Frühling wird uns hoff' ich zusammenbringen in Baireut, aber nicht in Heidelberg; denn meine künftigen Reiselinien ziehen sich seit- wärts, wahrscheinlich über Stuttgart der Schweiz näher. Wie bin ich erschrocken, Guter, daß mir deine geliebte Geburtfeier unbewußt vorübergeflogen! Aber ohne Kalendernoten gings mir von jeher5 mit jeder Feier so und die meiner Frau, den 7ten Juny, behielt ich zuletzt nur durch den ihr gebührenden Heiligennamen Lucretia. Aber in meinem Herzen hast du bisher viele 29te Oktober erlebt, und was Wünsche anlangt, so braucht auch dein reiches keine mehr, ausgenommen die, welche deine himmlische Mutter für ein --10 fremdes thut, damit dieses komme und deine Brust so seelig erwärme wie ihres deines Vaters seine. -- Hier grüß' ich beide herzlich; und bringe auch Schwarz und Daub und Tiedemann und andern Grüßenden Grüße.15
Dein Jean Paul Fr. Richter
Wenn ich ohne sonderlichen Witz, ja zuweilen ohne sonderliche Sprachreinheit schreibe: so bedenke nur, daß ich nicht blos eile, sondern auch dich liebe.
Nachschrift der Nachschrift: Über Hamlet hast du köstlich und20 genial errathen; wer sich wahnsinnig stellt, wars und wirds und ists.
477. An Israel Enzel in Bayreuth.
[Kopie][Bayreuth, Ende Nov. 1818]
Ich habe nicht den Muth, Sie zu sehen, nachdem Ihnen das Schicksal in die alte Wunde eine neue geschlagen. Es gibt hier25 keinen Trost als den, daß Sie kein sterbliches Kind verloren, sondern ein unsterbliches, das nicht unterging sondern nur vorausging und das doch den kleinen Mai seines Lebens unter lauter Blumen -- und ohne solche Schmerzen wie elterliche sind -- verspielte.30
478. An Otto.
[Bayreuth, Ende Nov. 1818]
Guten Tag, Alter! Da der zertrümmerte Enzel mein Loosgeld nicht assignieren kann und ich es selber schicken muß: muß ich es frankieren? Und trifft es den J. G. Winkler ohne weitere Beischrift?
Frühling wird uns hoff’ ich zuſammenbringen in Baireut, aber nicht in Heidelberg; denn meine künftigen Reiſelinien ziehen ſich ſeit- wärts, wahrſcheinlich über Stuttgart der Schweiz näher. Wie bin ich erſchrocken, Guter, daß mir deine geliebte Geburtfeier unbewußt vorübergeflogen! Aber ohne Kalendernoten gings mir von jeher5 mit jeder Feier ſo und die meiner Frau, den 7ten Juny, behielt ich zuletzt nur durch den ihr gebührenden Heiligennamen Lucretia. Aber in meinem Herzen haſt du bisher viele 29te Oktober erlebt, und was Wünſche anlangt, ſo braucht auch dein reiches keine mehr, ausgenommen die, welche deine himmliſche Mutter für ein —10 fremdes thut, damit dieſes komme und deine Bruſt ſo ſeelig erwärme wie ihres deines Vaters ſeine. — Hier grüß’ ich beide herzlich; und bringe auch Schwarz und Daub und Tiedemann und andern Grüßenden Grüße.15
Dein Jean Paul Fr. Richter
Wenn ich ohne ſonderlichen Witz, ja zuweilen ohne ſonderliche Sprachreinheit ſchreibe: ſo bedenke nur, daß ich nicht blos eile, ſondern auch dich liebe.
Nachſchrift der Nachſchrift: Über Hamlet haſt du köſtlich und20 genial errathen; wer ſich wahnſinnig ſtellt, wars und wirds und iſts.
477. An Iſrael Enzel in Bayreuth.
[Kopie][Bayreuth, Ende Nov. 1818]
Ich habe nicht den Muth, Sie zu ſehen, nachdem Ihnen das Schickſal in die alte Wunde eine neue geſchlagen. Es gibt hier25 keinen Troſt als den, daß Sie kein ſterbliches Kind verloren, ſondern ein unſterbliches, das nicht unterging ſondern nur vorausging und das doch den kleinen Mai ſeines Lebens unter lauter Blumen — und ohne ſolche Schmerzen wie elterliche ſind — verſpielte.30
478. An Otto.
[Bayreuth, Ende Nov. 1818]
Guten Tag, Alter! Da der zertrümmerte Enzel mein Loosgeld nicht aſſignieren kann und ich es ſelber ſchicken muß: muß ich es frankieren? Und trifft es den J. G. Winkler ohne weitere Beiſchrift?
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Frühling wird uns hoff’ ich zuſammenbringen in Baireut, aber nicht
in Heidelberg; denn meine künftigen Reiſelinien ziehen ſich ſeit-
wärts, wahrſcheinlich über Stuttgart der Schweiz näher. Wie bin
ich erſchrocken, Guter, daß mir deine geliebte Geburtfeier unbewußt
vorübergeflogen! Aber ohne Kalendernoten gings mir von jeher 5
mit jeder Feier ſo und die meiner Frau, den 7ten Juny, behielt ich
zuletzt nur durch den ihr gebührenden Heiligennamen Lucretia.
Aber in meinem Herzen haſt du bisher viele 29te Oktober erlebt,
und was Wünſche anlangt, ſo braucht auch dein reiches keine mehr,
ausgenommen die, welche deine himmliſche Mutter für ein — 10
fremdes thut, damit dieſes komme und deine Bruſt ſo ſeelig erwärme
wie ihres deines Vaters ſeine. — Hier grüß’ ich beide herzlich; und
bringe auch Schwarz und Daub und Tiedemann und andern
Grüßenden Grüße. 15
Dein
Jean Paul Fr. Richter
Wenn ich ohne ſonderlichen Witz, ja zuweilen ohne ſonderliche
Sprachreinheit ſchreibe: ſo bedenke nur, daß ich nicht blos eile,
ſondern auch dich liebe.
Nachſchrift der Nachſchrift: Über Hamlet haſt du köſtlich und 20
genial errathen; wer ſich wahnſinnig ſtellt, wars und wirds und iſts.
477. An Iſrael Enzel in Bayreuth.
[Bayreuth, Ende Nov. 1818]
Ich habe nicht den Muth, Sie zu ſehen, nachdem Ihnen das
Schickſal in die alte Wunde eine neue geſchlagen. Es gibt hier 25
keinen Troſt als den, daß Sie kein ſterbliches Kind verloren, ſondern
ein unſterbliches, das nicht unterging ſondern nur vorausging und
das doch den kleinen Mai ſeines Lebens unter lauter Blumen —
und ohne ſolche Schmerzen wie elterliche ſind — verſpielte. 30
478. An Otto.
[Bayreuth, Ende Nov. 1818]
Guten Tag, Alter! Da der zertrümmerte Enzel mein Loosgeld
nicht aſſignieren kann und ich es ſelber ſchicken muß: muß ich es
frankieren? Und trifft es den J. G. Winkler ohne weitere Beiſchrift?
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/246>, abgerufen am 16.07.2024.
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