1 Frau unter dem hiesigen Dache. -- Schreibe mir daher bestimmt den Tag des Empfangs meines Briefes und den des Abgangs von deinem: damit ich alles wegen des langen Hin- und Herschreibens berechnen kann für die Bestellung des Kutschers. Denn die herrliche Frau kann unmöglich an einen hin und her gehenden Extrapostwagen5 denken. -- Mir wartet niemand besonders auf als der Bediente der Ende und die Bettmacherin; höchstens bringt mir einer das Bier, das vierfaches heißt und stärker als das baireuter ist. Frage nur Otto, wie viel ich zu geben habe und ob dem so genannten Kastellan etwas. Von Hof bis Löbigau hab ich so viel ausgegeben wie von10 meiner Stube bis in den Garten. -- Grüße Otto und Emanuel von mir und Tiedge, der ihnen sein Testament, nämlich die 6te Auflage der Urania durch mich zusenden will. -- Die Seidenhosen liegen noch trefflich eingepackt und bleibens. -- Um 10 Uhr muß der Brief fort und ich habe dir noch das Wenigste gesagt. Man sieht sich hier --15 wenigstens ich, da ich mir am Vormittag etwas ersparen will -- fast nur in allgemeiner Menge, obwol in Gruppen, und dieß dauert von 12 Uhr bis 12 Uhr, wiewol ich mir doch ein Paar Stunden dazwischen herausschneide. Das Abendessen nach 6 Uhr halb bei Tage halb bei Lichtern an der übervollen Tafel (denn es wird20 meistens noch eine Nebentafel beigeschoben) hat etwas Roman- tisches und mir ist bisher alles, sogar das Bettgehen um 12 Uhr, gut bekommen. Gestern war der Abend himmlisch, mit Tönen gefüllt -- ein Violin- und ein großer Klavierspieler -- die singende Herzogin die Tochter mit einer NN und endlich ein Loblied auf die Herzogin25 die Mutter, das wir alle sangen, wiewol ich von mir selber nichts hörte. -- Ein lieblicheres, mehr italienisches, heiteres Landgut kann ich mir nicht vorbilden als das in Tannefeld. Gäbe nur Gott einen bessern Himmel! -- Gelesen hab' ich noch wenig, gearbeitet noch nichts. -- Wenn der September sich nicht morgen ändert: so kommt30 ein früher Winter und dann der Teufel und seine Großmutter. Ich will daher noch ein Bischen froh sein. Grüße alle meine lieben Kinderlein und Odilie soll ja ihren Vater liebhaben und mit dir zu seiner Freude französisch sprechen. Schreibe recht viel und bald, du liebe liebe Seele! Könnt' ich nur dieses Leben mit dir theilen, du35 solltest das größte Stück bekommen.
R.
1 Frau unter dem hieſigen Dache. — Schreibe mir daher beſtimmt den Tag des Empfangs meines Briefes und den des Abgangs von deinem: damit ich alles wegen des langen Hin- und Herſchreibens berechnen kann für die Beſtellung des Kutſchers. Denn die herrliche Frau kann unmöglich an einen hin und her gehenden Extrapoſtwagen5 denken. — Mir wartet niemand beſonders auf als der Bediente der Ende und die Bettmacherin; höchſtens bringt mir einer das Bier, das vierfaches heißt und ſtärker als das baireuter iſt. Frage nur Otto, wie viel ich zu geben habe und ob dem ſo genannten Kaſtellan etwas. Von Hof bis Löbigau hab ich ſo viel ausgegeben wie von10 meiner Stube bis in den Garten. — Grüße Otto und Emanuel von mir und Tiedge, der ihnen ſein Teſtament, nämlich die 6te Auflage der Urania durch mich zuſenden will. — Die Seidenhoſen liegen noch trefflich eingepackt und bleibens. — Um 10 Uhr muß der Brief fort und ich habe dir noch das Wenigſte geſagt. Man ſieht ſich hier —15 wenigſtens ich, da ich mir am Vormittag etwas erſparen will — faſt nur in allgemeiner Menge, obwol in Gruppen, und dieß dauert von 12 Uhr bis 12 Uhr, wiewol ich mir doch ein Paar Stunden dazwiſchen herausſchneide. Das Abendeſſen nach 6 Uhr halb bei Tage halb bei Lichtern