Heute als am 3ten Tage nach der bösen Zwei hat der Freitags Plagegeist keine Gewalt mehr über mich.
Grüße Emanuel und Otto recht. Wie oft mußt' ich im Streit- berger Thale an diesen denken. -- Verzeihe diesen Schnellbrief, meine Theuerste, und möge der belohnende Gott über deinen mor-5 genden Tag so walten, wie er sein muß, wenn er mich nicht in der Ferne quälen anstatt erquicken soll.
Dein Richter
528. An Karoline Richter.10
Stuttgart d. 8ten Jun. Dienstags 1819
Gestern abends, meine gute Karoline, kam ich an. Nur einige historische Worte, da der Kutscher auf sie wartet. Von Dünckelsbühl hab' ich dir vorgestern geschrieben. Der ganze böse Anfang dieser Reise gleicht meiner Frankfurter; ich hoffe also, daß auch die Fort-15 setzung ihr ähnlich wird. Auch hier bin ich im größten, aber darum ungemüthlichen Gasthofe wie dort abgestiegen. Noch hab ich nie- mand gesprochen als gestern am Tische Haug. Benzel Sternau ist nicht hier. -- Einen artigen Reisenachmittag hatt' ich vorgestern, wo ein fortregnendes Gewitter mit mir ging und ich den vortreff-20 lichen Kutscher statt des Pudels zu mir in den Wagen nahm; die Pferde schlichen kaum, waren aber nicht mit hinein zu nehmen. -- Nur wenige Stellen der würtenbergischen Landschaft bestehen matt neben Nürnberg, Bamberg, oder gar Frankfurt; die Menschen sind nicht viel schöner, einige Männer ausgenommen, die mir mit25 etwa 50 Wagen voll Betten und Familien entgegen fuhren nach -- Pohlen. Hier und in allen Städten sind wenig Menschen und keine Lebhaftigkeit; aber Gutherzigkeit ist überall. -- Jetzo geh ich zu Cotta; darauf werd' ich mich entschließen können, wie und ob ich mich einmiethe; denn in diesem Zimmer könnt' ich, obgleich der30 Prinz von Koburg es für mich eingeweiht und ich das schönste Exerzieren und Pauken schon um 5 Uhr Morgens sehen und genießen kann, keinen Tag verleben. Alles wie in Frankfurt, wenn auch in kleinerem Maßstabe. -- Beziehe ja die geweißte Stube nicht eher
Heute als am 3ten Tage nach der böſen Zwei hat der Freitags Plagegeiſt keine Gewalt mehr über mich.
Grüße Emanuel und Otto recht. Wie oft mußt’ ich im Streit- berger Thale an dieſen denken. — Verzeihe dieſen Schnellbrief, meine Theuerſte, und möge der belohnende Gott über deinen mor-5 genden Tag ſo walten, wie er ſein muß, wenn er mich nicht in der Ferne quälen anſtatt erquicken ſoll.
Dein Richter
528. An Karoline Richter.10
Stuttgart d. 8ten Jun. 〈Dienſtags〉 1819
Geſtern abends, meine gute Karoline, kam ich an. Nur einige hiſtoriſche Worte, da der Kutſcher auf ſie wartet. Von Dünckelsbühl hab’ ich dir vorgeſtern geſchrieben. Der ganze böſe Anfang dieſer Reiſe gleicht meiner Frankfurter; ich hoffe alſo, daß auch die Fort-15 ſetzung ihr ähnlich wird. Auch hier bin ich im größten, aber darum ungemüthlichen Gaſthofe wie dort abgeſtiegen. Noch hab ich nie- mand geſprochen als geſtern am Tiſche Haug. Benzel Sternau iſt nicht hier. — Einen artigen Reiſenachmittag hatt’ ich vorgeſtern, wo ein fortregnendes Gewitter mit mir ging und ich den vortreff-20 lichen Kutſcher ſtatt des Pudels zu mir in den Wagen nahm; die Pferde ſchlichen kaum, waren aber nicht mit hinein zu nehmen. — Nur wenige Stellen der würtenbergiſchen Landſchaft beſtehen matt neben Nürnberg, Bamberg, oder gar Frankfurt; die Menſchen ſind nicht viel ſchöner, einige Männer ausgenommen, die mir mit25 etwa 50 Wagen voll Betten und Familien entgegen fuhren nach — Pohlen. Hier und in allen Städten ſind wenig Menſchen und keine Lebhaftigkeit; aber Gutherzigkeit iſt überall. — Jetzo geh ich zu Cotta; darauf werd’ ich mich entſchließen können, wie und ob ich mich einmiethe; denn in dieſem Zimmer könnt’ ich, obgleich der30 Prinz von Koburg es für mich eingeweiht und ich das ſchönſte Exerzieren und Pauken ſchon um 5 Uhr Morgens ſehen und genießen kann, keinen Tag verleben. Alles wie in Frankfurt, wenn auch in kleinerem Maßſtabe. — Beziehe ja die geweißte Stube nicht eher
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Heute als am 3ten Tage nach der böſen Zwei hat der Freitags
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Grüße Emanuel und Otto recht. Wie oft mußt’ ich im Streit-
berger Thale an dieſen denken. — Verzeihe dieſen Schnellbrief,
meine Theuerſte, und möge der belohnende Gott über deinen mor- 5
genden Tag ſo walten, wie er ſein muß, wenn er mich nicht in der
Ferne quälen anſtatt erquicken ſoll.
Dein
Richter
528. An Karoline Richter. 10
Stuttgart d. 8ten Jun. 〈Dienſtags〉 1819
Geſtern abends, meine gute Karoline, kam ich an. Nur einige
hiſtoriſche Worte, da der Kutſcher auf ſie wartet. Von Dünckelsbühl
hab’ ich dir vorgeſtern geſchrieben. Der ganze böſe Anfang dieſer
Reiſe gleicht meiner Frankfurter; ich hoffe alſo, daß auch die Fort- 15
ſetzung ihr ähnlich wird. Auch hier bin ich im größten, aber darum
ungemüthlichen Gaſthofe wie dort abgeſtiegen. Noch hab ich nie-
mand geſprochen als geſtern am Tiſche Haug. Benzel Sternau iſt
nicht hier. — Einen artigen Reiſenachmittag hatt’ ich vorgeſtern,
wo ein fortregnendes Gewitter mit mir ging und ich den vortreff- 20
lichen Kutſcher ſtatt des Pudels zu mir in den Wagen nahm; die
Pferde ſchlichen kaum, waren aber nicht mit hinein zu nehmen. —
Nur wenige Stellen der würtenbergiſchen Landſchaft beſtehen matt
neben Nürnberg, Bamberg, oder gar Frankfurt; die Menſchen
ſind nicht viel ſchöner, einige Männer ausgenommen, die mir mit 25
etwa 50 Wagen voll Betten und Familien entgegen fuhren nach
— Pohlen. Hier und in allen Städten ſind wenig Menſchen und
keine Lebhaftigkeit; aber Gutherzigkeit iſt überall. — Jetzo geh ich
zu Cotta; darauf werd’ ich mich entſchließen können, wie und ob
ich mich einmiethe; denn in dieſem Zimmer könnt’ ich, obgleich der 30
Prinz von Koburg es für mich eingeweiht und ich das ſchönſte
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kann, keinen Tag verleben. Alles wie in Frankfurt, wenn auch in
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/273>, abgerufen am 16.02.2025.
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