genheit, indeß kommt er doch bei dir so gewis an als dein Greisen- alter. -- Grüße, grüße alle deine und meine Geliebten und Liebenden, Vater und Mutter zu allererst! Nehm' ich mehr Papier: so nehm' ich mir mehr Zeit und du, mein ewig geliebter Heinrich, wartest dann länger.5
J. P.
603. An Karoline Richter in Berlin.
Baireut d. 3ten Dec. 1819
Meine geliebte Karoline! Deine 2 Briefe sind angekommen und haben die erste Angst verjagt. Ich sehnte mich nach dir nicht eher als10 bis du -- die Thüre zugemacht, nach deinen so herzlichen Worten des Abschieds. Der ganze Tag und jede Kälte quälte mich, weil ich dich in deiner Einsamkeit unter dem freien Himmel dachte. Die rechte Ruhe hab' ich erst jetzt, da ich dich bei deiner Schwester und unter lauter Freunden weiß, welche dein ewiges Aufopfern mäßigen werden.15 Meine Geliebte, sogar dieß mußte mich bewegen, daß du am arbeit- vollen Tage vor deiner Abreise noch Kaffee für die Zurückge- bliebnen gebrannt. Kinder spüren doch den Schmerz der Entfernung nicht so wie Gatten -- dieß seh' ich. Emma und Odilie finden leichtern Ersatz als ich; zumal da ichs ihnen froher ergehen lasse20 als sonst. Aber dir, meine gute Seele, muß ich für etwas danken, was ich vorher kaum zur Hälfte voraussetzte, daß du nämlich unsre Emma zu einer wackern Hausfrau ausgebildet. Ihr Kochen und Kaufen -- ihre Besonnenheit -- ihre strenge Aufsicht über die immer vergessende, obgleich doch nicht verschlimmerte Magd -- sogar ihr25 Ordnunggeist in Schlüsseln und überall -- dieß ist dein Werk, du Gute; und ich bin nun nicht mehr über ihre Zukunft bekümmert. Ihr bisheriger Schein des Gegentheils entstand aber blos daher, weil sie nicht die Ehre und Macht der ganzen Besorgung gehabt; sondern nur theilweise und spielend mitwirken konnte. Sie und30 Odilie leben freundlich, obgleich Odilie nicht in den glücklichen Fall geräth, ähnliche Verdienste zu erwerben*). Das Übrige des Haus-
*) ob sie gleich, zumal bei zufälliger doppelter Abwesenheit der Magd und Emma[s] unentbehrlich ist.
genheit, indeß kommt er doch bei dir ſo gewis an als dein Greiſen- alter. — Grüße, grüße alle deine und meine Geliebten und Liebenden, Vater und Mutter zu allererſt! Nehm’ ich mehr Papier: ſo nehm’ ich mir mehr Zeit und du, mein ewig geliebter Heinrich, warteſt dann länger.5