an der übervollen Tafel (denn es wird20 meiſtens noch eine Nebentafel beigeſchoben) hat etwas Roman- tiſches und mir iſt bisher alles, ſogar das Bettgehen um 12 Uhr, gut bekommen. Geſtern war der Abend himmliſch, mit Tönen gefüllt — ein Violin- und ein großer Klavierſpieler — die ſingende Herzogin 〈die Tochter〉 mit einer NN und endlich ein Loblied auf die Herzogin25 〈die Mutter〉, das wir alle ſangen, wiewol ich von mir ſelber nichts hörte. — Ein lieblicheres, mehr italieniſches, heiteres Landgut kann ich mir nicht vorbilden als das in Tannefeld. Gäbe nur Gott einen beſſern Himmel! — Geleſen hab’ ich noch wenig, gearbeitet noch nichts. — Wenn der September ſich nicht morgen ändert: ſo kommt30 ein früher Winter und dann der Teufel und ſeine Großmutter. Ich will daher noch ein Bischen froh ſein. Grüße alle meine lieben Kinderlein und Odilie ſoll ja ihren Vater liebhaben und mit dir zu ſeiner Freude franzöſiſch ſprechen. Schreibe recht viel und bald, du liebe liebe Seele! Könnt’ ich nur dieſes Leben mit dir theilen, du35 ſollteſt das größte Stück bekommen.
R.
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1 Frau unter dem hieſigen Dache. — Schreibe mir daher beſtimmt
den Tag des Empfangs meines Briefes und den des Abgangs von
deinem: damit ich alles wegen des langen Hin- und Herſchreibens
berechnen kann für die Beſtellung des Kutſchers. Denn die herrliche
Frau kann unmöglich an einen hin und her gehenden Extrapoſtwagen 5
denken. — Mir wartet niemand beſonders auf als der Bediente der
Ende und die Bettmacherin; höchſtens bringt mir einer das Bier,
das vierfaches heißt und ſtärker als das baireuter iſt. Frage nur
Otto, wie viel ich zu geben habe und ob dem ſo genannten Kaſtellan
etwas. Von Hof bis Löbigau hab ich ſo viel ausgegeben wie von 10
meiner Stube bis in den Garten. — Grüße Otto und Emanuel
von mir und Tiedge, der ihnen ſein Teſtament, nämlich die 6te Auflage
der Urania durch mich zuſenden will. — Die Seidenhoſen liegen noch
trefflich eingepackt und bleibens. — Um 10 Uhr muß der Brief fort
und ich habe dir noch das Wenigſte geſagt. Man ſieht ſich hier — 15
wenigſtens ich, da ich mir am Vormittag etwas erſparen will —
faſt nur in allgemeiner Menge, obwol in Gruppen, und dieß dauert
von 12 Uhr bis 12 Uhr, wiewol ich mir doch ein Paar Stunden
dazwiſchen herausſchneide. Das Abendeſſen nach 6 Uhr halb bei
Tage halb bei Lichtern an der übervollen Tafel (denn es wird 20
meiſtens noch eine Nebentafel beigeſchoben) hat etwas Roman-
tiſches und mir iſt bisher alles, ſogar das Bettgehen um 12 Uhr, gut
bekommen. Geſtern war der Abend himmliſch, mit Tönen gefüllt
— ein Violin- und ein großer Klavierſpieler — die ſingende Herzogin
〈die Tochter〉 mit einer NN und endlich ein Loblied auf die Herzogin 25
〈die Mutter〉, das wir alle ſangen, wiewol ich von mir ſelber nichts
hörte. — Ein lieblicheres, mehr italieniſches, heiteres Landgut kann
ich mir nicht vorbilden als das in Tannefeld. Gäbe nur Gott einen
beſſern Himmel! — Geleſen hab’ ich noch wenig, gearbeitet noch
nichts. — Wenn der September ſich nicht morgen ändert: ſo kommt 30
ein früher Winter und dann der Teufel und ſeine Großmutter. Ich
will daher noch ein Bischen froh ſein. Grüße alle meine lieben
Kinderlein und Odilie ſoll ja ihren Vater liebhaben und mit dir zu
ſeiner Freude franzöſiſch ſprechen. Schreibe recht viel und bald, du
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ſollteſt das größte Stück bekommen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/305>, abgerufen am 23.11.2024.
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