Im siebenten meiner magnetischen Gesichte (nicht Gesichter) ist zu meinem Erstaunen die ganze Satire auf den Ehebruch ausgelassen,5 und dadurch die ganze Stelle von der Megära unbegreiflich ge- worden. Schwerlich konnte die Zensur, die mir das Politische stehen lassen, an einer Ironie sich ärgern, die weder mit Ernst, noch mit persönlichen Anspielungen (leider! denn sie paßt auf alle Städte) zu verwechseln ist. Oder konnte die Redakzion sich eine solche eigen-10 mächtige Verstümmlung erlauben, ohne ein Zeichen derselben für den Leser und ohne Anfrage bei dem Autor, zu welcher unter dem langsamen Abdruck Zeit genug gewesen? Eine Redakzion kann, wie eine Frau, das Anstößige nur abweisen, nicht kastrieren; denn wahrlich sonst wüßte man ja nicht, wenn man sich einer näherte, in15 welcher Gestalt man darauf der Welt erscheinen müßte. -- Mir ist alles unbegreiflich. Übrigens bleibt mir zur Selberhülfe nichts übrig als die elegante Zeitung oder sonst eine, in welche ich das ab- geschlagne Bruchstück niederlege mit der Bemerkung seiner ur- sprünglichen Stelle.20
Auf mein beigelegtes Briefchen vom 21ten Dez. hab' ich von Ihnen noch keine Antwort erhalten. Ich bat Sie darin für meine drei Arbeiten des vorigen Jahrs um eine Anweisung nach Frankfurt. Ich wiederhole meine Bitte um diese, zumal da ich sie einem hiesigen Kaufmann zu seiner dortigen Abschluß-Rechnung schon lange ver-25 sprochen. Der Himmel wende die schlimmste Veranlassung Ihres ungewöhnlichen Schweigens, nämlich Kranksein ab! --
Noch einmal! Um so schmerzlicher empfind' ich die Weglassung, da ich blos aus Liebe für Sie alle leichtern Arbeiten unterbreche und vertausche mit der schweren monatlangen für Ihr Blatt, eine30 Mitarbeit, zu der mich andere Wochenschriften vergeblich zu be- reden suchen.
Leben Sie recht wol und gedenken Sie meiner Bitte!
Ihr Jean Paul Fr. Richter
35
497. An Cotta.
Baireut d. 17ten Jenn. 1819
Höchſtgeſchätzter Herr Hofrath!
Im ſiebenten meiner magnetiſchen Geſichte (nicht Geſichter) iſt zu meinem Erſtaunen die ganze Satire auf den Ehebruch ausgelaſſen,5 und dadurch die ganze Stelle von der Megära unbegreiflich ge- worden. Schwerlich konnte die Zenſur, die mir das Politiſche ſtehen laſſen, an einer Ironie ſich ärgern, die weder mit Ernſt, noch mit perſönlichen Anſpielungen (leider! denn ſie paßt auf alle Städte) zu verwechſeln iſt. Oder konnte die Redakzion ſich eine ſolche eigen-10 mächtige Verſtümmlung erlauben, ohne ein Zeichen derſelben für den Leſer und ohne Anfrage bei dem Autor, zu welcher unter dem langſamen Abdruck Zeit genug geweſen? Eine Redakzion kann, wie eine Frau, das Anſtößige nur abweiſen, nicht kaſtrieren; denn wahrlich ſonſt wüßte man ja nicht, wenn man ſich einer näherte, in15 welcher Geſtalt man darauf der Welt erſcheinen müßte. — Mir iſt alles unbegreiflich. Übrigens bleibt mir zur Selberhülfe nichts übrig als die elegante Zeitung oder ſonſt eine, in welche ich das ab- geſchlagne Bruchſtück niederlege mit der Bemerkung ſeiner ur- ſprünglichen Stelle.20
Auf mein beigelegtes Briefchen vom 21ten Dez. hab’ ich von Ihnen noch keine Antwort erhalten. Ich bat Sie darin für meine drei Arbeiten des vorigen Jahrs um eine Anweiſung nach Frankfurt. Ich wiederhole meine Bitte um dieſe, zumal da ich ſie einem hieſigen Kaufmann zu ſeiner dortigen Abſchluß-Rechnung ſchon lange ver-25 ſprochen. Der Himmel wende die ſchlimmſte Veranlaſſung Ihres ungewöhnlichen Schweigens, nämlich Krankſein ab! —
Noch einmal! Um ſo ſchmerzlicher empfind’ ich die Weglaſſung, da ich blos aus Liebe für Sie alle leichtern Arbeiten unterbreche und vertauſche mit der ſchweren monatlangen für Ihr Blatt, eine30 Mitarbeit, zu der mich andere Wochenſchriften vergeblich zu be- reden ſuchen.
Leben Sie recht wol und gedenken Sie meiner Bitte!
Ihr Jean Paul Fr. Richter
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[251/0258]
497. An Cotta.
Baireut d. 17ten Jenn. 1819
Höchſtgeſchätzter Herr Hofrath!
Im ſiebenten meiner magnetiſchen Geſichte (nicht Geſichter) iſt
zu meinem Erſtaunen die ganze Satire auf den Ehebruch ausgelaſſen, 5
und dadurch die ganze Stelle von der Megära unbegreiflich ge-
worden. Schwerlich konnte die Zenſur, die mir das Politiſche ſtehen
laſſen, an einer Ironie ſich ärgern, die weder mit Ernſt, noch mit
perſönlichen Anſpielungen (leider! denn ſie paßt auf alle Städte)
zu verwechſeln iſt. Oder konnte die Redakzion ſich eine ſolche eigen- 10
mächtige Verſtümmlung erlauben, ohne ein Zeichen derſelben für
den Leſer und ohne Anfrage bei dem Autor, zu welcher unter dem
langſamen Abdruck Zeit genug geweſen? Eine Redakzion kann,
wie eine Frau, das Anſtößige nur abweiſen, nicht kaſtrieren; denn
wahrlich ſonſt wüßte man ja nicht, wenn man ſich einer näherte, in 15
welcher Geſtalt man darauf der Welt erſcheinen müßte. — Mir iſt
alles unbegreiflich. Übrigens bleibt mir zur Selberhülfe nichts
übrig als die elegante Zeitung oder ſonſt eine, in welche ich das ab-
geſchlagne Bruchſtück niederlege mit der Bemerkung ſeiner ur-
ſprünglichen Stelle. 20
Auf mein beigelegtes Briefchen vom 21ten Dez. hab’ ich von Ihnen
noch keine Antwort erhalten. Ich bat Sie darin für meine drei
Arbeiten des vorigen Jahrs um eine Anweiſung nach Frankfurt.
Ich wiederhole meine Bitte um dieſe, zumal da ich ſie einem hieſigen
Kaufmann zu ſeiner dortigen Abſchluß-Rechnung ſchon lange ver- 25
ſprochen. Der Himmel wende die ſchlimmſte Veranlaſſung Ihres
ungewöhnlichen Schweigens, nämlich Krankſein ab! —
Noch einmal! Um ſo ſchmerzlicher empfind’ ich die Weglaſſung,
da ich blos aus Liebe für Sie alle leichtern Arbeiten unterbreche
und vertauſche mit der ſchweren monatlangen für Ihr Blatt, eine 30
Mitarbeit, zu der mich andere Wochenſchriften vergeblich zu be-
reden ſuchen.
Leben Sie recht wol und gedenken Sie meiner Bitte!
Ihr
Jean Paul Fr. Richter 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/258>, abgerufen am 16.02.2025.
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