So komme und fahre denn alles durcheinander! -- Stuttgart wurde mir je länger, je lieber. Die guten Menschen da können nichts für die Nässe und die Gluth, die mir und ihnen so vieles verdarben. Den alten Hartmann sammt Frau und schönen Mädchen kann ich gar nicht genug loben und lieben; und seine Tochter sammt Mann5 (Reinbeck) nahmen vor Liebe 2 mal Abschied von mir, wiewol beide vorher noch etwas Innigeres für mich gezeigt, daß sie mich nämlich zum unterschreibenden Mitzeugen ihres Testaments gewählt bestellt. So gehörte man auf einmal in Haus und Herz. -- Von Matthisson wollen wir nicht viel reden, zumal da ers selber nicht10 thut; Gott geb' ihm neue Gaben; inzwischen ist er überall und doch blos schwach. -- Einer Weisserschen Abendeinladung hab' ich, von Haug gequält, mich bequemt, aber der zweiten nicht, ob er gleich in Einem fort mich um mich her verehrt und noch dazu aufrichtig und noch dazu mit mir (das Höhere der Anschauung ausgenommen)15 ziemlich harmonisch spricht; aber mit seinem Affengesicht könnte mich nur eine Kanonenkugel aussöhnen, die 2/3 davon ausgestrichen hätte. Es gibt wirklich Häßlichkeiten, welche keine Gewohnheit übertünchen oder übermalen kann. --
d. 4ten20
Der Herzog Wilhelm ist leicht geschildert als ein Mann voll handelnder Arzeneikunde, Physik und Menschenliebe; aber die Frau! Sie lebt und wohnt bettet sich auf den weichen Blütenspitzen der Phantasie und fällt daher immer herunter -- der wahre Unbestand in allem, zumal in Freude und Trauer -- sie bekannte mir alle ihre25 Fehler und deren Quellen, (was aber zu nichts fruchtet) und sagte, Matthisson sei ihr zum Rathen nicht kräftig genug. Mich gewann sie sehr lieb, ich mußte ihr aber zuletzt doch einige Besuche abschlagen. Sie wird mir schreiben. -- Himmel! wie schön und groß sind die Stuttgarter Mädchenaugen! Die Hartmann bat mir einen gan-30 zen weiblichen Augen Thee zusammen. --
d. 5ten
Eben donnerts. So wirds den ganzen Monat dauern*), aber immer mit Übergewicht schöner Tage. -- Schreibe mir doch Ansang
*) so wie das Himmeleinheizen, wogegen du blos recht viel Wasser als den35 stärksten Wärmeableiter durch Verdunsten, in deine Stube zu spritzen hast.
So komme und fahre denn alles durcheinander! — Stuttgart wurde mir je länger, je lieber. Die guten Menſchen da können nichts für die Näſſe und die Gluth, die mir und ihnen ſo vieles verdarben. Den alten Hartmann ſammt Frau und ſchönen Mädchen kann ich gar nicht genug loben und lieben; und ſeine Tochter ſammt Mann5 (Reinbeck) nahmen vor Liebe 2 mal Abſchied von mir, wiewol beide vorher noch etwas Innigeres für mich gezeigt, daß ſie mich nämlich zum unterſchreibenden Mitzeugen ihres Teſtaments gewählt 〈beſtellt〉. So gehörte man auf einmal in Haus und Herz. — Von Matthiſſon wollen wir nicht viel reden, zumal da ers ſelber nicht10 thut; Gott geb’ ihm neue Gaben; inzwiſchen iſt er überall und doch blos ſchwach. — Einer Weiſſerſchen Abendeinladung hab’ ich, von Haug gequält, mich bequemt, aber der zweiten nicht, ob er gleich in Einem fort mich um mich her verehrt und noch dazu aufrichtig und noch dazu mit mir (das Höhere der Anſchauung ausgenommen)15 ziemlich harmoniſch ſpricht; aber mit ſeinem Affengeſicht könnte mich nur eine Kanonenkugel ausſöhnen, die ⅔ davon ausgeſtrichen hätte. Es gibt wirklich Häßlichkeiten, welche keine Gewohnheit übertünchen oder übermalen kann. —
