aber, lieber Cotta, verzeihen Sie mir nur dieses mal eine unerwar- tete Vergrößerung; sie kommt ohnehin in meinem jetzigen Autor- leben so leicht nicht vor; und bei einer 4ten Herbstblumine noch weniger, da ich schwerlich mehr eine geben kann aus Mangel an -- Leben. Das verfluchte Sammeln oder Neuauflegen meiner Werke5 (wie bei Siebenkäs und Hesperus) frißt mir so viel Zeit ab, und ich habe doch so viel Neues zu geben -- 10 Bände wenigstens --, daß ich ordentlich mit Grausen an opera omnia denke.
Ich weiß nicht, ob Sie jetzo schon die Aufsätze des Morgenblattes und Taschenkalenders berechnen lassen: -- in diesem Falle bäte ich10 Sie um das Honorar --; aber im andern ersuch' ich Sie, mir 300 fl. auf Frankfurt (im Allgemeinen) anzuweisen.
Ein besonderes Neujahr wünsch' ich Ihrer lieben Gattin, die mir gewiß halb so gut ist -- wenn nicht mehr -- als ich ihr; und Ihrem Sohne, den ich seines Lobes wegen von Voß und Wangenheim15 gern möchte gesehen haben; und dem Hausvater selber und zwar nach dem veralteten alternden Jahre kein erneuertes, sondern ein ganz neues.
Ihr Jean Paul Fr. Richter
20
611. An Karoline Richter in Berlin.
Baireut d. 22ten Dec. 1819 [Mittwoch]
Meine geliebte Karoline! Während Emma mir gegenüber spielt: bericht ich dir, daß deine am Sonnabend abgegangne Kiste so wie der Brief des Dienstags beide am Sonnabend d. 18ten angekommen.25 Die Kinder haben so wenig errathen und ich habe so künstlich durch einander gelogen, daß sie bis diese Minute nicht gewiß wissen, ob ich von Heidelberg (z. B. das Stückchen gegebenes Marzipan) oder von Stuttgart oder von der Donauer (der ja schreibe und danke) etwas erhalten, z. B. den schlechten Magd-Cattun. Von30 letztem zeigt' ich ihnen ein Stückchen, um die Magd ausforschen zu lassen; diese und die Kinder erklärten ihn für einen erbärmlich- veralteten mode-feindseligen, den man folglich noch weniger der Pathe Caroline ohne Verbrechen der beleidigten weiblichen Majestät anbieten dürfe; doch wollen die Kinder gern ihn als Schürze todt-35
aber, lieber Cotta, verzeihen Sie mir nur dieſes mal eine unerwar- tete Vergrößerung; ſie kommt ohnehin in meinem jetzigen Autor- leben ſo leicht nicht vor; und bei einer 4ten Herbſtblumine noch weniger, da ich ſchwerlich mehr eine geben kann aus Mangel an — Leben. Das verfluchte Sammeln oder Neuauflegen meiner Werke5 (wie bei Siebenkäs und Hesperus) frißt mir ſo viel Zeit ab, und ich habe doch ſo viel Neues zu geben — 10 Bände wenigſtens —, daß ich ordentlich mit Grauſen an opera omnia denke.
Ich weiß nicht, ob Sie jetzo ſchon die Aufſätze des Morgenblattes und Taſchenkalenders berechnen laſſen: — in dieſem Falle bäte ich10 Sie um das Honorar —; aber im andern erſuch’ ich Sie, mir 300 fl. auf Frankfurt (im Allgemeinen) anzuweiſen.
Ein beſonderes Neujahr wünſch’ ich Ihrer lieben Gattin, die mir gewiß halb ſo gut iſt — wenn nicht mehr — als ich ihr; und Ihrem Sohne, den ich ſeines Lobes wegen von Voß und Wangenheim15 gern möchte geſehen haben; und dem Hausvater ſelber und zwar nach dem veralteten 〈alternden〉 Jahre kein erneuertes, ſondern ein ganz neues.
