Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.die Dame, die er fange, küssen müsse, ein Gesetz, das niemand hielt als *) ist nach den neuesten Nachrichten des Vormittags nicht mehr zu verbürgen.
die Dame, die er fange, küſſen müſſe, ein Geſetz, das niemand hielt als *) iſt nach den neueſten Nachrichten des Vormittags nicht mehr zu verbürgen.
<TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0308" n="298"/> die Dame, die er fange, küſſen müſſe, ein Geſetz, das niemand hielt als<lb/> ich allein. Ich fing viel. Endlich erfaßte ich auch die Herzogin Mutter<lb/> ſelber. Als das Tuch herab war, macht’ ich natürlich nichts weiter<lb/> als eine der ehrerbietigſten Verbeugungen, erhielt aber dafür zum<lb/> Lohne von ihr einen Kuß auf die Stirne. Ich wollte, allen Männern<lb n="5"/> in der Welt würde nie etwas ſchlimmeres auf die Stirn geſetzt. Als<lb/> ſie ſpäter wieder an das erinnerte, was ſie gegeben: verſetzte ich<lb/> ſehr artig: dieß ſei ein Diamant, einem armen Haushalten geſchenkt,<lb/> geweſen, das nicht wiſſe was es damit anfangen ſolle. — <hi rendition="#aq">Firks</hi> iſt<lb/> nicht Reiſe-, ſondern Kreismarſchall eines kurländiſchen Kreiſes<lb n="10"/> und Mitglied der Organiſazionkommiſſion zur Aufhebung der<lb/> Leibeigenſchaft; ein kräftiger, freundlicher, ausgebildeter Charakter<lb/> von 36 Jahren. — Nie bekam mir ein Saal- und Gaſtleben beſſer;<lb/> jedoch bin ich in allen Genüſſen ein Mäßigkeit-Muſter; ſo ſcheid<lb/> ich oft mitten in der Luſt, z. B. geſtern abends, 1½ Stunde früher<lb n="15"/> ab. — Aus den Männern hier hab’ ich noch wenig geſchöpft.<lb/><hi rendition="#aq">Marheinecke,</hi> der ein halber Weiberregent hier iſt und welcher<lb/> der <hi rendition="#aq">Chassepot</hi> und der Hohenzoll. Fürſtin am ſtärkſten, dann der<lb/><hi rendition="#aq">Reck, Piatoli</hi> und <hi rendition="#aq">Dorothea</hi> ungemein gefällt und imponiert, mir<lb/> aber ſehr wenig wegen ſeiner unſchicklichen Sprach-Wendungen und<lb n="20"/> ſeiner wahren innern Oberflächlichkeit, hat eine Gegenpartei, wozu<lb/> die <hi rendition="#aq">Ende,</hi> die Herzogin von Sagan und noch einige gehören. Er<lb/> hat vorgeſtern der <hi rendition="#aq">Ende</hi> nicht nur kränkende, ſondern auch krank-<lb/> machende Beleidigungen geſagt; und ſchon ſeit mehr als 30 Stunden<lb/> wüthet der Krieg mit allen ſeinen Übeln fort; und noch iſt nicht ab-<lb n="25"/> zuſehen — in keinem Kabinette —, wie er endigen werde. Der guten<lb/><hi rendition="#aq">Dorothea</hi> bleibt er noch verſchwiegen<note place="foot" n="*)">iſt nach den neueſten Nachrichten des Vormittags nicht mehr zu verbürgen.</note>. Die eigentlichen Kriegs-<lb/> berichte erwarte aber erſt an unſerer Abend-Tafel, wenn ich von<lb/><hi rendition="#aq">Rehreni</hi> zurück bin. Der ganze offne Krieg in den Kammern hindert<lb/> indeß nicht im Geringſten den Frieden in den Sälen und Luſt und<lb n="30"/> Liebe herrſchen allgemein. — Auf jedes Früh- und Nachtſtück freu’<lb/> ich mich, weil jedes anders iſt und keine Nacht-Unterhaltung der<lb/> andern ähnlich. — — Jeden Mittag und noch gewiſſer jeden Abend<lb/> iſt das Töchterdrei hier. — Johanna (die italieniſche) hat mir heute<lb/> eine Roſe gebracht und angeſteckt. —<lb n="35"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [298/0308]
die Dame, die er fange, küſſen müſſe, ein Geſetz, das niemand hielt als
ich allein. Ich fing viel. Endlich erfaßte ich auch die Herzogin Mutter
ſelber. Als das Tuch herab war, macht’ ich natürlich nichts weiter
als eine der ehrerbietigſten Verbeugungen, erhielt aber dafür zum
Lohne von ihr einen Kuß auf die Stirne. Ich wollte, allen Männern 5
in der Welt würde nie etwas ſchlimmeres auf die Stirn geſetzt. Als
ſie ſpäter wieder an das erinnerte, was ſie gegeben: verſetzte ich
ſehr artig: dieß ſei ein Diamant, einem armen Haushalten geſchenkt,
geweſen, das nicht wiſſe was es damit anfangen ſolle. — Firks iſt
nicht Reiſe-, ſondern Kreismarſchall eines kurländiſchen Kreiſes 10
und Mitglied der Organiſazionkommiſſion zur Aufhebung der
Leibeigenſchaft; ein kräftiger, freundlicher, ausgebildeter Charakter
von 36 Jahren. — Nie bekam mir ein Saal- und Gaſtleben beſſer;
jedoch bin ich in allen Genüſſen ein Mäßigkeit-Muſter; ſo ſcheid
ich oft mitten in der Luſt, z. B. geſtern abends, 1½ Stunde früher 15
ab. — Aus den Männern hier hab’ ich noch wenig geſchöpft.
Marheinecke, der ein halber Weiberregent hier iſt und welcher
der Chassepot und der Hohenzoll. Fürſtin am ſtärkſten, dann der
Reck, Piatoli und Dorothea ungemein gefällt und imponiert, mir
aber ſehr wenig wegen ſeiner unſchicklichen Sprach-Wendungen und 20
ſeiner wahren innern Oberflächlichkeit, hat eine Gegenpartei, wozu
die Ende, die Herzogin von Sagan und noch einige gehören. Er
hat vorgeſtern der Ende nicht nur kränkende, ſondern auch krank-
machende Beleidigungen geſagt; und ſchon ſeit mehr als 30 Stunden
wüthet der Krieg mit allen ſeinen Übeln fort; und noch iſt nicht ab- 25
zuſehen — in keinem Kabinette —, wie er endigen werde. Der guten
Dorothea bleibt er noch verſchwiegen *). Die eigentlichen Kriegs-
berichte erwarte aber erſt an unſerer Abend-Tafel, wenn ich von
Rehreni zurück bin. Der ganze offne Krieg in den Kammern hindert
indeß nicht im Geringſten den Frieden in den Sälen und Luſt und 30
Liebe herrſchen allgemein. — Auf jedes Früh- und Nachtſtück freu’
ich mich, weil jedes anders iſt und keine Nacht-Unterhaltung der
andern ähnlich. — — Jeden Mittag und noch gewiſſer jeden Abend
iſt das Töchterdrei hier. — Johanna (die italieniſche) hat mir heute
eine Roſe gebracht und angeſteckt. — 35
*) iſt nach den neueſten Nachrichten des Vormittags nicht mehr zu verbürgen.
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(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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