Verehrtester Freund! Nicht blos mir, auch einer Freundin zu Gefallen schreib' ich dieses Blättchen. Fr. v. Regemann wünscht, daß ich Ihnen bezeuge, daß sie in ihrem heutigen Briefe die Sache5 gerade so erzählt habe wie sie mir solche vor 11/2 Jahren vorgetragen. Auch damals überzeugte sie mich, daß nicht Eigennutz, sondern falsche Berechnung und Großmuth sie so unangenehm verwickelt habe. Ihr wird hier nur der Vorwurf der Liberalität und Großmuth gemacht; es gehören aber mehre Tugenden dazu einen solchen Vorwurf zu10 verdienen als zu vermeiden. Am wehesten that ihrem Ehr- und Verwandten-Gefühl, daß nicht Ihre Hand geschrieben. -- Und jetzo hab' ich mein Versprechen gehalten; und stelle vertrauend den Erfolg Ihrem edeln Gemüthe anheim.
-- Neulich hatt' ich die Freude, 11/2 Stunden lang von Ihnen mit15 Fr. v. Knebel zu reden. Aber wann werd' ich das größere haben, mit Ihnen zu sprechen? Gibt es denn keinen Sommer und keinen Wagen mehr, der Sie hieher brächte? -- Wär' ich bei Ihnen, so würd ich Sie -- wie ich bei Thümmel gethan -- aus Ihrem ästhe- tisch-genießenden Farniente wecken und zur Sammlung Ihrer20 Werke stimmen oder quälen, damit unser Goetz-Properz nicht später in die Hände und sinesischen Fingernägel eines Ramlers falle. Denn gesammelt werden Ihre Gedichte doch einmal.
Seit vielen Jahren arbeit ich am Plane zu einem großen komischen Werke, versplittere mich aber immer in die verdammten Zeitschrift-25 Stücke. Ich habe so viel zu schreiben und habe noch so wenig zu leben; geht's so fort: so fahr' ich aus der Welt und habe nichts darin gesagt.
Leben Sie wol, mein alter werther Freund! Ihr Leben bleibe immer ein südliches Land, wo man Winter und Sommer wenig30 unterscheiden kann. Ich grüße die Ihrigen.
Ihr Jean Paul Fr. Richter
Göthe und Einsiedel seien gegrüßt. Hier ist meine ganze Drei- einigkeit Ihrer Gegend genannt.35
31. An Knebel in Jena.
Baireuth d. 13. Febr. 1815
Verehrteſter Freund! Nicht blos mir, auch einer Freundin zu Gefallen ſchreib’ ich dieſes Blättchen. Fr. v. Regemann wünſcht, daß ich Ihnen bezeuge, daß ſie in ihrem heutigen Briefe die Sache5 gerade ſo erzählt habe wie ſie mir ſolche vor 1½ Jahren vorgetragen. Auch damals überzeugte ſie mich, daß nicht Eigennutz, ſondern falſche Berechnung und Großmuth ſie ſo unangenehm verwickelt habe. Ihr wird hier nur der Vorwurf der Liberalität und Großmuth gemacht; es gehören aber mehre Tugenden dazu einen ſolchen Vorwurf zu10 verdienen als zu vermeiden. Am weheſten that ihrem Ehr- und Verwandten-Gefühl, daß nicht Ihre Hand geſchrieben. — Und jetzo hab’ ich mein Verſprechen gehalten; und ſtelle vertrauend den Erfolg Ihrem edeln Gemüthe anheim.
— Neulich hatt’ ich die Freude, 1½ Stunden lang von Ihnen mit15 Fr. v. Knebel zu reden. Aber wann werd’ ich das größere haben, mit Ihnen zu ſprechen? Gibt es denn keinen Sommer und keinen Wagen mehr, der Sie hieher brächte? — Wär’ ich bei Ihnen, ſo würd ich Sie — wie ich bei Thümmel gethan — aus Ihrem äſthe- tiſch-genießenden Farniente wecken und zur Sammlung Ihrer20 Werke ſtimmen oder quälen, damit unſer Goetz-Properz nicht ſpäter in die Hände und ſineſiſchen Fingernägel eines Ramlers falle. Denn geſammelt werden Ihre Gedichte doch einmal.
