Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.frage nach andern Einspännern, und ob sie gegen Ende des Monats d. 19ten Heute hab' ich bei Schelver dem wahren magnetischen Gottes- frage nach andern Einſpännern, und ob ſie gegen Ende des Monats d. 19ten Heute hab’ ich bei Schelver dem wahren magnetiſchen Gottes- <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0215" n="208"/> frage nach andern Einſpännern, und ob ſie gegen Ende des Monats<lb/> nicht auf lange verdungen ſind. Nur das kaltmachende Schaf <hi rendition="#aq">Ham</hi><lb/> mag ich nicht, das noch dazu auf meine Rechnung vor dem Abfahren<lb/> in meiner Abweſenheit verſchluckt hat. — <hi rendition="#aq">Sophie P[aulus]</hi> iſt auf<lb/> dem Wege einer Abblüte wie die <hi rendition="#aq">Said,</hi> mit der ſie auch phyſiogno-<lb n="5"/> miſche Aehnlichkeit hat; und ich ſagte es ihr und der Mutter, welche<lb/> daſſelbe fürchtet. Sie zerſetzt ſich durch ihr übermäßiges Klavier-<lb/> ſpielen, ſeit <hi rendition="#aq">Hommel</hi> hier geweſen, den ſie erreichen will. <hi rendition="#aq">Voßens</hi><lb/> Mutter .... aber endlich muß ich aufhören, wenn ich an dieſem<lb/> Morgen noch etwas für <hi rendition="#aq">Cotta</hi> machen will.<lb n="10"/> </p> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">d. 19<hi rendition="#sup">ten</hi></hi> </dateline><lb/> <p>Heute hab’ ich bei <hi rendition="#aq">Schelver</hi> dem wahren magnetiſchen Gottes-<lb/> dienſte von 11 bis 2 Uhr beigewohnt. In einem Saale verſammeln<lb/> ſich an 27 Menſchen beiderlei Geſchlechts — im Kreiſe auf Stühlen<lb/> ſitzend, alles durcheinander, Mädchen von 13 Jahren und alte<lb n="15"/> Mütterchen, gemeine arme Bürgerweiber, daneben ein kräftiger<lb/> Student, ein fetter Landamtmann, Offiziere, vornehme Frauen —<lb/> alles ſitzt zufällig durcheinander, Alter und Blüte und Stand und<lb/> Geſchlecht und fäßt ſich rechts und links an der Hand — der blinde<lb/><hi rendition="#aq">Aut</hi> ſitzt in der Saalecke des Kreiſes und fäßt auch — <hi rendition="#aq">Schelver</hi><lb n="20"/> magnetiſiert mit wenigen Strichen jeden Einzelnen, im Kreiſe um-<lb/> gehend — dann wieder mit einem Eiſenſtäbchen. Dieß wird mehrmal<lb/> wiederholt — ſo ſinkt ein Kopf nach dem andern in Schlaf — nur<lb/> einige Neuangekommene blieben wach — Ich war im Tempel des<lb/> Weltgeiſtes. Wie der Kirchhof und die Kirche alles gleichmachte,<lb n="25"/> ſo hier der Saal. Zuſchauer ſind auf dem Kanapee oder unter der<lb/> Thüre. Nach 2 Stunden ſtehen die Schlafenden wieder auf, die blos<lb/> vorbereitet werden. Der Blinde in der Ecke bleibt in ſeinem Schlafe.<lb/> Dann kommt <hi rendition="#aq">Md. Schelver</hi> mit Papier und Dinte und allmählig<lb/> fängt er an, für die Kranken, die er wählt oder die ihm genannt oder<lb n="30"/> verbunden werden, die Rezepte zu diktieren mit der höchſten Pünkt-<lb/> lichkeit der Doſen, aber mit ſchrecklichen herauswürgenden Gebehr-<lb/> den, im Wachen immer freundlich, aber im Schlafen wild und alles<lb/> hervorknirſchend, und doch mit frommen Äußerungen überall. Ein<lb/> Offizier mit Orden kam und noch ein Fremder und <hi rendition="#aq">Schelver</hi> verband<lb n="35"/> die 4 oder 6 Hände und er entſchied. Gewöhnlich verſchiebt er die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [208/0215]
frage nach andern Einſpännern, und ob ſie gegen Ende des Monats
nicht auf lange verdungen ſind. Nur das kaltmachende Schaf Ham
mag ich nicht, das noch dazu auf meine Rechnung vor dem Abfahren
in meiner Abweſenheit verſchluckt hat. — Sophie P[aulus] iſt auf
dem Wege einer Abblüte wie die Said, mit der ſie auch phyſiogno- 5
miſche Aehnlichkeit hat; und ich ſagte es ihr und der Mutter, welche
daſſelbe fürchtet. Sie zerſetzt ſich durch ihr übermäßiges Klavier-
ſpielen, ſeit Hommel hier geweſen, den ſie erreichen will. Voßens
Mutter .... aber endlich muß ich aufhören, wenn ich an dieſem
Morgen noch etwas für Cotta machen will. 10
d. 19ten
Heute hab’ ich bei Schelver dem wahren magnetiſchen Gottes-
dienſte von 11 bis 2 Uhr beigewohnt. In einem Saale verſammeln
ſich an 27 Menſchen beiderlei Geſchlechts — im Kreiſe auf Stühlen
ſitzend, alles durcheinander, Mädchen von 13 Jahren und alte 15
Mütterchen, gemeine arme Bürgerweiber, daneben ein kräftiger
Student, ein fetter Landamtmann, Offiziere, vornehme Frauen —
alles ſitzt zufällig durcheinander, Alter und Blüte und Stand und
Geſchlecht und fäßt ſich rechts und links an der Hand — der blinde
Aut ſitzt in der Saalecke des Kreiſes und fäßt auch — Schelver 20
magnetiſiert mit wenigen Strichen jeden Einzelnen, im Kreiſe um-
gehend — dann wieder mit einem Eiſenſtäbchen. Dieß wird mehrmal
wiederholt — ſo ſinkt ein Kopf nach dem andern in Schlaf — nur
einige Neuangekommene blieben wach — Ich war im Tempel des
Weltgeiſtes. Wie der Kirchhof und die Kirche alles gleichmachte, 25
ſo hier der Saal. Zuſchauer ſind auf dem Kanapee oder unter der
Thüre. Nach 2 Stunden ſtehen die Schlafenden wieder auf, die blos
vorbereitet werden. Der Blinde in der Ecke bleibt in ſeinem Schlafe.
Dann kommt Md. Schelver mit Papier und Dinte und allmählig
fängt er an, für die Kranken, die er wählt oder die ihm genannt oder 30
verbunden werden, die Rezepte zu diktieren mit der höchſten Pünkt-
lichkeit der Doſen, aber mit ſchrecklichen herauswürgenden Gebehr-
den, im Wachen immer freundlich, aber im Schlafen wild und alles
hervorknirſchend, und doch mit frommen Äußerungen überall. Ein
Offizier mit Orden kam und noch ein Fremder und Schelver verband 35
die 4 oder 6 Hände und er entſchied. Gewöhnlich verſchiebt er die
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(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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