Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.*299. An Emanuel. Heidelberg d. 20 Jul. 1817Mein theuerster Emanuel! So bin ich denn hier wider mein Verdienst so seelig geworden, als Einer der wichtigsten Männer hier ist mir der Hofrath Thibaut,10 Mir war, als würden meine Romane lebendig und nähmen mich *299. An Emanuel. Heidelberg d. 20 Jul. 1817Mein theuerſter Emanuel! So bin ich denn hier wider mein Verdienſt ſo ſeelig geworden, als Einer der wichtigſten Männer hier iſt mir der Hofrath Thibaut,10 Mir war, als würden meine Romane lebendig und nähmen mich <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0132" n="125"/> <div type="letter" n="1"> <head>*299. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Heidelberg</hi> d. 20 Jul. 1817</hi> </dateline><lb/> <salute>Mein theuerſter Emanuel!</salute><lb/> <p>So bin ich denn hier wider mein Verdienſt ſo ſeelig geworden, als<lb/> ich kaum in einer Stadt geweſen, Berlin ausgenommen. Aber wie<lb n="5"/> iſt dieß ohne ein Papier-Ries zu ſchildern? Ich vertröſte daher Sie<lb/> auf meine Frau, und dieſe auf Sie, und Otto auf beide, damit doch<lb/> eine Art von Nachricht herauskommt, bevor ich auf dem rechten<lb/> Rednerſtuhl ſitze — auf Ihrem Kanapee.</p><lb/> <p>Einer der wichtigſten Männer hier iſt mir der Hofrath <hi rendition="#aq">Thibaut,</hi><lb n="10"/> in der römiſchen Jurisprudenz noch größer als Savigny — voll<lb/> Kraft und Trotz und Überſicht — ſarkaſtiſch — poetiſch und witzig<lb/> im Sprechen — und der Stifter einer donnerſtägigen — Singaka-<lb/> demie in ſeinem Hauſe. Eine kleine Anzahl Weiber, Jungfrauen<lb/> und Jünglinge tragen die Kirchenſtücke der alten italieniſchen<lb n="15"/> Meiſter, des Paleſtrina, Leo, Durante ꝛc. ꝛc. vor. Ohne Krankheit<lb/> darf keine wegbleiben — niemand darf <hi rendition="#g">zuhören oder dabei ſein,<lb/> nicht einmal die Eltern,</hi> damit die Muſik heilige und die Eitel-<lb/> keit ſie nicht entheilige. Ich gewann ihn durch meine Worte über<lb/> die Muſik, daß er mir nicht nur den einen Donnerſtag mit italieni-<lb n="20"/> ſcher Muſik gab, ſondern jetzo für den zweiten mit <hi rendition="#aq">Händel’scher</hi><lb/> mich mehrmal ordentlich bittet, als könnt’ ich einen Himmel ver-<lb/> ſäumen. <hi rendition="#aq">Caroline</hi> verſteht es, wenn ich ſage, hier iſt <hi rendition="#aq">Fasch</hi> wieder.<lb/> Das Aushalten der Töne war oft wie das von Glocken und man<lb/> glaubte durchaus verborgne Glocken zu hören. Aber ich werde ja<lb n="25"/> einmal ein Blatt finden, welchem ich dieſe ewigtönende Edenſtunde<lb/> mitgebe. —</p><lb/> <p>Mir war, als würden meine Romane lebendig und nähmen mich<lb/> mit, als das lange, halb bedeckte Schiff mit 80 Perſonen — bekränzt<lb/> mit Eichenlaub bis an die bunten Bänder-Wimpel — begleitet von<lb n="30"/> einem Beiſchiffchen voll Muſiker — vor den Burgen und Bergen<lb/> dahin fuhr. — Der größte Theil der Frauen und Männer ſaß an<lb/> der langen von dem einen Ende des Schiffes zum andern langenden<lb/> Tafel. Studenten — Profeſſoren ꝛc. ꝛc. — ſchöne Mädchen und<lb/> Frauen — der Kronprinz von Schweden — ein ſchöner Engländer —<lb n="35"/> ein junger Prinz von Waldeck ꝛc. ꝛc., alles lebte in unſchuldiger<lb/> Freude. Meine Kappe und des Prinzen Hut (den aber die meiſten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [125/0132]
*299. An Emanuel.
Heidelberg d. 20 Jul. 1817
Mein theuerſter Emanuel!
So bin ich denn hier wider mein Verdienſt ſo ſeelig geworden, als
ich kaum in einer Stadt geweſen, Berlin ausgenommen. Aber wie 5
iſt dieß ohne ein Papier-Ries zu ſchildern? Ich vertröſte daher Sie
auf meine Frau, und dieſe auf Sie, und Otto auf beide, damit doch
eine Art von Nachricht herauskommt, bevor ich auf dem rechten
Rednerſtuhl ſitze — auf Ihrem Kanapee.
Einer der wichtigſten Männer hier iſt mir der Hofrath Thibaut, 10
in der römiſchen Jurisprudenz noch größer als Savigny — voll
Kraft und Trotz und Überſicht — ſarkaſtiſch — poetiſch und witzig
im Sprechen — und der Stifter einer donnerſtägigen — Singaka-
demie in ſeinem Hauſe. Eine kleine Anzahl Weiber, Jungfrauen
und Jünglinge tragen die Kirchenſtücke der alten italieniſchen 15
Meiſter, des Paleſtrina, Leo, Durante ꝛc. ꝛc. vor. Ohne Krankheit
darf keine wegbleiben — niemand darf zuhören oder dabei ſein,
nicht einmal die Eltern, damit die Muſik heilige und die Eitel-
keit ſie nicht entheilige. Ich gewann ihn durch meine Worte über
die Muſik, daß er mir nicht nur den einen Donnerſtag mit italieni- 20
ſcher Muſik gab, ſondern jetzo für den zweiten mit Händel’scher
mich mehrmal ordentlich bittet, als könnt’ ich einen Himmel ver-
ſäumen. Caroline verſteht es, wenn ich ſage, hier iſt Fasch wieder.
Das Aushalten der Töne war oft wie das von Glocken und man
glaubte durchaus verborgne Glocken zu hören. Aber ich werde ja 25
einmal ein Blatt finden, welchem ich dieſe ewigtönende Edenſtunde
mitgebe. —
Mir war, als würden meine Romane lebendig und nähmen mich
mit, als das lange, halb bedeckte Schiff mit 80 Perſonen — bekränzt
mit Eichenlaub bis an die bunten Bänder-Wimpel — begleitet von 30
einem Beiſchiffchen voll Muſiker — vor den Burgen und Bergen
dahin fuhr. — Der größte Theil der Frauen und Männer ſaß an
der langen von dem einen Ende des Schiffes zum andern langenden
Tafel. Studenten — Profeſſoren ꝛc. ꝛc. — ſchöne Mädchen und
Frauen — der Kronprinz von Schweden — ein ſchöner Engländer — 35
ein junger Prinz von Waldeck ꝛc. ꝛc., alles lebte in unſchuldiger
Freude. Meine Kappe und des Prinzen Hut (den aber die meiſten
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(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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