schmäcke geben können." Lasse mich den Zensor hier einen Hund nennen. Ich glaube gar nicht, daß der König helfen wird; -- au contraire. -- Du scheinest doch über Weimar Recht zu haben und mein Brief ist Schuld.
*) Machten wie ich schon wußte gar keine Sensazion. Heute5 kommen sie vom Tische in den Schrank; dann werden sie in einen Quartanten gebunden; dann wird dieser gestohlen, wie die dicke elegante Zeitung, das Morgenblatt und der R[eichs] Anzeiger vorigen Jahrs, von welchen dreien wir nur noch die Rest-Schwänz- chen haben.10
Der Himmel gebe dir ein besseres Jahr als meines mit seiner Unfalls-Kette anfing und fortwährt.
221. An Cotta.
Bayreuth d. 9. Jenn. 1810
Erfreulich war mir Ihr letzter Brief, blos die Nachschrift von15 der literarischen Douane ausgenommen. Ich bitte Sie sehr, mir den Namen des Mannes zu sagen. Ich zweifle, ob Ihre Appel- lazion an den König ihn und meine Aufsätze zu bessern dienen werde. Eine solche Zensur kenn' ich in ganz Deutschland nicht, Wien etwan ausgenommen. Immer lieber bin [ich] ungedruckt20 als verdruckt und mit seinen Dintenflecken besudelt. Was soll sich ein Leser bei den Tabatieren (in der Baurede) und bei dem Schluß (in der Sylvesternacht) denken als höchstens dieß, daß ich da nicht denke? Können Sie also die Freiheit des unver--stümmelten Drucks nicht erhalten: so senden Sie mir die Aufsätze zurück, damit ich25 entweder den Verstümmlungen durch organische Zusätze abhelfe, und alles Ihnen wiederschicke, oder, wenn jene zu unförmlich wären, die Aufsätze mit der Angabe des frühern alibi anders wo drucken lasse. Zuletzt zwingt er mich, öffentlich ihn anzureden, eine Anrede, welche eben keine Dedikazion für ihn sein würde.30
Hab' ich am Hofe Freunde meiner Werke: so ist die Sache leicht abgethan.
Für Ihren reichen Kartenkalender dank' ich sehr. Ich und dieser Künstler müssen zusammen einmal eine komische Handlungs-Reihe wie Hogarth gab, verabreden. Hätt' ich nur erst Zeit! -- Schon35
ſchmäcke geben können.“ Laſſe mich den Zenſor hier einen Hund nennen. Ich glaube gar nicht, daß der König helfen wird; — au contraire. — Du ſcheineſt doch über Weimar Recht zu haben und mein Brief iſt Schuld.
*) Machten wie ich ſchon wußte gar keine Senſazion. Heute5 kommen ſie vom Tiſche in den Schrank; dann werden ſie in einen Quartanten gebunden; dann wird dieſer geſtohlen, wie die dicke elegante Zeitung, das Morgenblatt und der R[eichs] Anzeiger vorigen Jahrs, von welchen dreien wir nur noch die Reſt-Schwänz- chen haben.10
Der Himmel gebe dir ein beſſeres Jahr als meines mit ſeiner Unfalls-Kette anfing und fortwährt.
221. An Cotta.
Bayreuth d. 9. Jenn. 1810
Erfreulich war mir Ihr letzter Brief, blos die Nachſchrift von15 der literariſchen Douane ausgenommen. Ich bitte Sie ſehr, mir den Namen des Mannes zu ſagen. Ich zweifle, ob Ihre Appel- lazion an den König ihn und meine Aufſätze zu beſſern dienen werde. Eine ſolche Zenſur kenn’ ich in ganz Deutſchland nicht, Wien etwan ausgenommen. Immer lieber bin [ich] ungedruckt20 als verdruckt und mit ſeinen Dintenflecken beſudelt. Was ſoll ſich ein Leſer bei den Tabatièren (in der Baurede) und bei dem Schluß (in der Sylveſternacht) denken als höchſtens dieß, daß ich da nicht denke? Können Sie alſo die Freiheit des unver—ſtümmelten Drucks nicht erhalten: ſo ſenden Sie mir die Aufſätze zurück, damit ich25 entweder den Verſtümmlungen durch organiſche Zuſätze abhelfe, und alles Ihnen wiederſchicke, oder, wenn jene zu unförmlich wären, die Aufſätze mit der Angabe des frühern alibi anders wo drucken laſſe. Zuletzt zwingt er mich, öffentlich ihn anzureden, eine Anrede, welche eben keine Dedikazion für ihn ſein würde.30
Hab’ ich am Hofe Freunde meiner Werke: ſo iſt die Sache leicht abgethan.
Für Ihren reichen Kartenkalender dank’ ich ſehr. Ich und dieſer Künſtler müſſen zuſammen einmal eine komiſche Handlungs-Reihe wie Hogarth gab, verabreden. Hätt’ ich nur erſt Zeit! — Schon35
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[84/0097]
ſchmäcke geben können.“ Laſſe mich den Zenſor hier einen Hund
nennen. Ich glaube gar nicht, daß der König helfen wird; —
au contraire. — Du ſcheineſt doch über Weimar Recht zu haben
und mein Brief iſt Schuld.
*) Machten wie ich ſchon wußte gar keine Senſazion. Heute 5
kommen ſie vom Tiſche in den Schrank; dann werden ſie in einen
Quartanten gebunden; dann wird dieſer geſtohlen, wie die dicke
elegante Zeitung, das Morgenblatt und der R[eichs] Anzeiger
vorigen Jahrs, von welchen dreien wir nur noch die Reſt-Schwänz-
chen haben. 10
Der Himmel gebe dir ein beſſeres Jahr als meines mit ſeiner
Unfalls-Kette anfing und fortwährt.
221. An Cotta.
Bayreuth d. 9. Jenn. 1810
Erfreulich war mir Ihr letzter Brief, blos die Nachſchrift von 15
der literariſchen Douane ausgenommen. Ich bitte Sie ſehr, mir
den Namen des Mannes zu ſagen. Ich zweifle, ob Ihre Appel-
lazion an den König ihn und meine Aufſätze zu beſſern dienen
werde. Eine ſolche Zenſur kenn’ ich in ganz Deutſchland nicht,
Wien etwan ausgenommen. Immer lieber bin [ich] ungedruckt 20
als verdruckt und mit ſeinen Dintenflecken beſudelt. Was ſoll ſich
ein Leſer bei den Tabatièren (in der Baurede) und bei dem Schluß
(in der Sylveſternacht) denken als höchſtens dieß, daß ich da nicht
denke? Können Sie alſo die Freiheit des unver—ſtümmelten Drucks
nicht erhalten: ſo ſenden Sie mir die Aufſätze zurück, damit ich 25
entweder den Verſtümmlungen durch organiſche Zuſätze abhelfe,
und alles Ihnen wiederſchicke, oder, wenn jene zu unförmlich wären,
die Aufſätze mit der Angabe des frühern alibi anders wo drucken
laſſe. Zuletzt zwingt er mich, öffentlich ihn anzureden, eine Anrede,
welche eben keine Dedikazion für ihn ſein würde. 30
Hab’ ich am Hofe Freunde meiner Werke: ſo iſt die Sache leicht
abgethan.
Für Ihren reichen Kartenkalender dank’ ich ſehr. Ich und dieſer
Künſtler müſſen zuſammen einmal eine komiſche Handlungs-Reihe
wie Hogarth gab, verabreden. Hätt’ ich nur erſt Zeit! — Schon 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/97>, abgerufen am 25.11.2024.
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