d. 4ten20
Der Herzog Wilhelm iſt leicht geſchildert als ein Mann voll handelnder Arzeneikunde, Phyſik und Menſchenliebe; aber die Frau! Sie lebt und wohnt 〈bettet ſich〉 auf den weichen Blütenſpitzen der Phantaſie und fällt daher immer herunter — der wahre Unbeſtand in allem, zumal in Freude und Trauer — ſie bekannte mir alle ihre25 Fehler und deren Quellen, (was aber zu nichts fruchtet) und ſagte, Matthiſſon ſei ihr zum Rathen nicht kräftig genug. Mich gewann ſie ſehr lieb, ich mußte ihr aber zuletzt doch einige Beſuche abſchlagen. Sie wird mir ſchreiben. — Himmel! wie ſchön und groß ſind die Stuttgarter Mädchenaugen! Die Hartmann bat mir einen gan-30 zen weiblichen Augen Thée zuſammen. —
d. 5ten
Eben donnerts. So wirds den ganzen Monat dauern*), aber immer mit Übergewicht ſchöner Tage. — Schreibe mir doch Anſang
*) ſo wie das Himmeleinheizen, wogegen du blos recht viel Waſſer als den35 ſtärkſten Wärmeableiter durch Verdunſten, in deine Stube zu ſpritzen haſt.
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So komme und fahre denn alles durcheinander! — Stuttgart
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für die Näſſe und die Gluth, die mir und ihnen ſo vieles verdarben.
Den alten Hartmann ſammt Frau und ſchönen Mädchen kann ich
gar nicht genug loben und lieben; und ſeine Tochter ſammt Mann 5
(Reinbeck) nahmen vor Liebe 2 mal Abſchied von mir, wiewol beide
vorher noch etwas Innigeres für mich gezeigt, daß ſie mich nämlich
zum unterſchreibenden Mitzeugen ihres Teſtaments gewählt
〈beſtellt〉. So gehörte man auf einmal in Haus und Herz. — Von
Matthiſſon wollen wir nicht viel reden, zumal da ers ſelber nicht 10
thut; Gott geb’ ihm neue Gaben; inzwiſchen iſt er überall und doch
blos ſchwach. — Einer Weiſſerſchen Abendeinladung hab’ ich, von
Haug gequält, mich bequemt, aber der zweiten nicht, ob er gleich
in Einem fort mich um mich her verehrt und noch dazu aufrichtig
und noch dazu mit mir (das Höhere der Anſchauung ausgenommen) 15
ziemlich harmoniſch ſpricht; aber mit ſeinem Affengeſicht könnte
mich nur eine Kanonenkugel ausſöhnen, die ⅔ davon ausgeſtrichen
hätte. Es gibt wirklich Häßlichkeiten, welche keine Gewohnheit
übertünchen oder übermalen kann. —
d. 4ten 20
Der Herzog Wilhelm iſt leicht geſchildert als ein Mann voll
handelnder Arzeneikunde, Phyſik und Menſchenliebe; aber die Frau!
Sie lebt und wohnt 〈bettet ſich〉 auf den weichen Blütenſpitzen der
Phantaſie und fällt daher immer herunter — der wahre Unbeſtand
in allem, zumal in Freude und Trauer — ſie bekannte mir alle ihre 25
Fehler und deren Quellen, (was aber zu nichts fruchtet) und ſagte,
Matthiſſon ſei ihr zum Rathen nicht kräftig genug. Mich gewann
ſie ſehr lieb, ich mußte ihr aber zuletzt doch einige Beſuche abſchlagen.
Sie wird mir ſchreiben. — Himmel! wie ſchön und groß ſind die
Stuttgarter Mädchenaugen! Die Hartmann bat mir einen gan- 30
zen weiblichen Augen Thée zuſammen. —
d. 5ten
Eben donnerts. So wirds den ganzen Monat dauern *), aber
immer mit Übergewicht ſchöner Tage. — Schreibe mir doch Anſang
*) ſo wie das Himmeleinheizen, wogegen du blos recht viel Waſſer als den 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/296>, abgerufen am 16.02.2025.
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