Seit vielen Jahren arbeit ich am Plane zu einem großen komiſchen Werke, verſplittere mich aber immer in die verdammten Zeitſchrift-25 Stücke. Ich habe ſo viel zu ſchreiben und habe noch ſo wenig zu leben; geht’s ſo fort: ſo fahr’ ich aus der Welt und habe nichts darin geſagt.
Leben Sie wol, mein alter werther Freund! Ihr Leben bleibe immer ein ſüdliches Land, wo man Winter und Sommer wenig30 unterſcheiden kann. Ich grüße die Ihrigen.
Ihr Jean Paul Fr. Richter
Göthe und Einſiedel ſeien gegrüßt. Hier iſt meine ganze Drei- einigkeit Ihrer Gegend genannt.35
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[12/0017]
31. An Knebel in Jena.
Baireuth d. 13. Febr. 1815
Verehrteſter Freund! Nicht blos mir, auch einer Freundin zu
Gefallen ſchreib’ ich dieſes Blättchen. Fr. v. Regemann wünſcht,
daß ich Ihnen bezeuge, daß ſie in ihrem heutigen Briefe die Sache 5
gerade ſo erzählt habe wie ſie mir ſolche vor 1½ Jahren vorgetragen.
Auch damals überzeugte ſie mich, daß nicht Eigennutz, ſondern falſche
Berechnung und Großmuth ſie ſo unangenehm verwickelt habe. Ihr
wird hier nur der Vorwurf der Liberalität und Großmuth gemacht;
es gehören aber mehre Tugenden dazu einen ſolchen Vorwurf zu 10
verdienen als zu vermeiden. Am weheſten that ihrem Ehr- und
Verwandten-Gefühl, daß nicht Ihre Hand geſchrieben. — Und jetzo
hab’ ich mein Verſprechen gehalten; und ſtelle vertrauend den Erfolg
Ihrem edeln Gemüthe anheim.
— Neulich hatt’ ich die Freude, 1½ Stunden lang von Ihnen mit 15
Fr. v. Knebel zu reden. Aber wann werd’ ich das größere haben,
mit Ihnen zu ſprechen? Gibt es denn keinen Sommer und keinen
Wagen mehr, der Sie hieher brächte? — Wär’ ich bei Ihnen, ſo
würd ich Sie — wie ich bei Thümmel gethan — aus Ihrem äſthe-
tiſch-genießenden Farniente wecken und zur Sammlung Ihrer 20
Werke ſtimmen oder quälen, damit unſer Goetz-Properz nicht
ſpäter in die Hände und ſineſiſchen Fingernägel eines Ramlers falle.
Denn geſammelt werden Ihre Gedichte doch einmal.
Seit vielen Jahren arbeit ich am Plane zu einem großen komiſchen
Werke, verſplittere mich aber immer in die verdammten Zeitſchrift- 25
Stücke. Ich habe ſo viel zu ſchreiben und habe noch ſo wenig zu
leben; geht’s ſo fort: ſo fahr’ ich aus der Welt und habe nichts
darin geſagt.
Leben Sie wol, mein alter werther Freund! Ihr Leben bleibe
immer ein ſüdliches Land, wo man Winter und Sommer wenig 30
unterſcheiden kann. Ich grüße die Ihrigen.
Ihr
Jean Paul Fr. Richter
Göthe und Einſiedel ſeien gegrüßt. Hier iſt meine ganze Drei-
einigkeit Ihrer Gegend genannt. 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/17>, abgerufen am 16.07.2024.
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