ſind hier ungewöhnlich.5
Goerz gibt um 7—8 den Männern kahlen Thee, keinen Tropfen und
Biſſen weiter; nach 8 ſah ich den Zug von Spielern und noch
mehren Spielerinnen kommen, welche außer Karten und Stühlen
nichts erhalten.

Allerdings werfen alle dieſe Geſtalten und Sachen auch ihre10
kurzen und langen Schatten; dieſe will ich aber nicht auf dieſem
Poſt-Papier auffangen, ſondern in Emanuels Stube. — Das erſte-
mal ausgenommen, komm’ ich immerfort in Stiefeln; (ſogar bei
der Taxis ſah ich einige Stiefel). Ihr ſeht, zu welcher Kühnheit ein
Welden einen an ſich ſtillen Mann wie ich bildet; man ſagt zu ſich:15
„wagteſt du einmal, zweimal bei dem Kommiſſarius eines ganzen
Kreiſes geſtiefelt aufzutreten, warum nicht noch mehr bei bloßen
Fürſten und Geſandten?“

Ich wollte, der hieſige Gelehrtenſtand wäre bedeutender. — Die
Gaſſen ſind hier ſo breit, daß in einer, welche die breite heißt, eine20
Kutſche nicht eher umkehren kann, als bis ſie in eine andere gefahren
iſt. — Nie war ich ſo gemäßigt im Sprechen (wenige Sprüche aus-
genommen) als hier; — Oertel iſt mein Zeuge und Wächter; und
im Trinken bin ichs vollends zum Verwundern. — Den 4. September
reiſ’ ich ab; das ſchöne Herbſtwetter weiß ich ſo gewiß voraus, als25
ich Montags in Baireuth ſagte: erſt Donnerſtags donnerts in
Regensburg. Gerade die Güte des Fürſten kürzet mein Bleiben um
eine Woche ab. — Sie, mein lieber Emanuel, hätten alſo wol noch
Zeit — und Stoff noch mehr — mir hieher etwas zu ſchreiben.
Auch du, Otto, ſollteſt mir wenigſtens in einem Billet antworten,30
wenn ich zurück bin. Verzeiht alſo die wahrhafte Schmiererei der
Eile; man könnte ſich bald verderben und verwöhnen, wenn man
öfter ſo fliegend ſchriebe ohne Flug. Lebt recht froh, meine guten
Menſchen!35

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[81/0086] heimliche Häuslichkeit ſah ich noch in keiner Stube von Adel. Auch waren wir alle ſeelig, beſonders der Fürſt und die Eltern, und ich war ein alter ausgedienter Pudel, ders auf ſeinem Stuhle gut hatte. — Blos da wurde Thee mit Rack und nachher wahrer (Erz-)Biſchoff gegeben. Abendeſſen und Thees wie bei uns ſind hier ungewöhnlich. 5 Goerz gibt um 7—8 den Männern kahlen Thee, keinen Tropfen und Biſſen weiter; nach 8 ſah ich den Zug von Spielern und noch mehren Spielerinnen kommen, welche außer Karten und Stühlen nichts erhalten. Allerdings werfen alle dieſe Geſtalten und Sachen auch ihre 10 kurzen und langen Schatten; dieſe will ich aber nicht auf dieſem Poſt-Papier auffangen, ſondern in Emanuels Stube. — Das erſte- mal ausgenommen, komm’ ich immerfort in Stiefeln; (ſogar bei der Taxis ſah ich einige Stiefel). Ihr ſeht, zu welcher Kühnheit ein Welden einen an ſich ſtillen Mann wie ich bildet; man ſagt zu ſich: 15 „wagteſt du einmal, zweimal bei dem Kommiſſarius eines ganzen Kreiſes geſtiefelt aufzutreten, warum nicht noch mehr bei bloßen Fürſten und Geſandten?“ Ich wollte, der hieſige Gelehrtenſtand wäre bedeutender. — Die Gaſſen ſind hier ſo breit, daß in einer, welche die breite heißt, eine 20 Kutſche nicht eher umkehren kann, als bis ſie in eine andere gefahren iſt. — Nie war ich ſo gemäßigt im Sprechen (wenige Sprüche aus- genommen) als hier; — Oertel iſt mein Zeuge und Wächter; und im Trinken bin ichs vollends zum Verwundern. — Den 4. September reiſ’ ich ab; das ſchöne Herbſtwetter weiß ich ſo gewiß voraus, als 25 ich Montags in Baireuth ſagte: erſt Donnerſtags donnerts in Regensburg. Gerade die Güte des Fürſten kürzet mein Bleiben um eine Woche ab. — Sie, mein lieber Emanuel, hätten alſo wol noch Zeit — und Stoff noch mehr — mir hieher etwas zu ſchreiben. Auch du, Otto, ſollteſt mir wenigſtens in einem Billet antworten, 30 wenn ich zurück bin. Verzeiht alſo die wahrhafte Schmiererei der Eile; man könnte ſich bald verderben und verwöhnen, wenn man öfter ſo fliegend ſchriebe ohne Flug. Lebt recht froh, meine guten Menſchen! 35 Richter 6 Jean Paul Briefe. VII.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/86>, abgerufen am 24.11.2024.