Ihrer Frau Gemahlin wol in der schönen Stadt der Sprech- und Les-, wenn auch nicht Druck-Freiheit!
Ihr ergebenster Sohn J. P. F. Richter
5
368. An Kirchenrat Schwarz in Heidelberg.
[Kopie][Bayreuth, 12. Jan. 1818]
Ordentlich als sollt' ich immer bei Ihnen im Quartier liegen, muß ich meinem Kopf meine Nase -- nach der rhetorischen Figur pars pro toto -- nachschicken. Irgend ein Künstler wird sie ja wol dem10 zerbrochnen Gesichte so gut aufzusetzen wissen als ein neuer Taglia- cozzo eine lebendige einem lebendigen; und sie darf gerade in dem Zimmer nicht fehlen, wo das Urbild täglich unter neuen Blumen gelebt. Wo sind nun deren Stäubchen geblieben? In meinem Alter thut alles Verwelken wehe; darum lieb' ich das Palingenesieren und15 komme im künftigen Frühling oder Sommer wieder, obwol nicht als fester Plaggeist sondern als flüchtiger Zugwind oder Zugzephyr. Mein ganzes Herz grüßt jedes Herz, etc. und die Choralphilomele und alles was Sie lieben.
369. An Heinrich Voß in Heidelberg.20
Am allereiligsten.
Baireut d. 12ten Jenn. 1818
-- Und doch werd' ich dir einen langen historischen Brief schreiben müssen. Zuerst wie ging es mit Thieriot? -- Hat er ein Empfehl- Briefchen an Thibaut nicht abgefodert von Engelmann: so soll dieser es ohne ihn zu letztem schicken. -- Ich bitte dich inständig, mir25 diesen Engel-Mann ins rechte etymologische Licht zu setzen. Schon vor Monaten foderte er den zweiten Theil des Siebenkäs, weil er zwei Setzer zu beschäftigen habe -- und erst neulich den vierten, weil er Ende Februars das Werk zu liefern versprochen; -- -- und jetzo hat er erst den 7ten Bogen fertig. Dring' ihm eine klare Erklärung ab30 und die Lösung des Räthsels, wie er alles zu beendigen gedenke, wenn ich ihm Ende Januars das 3te Bändchen schicke. -- Ich kann dir nicht genug danken für deine dritte Auflage meiner zweiten. Die von meiner Emma wahrscheinlich ausgelaßne Zeile heißt: "die
Ihrer Frau Gemahlin wol in der ſchönen Stadt der Sprech- und Les-, wenn auch nicht Druck-Freiheit!
Ihr ergebenſter Sohn J. P. F. Richter
5
368. An Kirchenrat Schwarz in Heidelberg.
[Kopie][Bayreuth, 12. Jan. 1818]
Ordentlich als ſollt’ ich immer bei Ihnen im Quartier liegen, muß ich meinem Kopf meine Naſe — nach der rhetoriſchen Figur pars pro toto — nachſchicken. Irgend ein Künſtler wird ſie ja wol dem10 zerbrochnen Geſichte ſo gut aufzuſetzen wiſſen als ein neuer Taglia- cozzo eine lebendige einem lebendigen; und ſie darf gerade in dem Zimmer nicht fehlen, wo das Urbild täglich unter neuen Blumen gelebt. Wo ſind nun deren Stäubchen geblieben? In meinem Alter thut alles Verwelken wehe; darum lieb’ ich das Palingeneſieren und15 komme im künftigen Frühling oder Sommer wieder, obwol nicht als feſter Plaggeiſt ſondern als flüchtiger Zugwind oder Zugzephyr. Mein ganzes Herz grüßt jedes Herz, ꝛc. und die Choralphilomele und alles was Sie lieben.
369. An Heinrich Voß in Heidelberg.20
Am allereiligſten.
Baireut d. 12ten Jenn. 1818
— Und doch werd’ ich dir einen langen hiſtoriſchen Brief ſchreiben müſſen. Zuerſt wie ging es mit Thieriot? — Hat er ein Empfehl- Briefchen an Thibaut nicht abgefodert von Engelmann: ſo ſoll dieſer es ohne ihn zu letztem ſchicken. — Ich bitte dich inſtändig, mir25 dieſen Engel-Mann ins rechte etymologiſche Licht zu ſetzen. Schon vor Monaten foderte er den zweiten Theil des Siebenkäs, weil er zwei Setzer zu beſchäftigen habe — und erſt neulich den vierten, weil er Ende Februars das Werk zu liefern verſprochen; — — und jetzo hat er erſt den 7ten Bogen fertig. Dring’ ihm eine klare Erklärung ab30 und die Löſung des Räthſels, wie er alles zu beendigen gedenke, wenn ich ihm Ende Januars das 3te Bändchen ſchicke. — Ich kann dir nicht genug danken für deine dritte Auflage meiner zweiten. Die von meiner Emma wahrſcheinlich ausgelaßne Zeile heißt: „die
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Ihrer Frau Gemahlin wol in der ſchönen Stadt der Sprech- und
Les-, wenn auch nicht Druck-Freiheit!
Ihr
ergebenſter Sohn
J. P. F. Richter 5
368. An Kirchenrat Schwarz in Heidelberg.
[Bayreuth, 12. Jan. 1818]
Ordentlich als ſollt’ ich immer bei Ihnen im Quartier liegen, muß
ich meinem Kopf meine Naſe — nach der rhetoriſchen Figur pars
pro toto — nachſchicken. Irgend ein Künſtler wird ſie ja wol dem 10
zerbrochnen Geſichte ſo gut aufzuſetzen wiſſen als ein neuer Taglia-
cozzo eine lebendige einem lebendigen; und ſie darf gerade in dem
Zimmer nicht fehlen, wo das Urbild täglich unter neuen Blumen
gelebt. Wo ſind nun deren Stäubchen geblieben? In meinem Alter
thut alles Verwelken wehe; darum lieb’ ich das Palingeneſieren und 15
komme im künftigen Frühling oder Sommer wieder, obwol nicht
als feſter Plaggeiſt ſondern als flüchtiger Zugwind oder Zugzephyr.
Mein ganzes Herz grüßt jedes Herz, ꝛc. und die Choralphilomele
und alles was Sie lieben.
369. An Heinrich Voß in Heidelberg. 20
Am allereiligſten.Baireut d. 12ten Jenn. 1818
— Und doch werd’ ich dir einen langen hiſtoriſchen Brief ſchreiben
müſſen. Zuerſt wie ging es mit Thieriot? — Hat er ein Empfehl-
Briefchen an Thibaut nicht abgefodert von Engelmann: ſo ſoll
dieſer es ohne ihn zu letztem ſchicken. — Ich bitte dich inſtändig, mir 25
dieſen Engel-Mann ins rechte etymologiſche Licht zu ſetzen. Schon
vor Monaten foderte er den zweiten Theil des Siebenkäs, weil er
zwei Setzer zu beſchäftigen habe — und erſt neulich den vierten, weil
er Ende Februars das Werk zu liefern verſprochen; — — und jetzo hat
er erſt den 7ten Bogen fertig. Dring’ ihm eine klare Erklärung ab 30
und die Löſung des Räthſels, wie er alles zu beendigen gedenke,
wenn ich ihm Ende Januars das 3te Bändchen ſchicke. — Ich kann
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/175>, abgerufen am 18.07.2024.
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