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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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-- Der nächste Winter wird ein grimmiger Wolfmonat. Ob ich
gleich nicht fürchte, daß dieser Wolf über mein Leben Herr wird:
so schreib' ich hier doch, was ich schon längst dir sagen wollte,

NBnämlich nach meinem Tode bist du von mir zum unum-
schränkten Ordner, Chorizonten und Herausgeber meines5
ganzen literarischen Schreibnachlasses hier feierlich ernannt,
-- wenn du magst. -- Und dieß hier sei die Bestallung zu
meinem geistigen executor testamenti. Warum ich keinen nähern
Freund wähle, darüber frage in deiner Antwort nicht. Alles was
du thun wirst, ist mir schon hier recht, geschweige dort. Ich hoffe10
aber, daß du nach Baireut als mein Gast früher kommst denn als
mein Executor. --

Dr. Jean Paul Fr. Richter

Rede in deinem Briefe nicht viel darüber, höchstens ein Ja oder
ein Nein.15


Noch schweigst du? -- Nur bis morgen wart' ich, dann geht dieses
Blatt ab. -- Warum will Engelmann das Mspt des Sieben-
käs nicht dem Rezensenten geben, da du und ich für die Rückkehr
stehen? -- Du erfreuest und bereicherst mich du[rch] deine Anekdoten.20
Heidelberg wird durch seine Lage für Reisende andern eine Art von
Kaleidoskop. -- Mein Aufsatz über die Doppelwörter wird nur durch
die Menge anderer Fortsetzungen am Einrücken verhindert. --
Gegenwärtig schreib ich mein Leben. Ob ich gleich jedes andere
lieber und feuriger schriebe: so mußt' ich doch daran, da meine innere25
Biographie niemand kennt als Gott und ich und der Teufel. Indeß
wird die Form dieser Lebenbeschreibung anders als die aller andern
bisherigen.

30

Wieder nichts! -- Ich will mich aber doch nicht ängstigen.
Gewöhnlich verursachen die leichtesten Zufälle Verzögerungen statt
der gefürchteten. -- Grüße mit deinem und meinem Herzen zugleich
deine geliebtesten Eltern; und unsere Gemeinfreunde und Freun-
dinnen grüße.35

Dein
alter
Richter

— Der nächſte Winter wird ein grimmiger Wolfmonat. Ob ich
gleich nicht fürchte, daß dieſer Wolf über mein Leben Herr wird:
ſo ſchreib’ ich hier doch, was ich ſchon längſt dir ſagen wollte,

NBnämlich nach meinem Tode biſt du von mir zum unum-
ſchränkten Ordner, Chorizonten und Herausgeber meines5
ganzen literariſchen Schreibnachlaſſes hier feierlich ernannt,
— wenn du magſt. — Und dieß hier ſei die Beſtallung zu
meinem geiſtigen executor testamenti. Warum ich keinen nähern
Freund wähle, darüber frage in deiner Antwort nicht. Alles was
du thun wirſt, iſt mir ſchon hier recht, geſchweige dort. Ich hoffe10
aber, daß du nach Baireut als mein Gaſt früher kommſt denn als
mein Executor. —

Dr. Jean Paul Fr. Richter

Rede in deinem Briefe nicht viel darüber, höchſtens ein Ja oder
ein Nein.15


Noch ſchweigſt du? — Nur bis morgen wart’ ich, dann geht dieſes
Blatt ab. — Warum will Engelmann das Mſpt des Sieben-
käs nicht dem Rezenſenten geben, da du und ich für die Rückkehr
ſtehen? — Du erfreueſt und bereicherſt mich du[rch] deine Anekdoten.20
Heidelberg wird durch ſeine Lage für Reiſende andern eine Art von
Kaleidoſkop. — Mein Aufſatz über die Doppelwörter wird nur durch
die Menge anderer Fortſetzungen am Einrücken verhindert. —
Gegenwärtig ſchreib ich mein Leben. Ob ich gleich jedes andere
lieber und feuriger ſchriebe: ſo mußt’ ich doch daran, da meine innere25
Biographie niemand kennt als Gott und ich und der Teufel. Indeß
wird die Form dieſer Lebenbeſchreibung anders als die aller andern
bisherigen.

30

Wieder nichts! — Ich will mich aber doch nicht ängſtigen.
Gewöhnlich verurſachen die leichteſten Zufälle Verzögerungen ſtatt
der gefürchteten. — Grüße mit deinem und meinem Herzen zugleich
deine geliebteſten Eltern; und unſere Gemeinfreunde und Freun-
dinnen grüße.35

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alter
Richter
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[223/0230] — Der nächſte Winter wird ein grimmiger Wolfmonat. Ob ich gleich nicht fürchte, daß dieſer Wolf über mein Leben Herr wird: ſo ſchreib’ ich hier doch, was ich ſchon längſt dir ſagen wollte, NBnämlich nach meinem Tode biſt du von mir zum unum- ſchränkten Ordner, Chorizonten und Herausgeber meines 5 ganzen literariſchen Schreibnachlaſſes hier feierlich ernannt, — wenn du magſt. — Und dieß hier ſei die Beſtallung zu meinem geiſtigen executor testamenti. Warum ich keinen nähern Freund wähle, darüber frage in deiner Antwort nicht. Alles was du thun wirſt, iſt mir ſchon hier recht, geſchweige dort. Ich hoffe 10 aber, daß du nach Baireut als mein Gaſt früher kommſt denn als mein Executor. — Baireut d. 31. Jul. 1818 Dr. Jean Paul Fr. Richter Rede in deinem Briefe nicht viel darüber, höchſtens ein Ja oder ein Nein. 15 d. 2. Auguſt Noch ſchweigſt du? — Nur bis morgen wart’ ich, dann geht dieſes Blatt ab. — Warum will Engelmann das Mſpt des Sieben- käs nicht dem Rezenſenten geben, da du und ich für die Rückkehr ſtehen? — Du erfreueſt und bereicherſt mich du[rch] deine Anekdoten. 20 Heidelberg wird durch ſeine Lage für Reiſende andern eine Art von Kaleidoſkop. — Mein Aufſatz über die Doppelwörter wird nur durch die Menge anderer Fortſetzungen am Einrücken verhindert. — Gegenwärtig ſchreib ich mein Leben. Ob ich gleich jedes andere lieber und feuriger ſchriebe: ſo mußt’ ich doch daran, da meine innere 25 Biographie niemand kennt als Gott und ich und der Teufel. Indeß wird die Form dieſer Lebenbeſchreibung anders als die aller andern bisherigen. den 3ten Aug. 30 Wieder nichts! — Ich will mich aber doch nicht ängſtigen. Gewöhnlich verurſachen die leichteſten Zufälle Verzögerungen ſtatt der gefürchteten. — Grüße mit deinem und meinem Herzen zugleich deine geliebteſten Eltern; und unſere Gemeinfreunde und Freun- dinnen grüße. 35 Dein alter Richter

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/230>, abgerufen am 28.11.2024.