Ihr Jean Paul Fr. Richter
20
611. An Karoline Richter in Berlin.
Baireut d. 22ten Dec. 1819 [Mittwoch]
Meine geliebte Karoline! Während Emma mir gegenüber ſpielt: bericht ich dir, daß deine am Sonnabend abgegangne Kiſte ſo wie der Brief des Dienſtags beide am Sonnabend d. 18ten angekommen.25 Die Kinder haben ſo wenig errathen und ich habe ſo künſtlich durch einander gelogen, daß ſie bis dieſe Minute nicht gewiß wiſſen, ob ich von Heidelberg (z. B. das Stückchen gegebenes Marzipan) oder von Stuttgart oder von der Donauer (der ja ſchreibe und danke) etwas erhalten, z. B. den ſchlechten Magd-Cattun. Von30 letztem zeigt’ ich ihnen ein Stückchen, um die Magd ausforſchen zu laſſen; dieſe und die Kinder erklärten ihn für einen erbärmlich- veralteten mode-feindſeligen, den man folglich noch weniger der Pathe Caroline ohne Verbrechen der beleidigten weiblichen Majeſtät anbieten dürfe; doch wollen die Kinder gern ihn als Schürze todt-35
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aber, lieber Cotta, verzeihen Sie mir nur dieſes mal eine unerwar-
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weniger, da ich ſchwerlich mehr eine geben kann aus Mangel an
— Leben. Das verfluchte Sammeln oder Neuauflegen meiner Werke 5
(wie bei Siebenkäs und Hesperus) frißt mir ſo viel Zeit ab, und
ich habe doch ſo viel Neues zu geben — 10 Bände wenigſtens —,
daß ich ordentlich mit Grauſen an opera omnia denke.
Ich weiß nicht, ob Sie jetzo ſchon die Aufſätze des Morgenblattes
und Taſchenkalenders berechnen laſſen: — in dieſem Falle bäte ich 10
Sie um das Honorar —; aber im andern erſuch’ ich Sie, mir 300 fl.
auf Frankfurt (im Allgemeinen) anzuweiſen.
Ein beſonderes Neujahr wünſch’ ich Ihrer lieben Gattin, die mir
gewiß halb ſo gut iſt — wenn nicht mehr — als ich ihr; und Ihrem
Sohne, den ich ſeines Lobes wegen von Voß und Wangenheim 15
gern möchte geſehen haben; und dem Hausvater ſelber und zwar
nach dem veralteten 〈alternden〉 Jahre kein erneuertes, ſondern
ein ganz neues.
Ihr
Jean Paul Fr. Richter 20
611. An Karoline Richter in Berlin.
Baireut d. 22ten Dec. 1819 [Mittwoch]
Meine geliebte Karoline! Während Emma mir gegenüber ſpielt:
bericht ich dir, daß deine am Sonnabend abgegangne Kiſte ſo wie
der Brief des Dienſtags beide am Sonnabend d. 18ten angekommen. 25
Die Kinder haben ſo wenig errathen und ich habe ſo künſtlich durch
einander gelogen, daß ſie bis dieſe Minute nicht gewiß wiſſen, ob
ich von Heidelberg (z. B. das Stückchen gegebenes Marzipan)
oder von Stuttgart oder von der Donauer (der ja ſchreibe und
danke) etwas erhalten, z. B. den ſchlechten Magd-Cattun. Von 30
letztem zeigt’ ich ihnen ein Stückchen, um die Magd ausforſchen
zu laſſen; dieſe und die Kinder erklärten ihn für einen erbärmlich-
veralteten mode-feindſeligen, den man folglich noch weniger der
Pathe Caroline ohne Verbrechen der beleidigten weiblichen Majeſtät
anbieten dürfe; doch wollen die Kinder gern ihn als Schürze todt- 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/336>, abgerufen am 16.07.2024.
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