J. P.
603. An Karoline Richter in Berlin.
Baireut d. 3ten Dec. 1819
Meine geliebte Karoline! Deine 2 Briefe ſind angekommen und haben die erſte Angſt verjagt. Ich ſehnte mich nach dir nicht eher als10 bis du — die Thüre zugemacht, nach deinen ſo herzlichen Worten des Abſchieds. Der ganze Tag und jede Kälte quälte mich, weil ich dich in deiner Einſamkeit unter dem freien Himmel dachte. Die rechte Ruhe hab’ ich erſt jetzt, da ich dich bei deiner Schweſter und unter lauter Freunden weiß, welche dein ewiges Aufopfern mäßigen werden.15 Meine Geliebte, ſogar dieß mußte mich bewegen, daß du am arbeit- vollen Tage vor deiner Abreiſe noch Kaffée für die Zurückge- bliebnen gebrannt. Kinder ſpüren doch den Schmerz der Entfernung nicht ſo wie Gatten — dieß ſeh’ ich. Emma und Odilie finden leichtern Erſatz als ich; zumal da ichs ihnen froher ergehen laſſe20 als ſonſt. Aber dir, meine gute Seele, muß ich für etwas danken, was ich vorher kaum zur Hälfte vorausſetzte, daß du nämlich unſre Emma zu einer wackern Hausfrau ausgebildet. Ihr Kochen und Kaufen — ihre Beſonnenheit — ihre ſtrenge Aufſicht über die immer vergeſſende, obgleich doch nicht verſchlimmerte Magd — ſogar ihr25 Ordnunggeiſt in Schlüſſeln und überall — dieß iſt dein Werk, du Gute; und ich bin nun nicht mehr über ihre Zukunft bekümmert. Ihr bisheriger Schein des Gegentheils entſtand aber blos daher, weil ſie nicht die Ehre und Macht der ganzen Beſorgung gehabt; ſondern nur theilweiſe und ſpielend mitwirken konnte. Sie und30 Odilie leben freundlich, obgleich Odilie nicht in den glücklichen Fall geräth, ähnliche Verdienſte zu erwerben*). Das Übrige des Haus-
*) ob ſie gleich, zumal bei zufälliger doppelter Abweſenheit der Magd und Emma[s] unentbehrlich iſt.
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genheit, indeß kommt er doch bei dir ſo gewis an als dein Greiſen-
alter. — Grüße, grüße alle deine und meine Geliebten und Liebenden,
Vater und Mutter zu allererſt! Nehm’ ich mehr Papier: ſo nehm’
ich mir mehr Zeit und du, mein ewig geliebter Heinrich, warteſt
dann länger. 5
J. P.
603. An Karoline Richter in Berlin.
Baireut d. 3ten Dec. 1819
Meine geliebte Karoline! Deine 2 Briefe ſind angekommen und
haben die erſte Angſt verjagt. Ich ſehnte mich nach dir nicht eher als 10
bis du — die Thüre zugemacht, nach deinen ſo herzlichen Worten des
Abſchieds. Der ganze Tag und jede Kälte quälte mich, weil ich dich
in deiner Einſamkeit unter dem freien Himmel dachte. Die rechte
Ruhe hab’ ich erſt jetzt, da ich dich bei deiner Schweſter und unter
lauter Freunden weiß, welche dein ewiges Aufopfern mäßigen werden. 15
Meine Geliebte, ſogar dieß mußte mich bewegen, daß du am arbeit-
vollen Tage vor deiner Abreiſe noch Kaffée für die Zurückge-
bliebnen gebrannt. Kinder ſpüren doch den Schmerz der Entfernung
nicht ſo wie Gatten — dieß ſeh’ ich. Emma und Odilie finden
leichtern Erſatz als ich; zumal da ichs ihnen froher ergehen laſſe 20
als ſonſt. Aber dir, meine gute Seele, muß ich für etwas danken,
was ich vorher kaum zur Hälfte vorausſetzte, daß du nämlich unſre
Emma zu einer wackern Hausfrau ausgebildet. Ihr Kochen und
Kaufen — ihre Beſonnenheit — ihre ſtrenge Aufſicht über die immer
vergeſſende, obgleich doch nicht verſchlimmerte Magd — ſogar ihr 25
Ordnunggeiſt in Schlüſſeln und überall — dieß iſt dein Werk,
du Gute; und ich bin nun nicht mehr über ihre Zukunft bekümmert.
Ihr bisheriger Schein des Gegentheils entſtand aber blos daher,
weil ſie nicht die Ehre und Macht der ganzen Beſorgung gehabt;
ſondern nur theilweiſe und ſpielend mitwirken konnte. Sie und 30
Odilie leben freundlich, obgleich Odilie nicht in den glücklichen Fall
geräth, ähnliche Verdienſte zu erwerben *). Das Übrige des Haus-
*) ob ſie gleich, zumal bei zufälliger doppelter Abweſenheit der Magd und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/330>, abgerufen am 16.07.2024.
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